14-08-2014
Wissenswertes über Nanjing
Ente nicht nur aus Beijing: die Nanjing-Ente flattert nach Norden!
von Xu Bei

In China sieht man nur noch sehr selten Menschen vor Geschäften Schlange stehen. Wer allerdings durch die Straßen der Altstadt von Nanjing geht, dem fallen Warteschlangen vor Läden auf, in denen man die begehrte Nanjing-Ente kaufen kann. Die Nanjing-Ente ist nicht nur ein leckeres Gericht auf dem Tisch der Nanjinger Bürger, sondern auch zur Visitenkarte der Stadt geworden.

Vom Namen her unterscheiden sich die beiden Ente, also Peking-Ente und Nanjing-Ente kaum, von der Zubereitung jedoch sehr. Außerdem sehen sie ganz verschieden aus. Wie jedermann weiß, wird die Peking-Ente unter hoher Hitze in einem Ofen gegrillt. Dadurch wird sie goldbraun und fettglänzend. Die Nanjing-Ente hingegen ist weißhäutig. Man isst sie kalt und normalerweise als Vorspeise. Die Nanjing-Ente wird in Salzwasser gekocht und ist nicht so fett wie die Peking-Ente. Da Nanjing am Unterlauf des Jangtse liegt, eignen sich geografische Lage und Klima der Stadt besonders gut für die Aufzucht des schwimmenden Geflügels. Der beste Zeitpunkt, Nanjing-Ente zu essen, liegt um das Mondfest herum. Die schöne Herbstzeit ist auch die Zeit, wenn der Osmanthus blüht. Deshalb nennt man der Nanjing-Ente auch Osmanthus-Ente (Gui Hua Ya).

Seit jeher lieben es die Nanjinger, sich für ein typisches Foto in Pose zu werfen: in der linken Hand ein Teller mit Nanjing-Ente, in der rechten Hand eine Flasche Schnaps. Solche Bilder sind Momentaufnahmen aus einem glücklichen Leben. In Nanjing findet man, dass ein Bankett nicht die Bezeichnung Bankett verdient, wenn auf ihm keine Ente serviert wird. Immer, wenn es ein Fest zu feiern gilt oder Gäste empfangen werden, gibt es Ente. Mit Ente den Gast zu bewirten, ist in Nanjing zu einer Frage des guten Stils in geworden.

 

Legenden und Gebräuche um die Nanjing-Ente

Man sagt, dass die Tradition der Nanjing-Ente mit Zhu Yuanzhang, dem ersten Kaiser der Ming-Dynastie, zu tun hat. Um die Stadtmauer so schnell wie möglich zu errichten, war Zhu Yuanzhang jedes Mittel recht. Aber die Arbeiten gingen nicht so gut voran, weil es allenthalben an Geld fehlte. Einige hohe kaiserliche Beamte rieten daher Zhu Yuanzhang, dass die finanzielle Last nur zu tragen sei, wenn er sich das größte Füllhorn an Schätzen verschaffen könnte. Das befand sich allerdings in Besitz eines bekannten Händlers in Südchina. Deshalb lieh sich Kaiser Zhu Yuanzhang bei diesem Händler das Füllhorn aus, und versprach ihm, es nach drei Tagen zurückzugeben. Nachdem man das Füllhorn im Fundament der Stadtmauer eingegraben hatte, gingen die Bauarbeiten zügig voran, aber das Füllhorn ließ sich nicht mehr ausgraben. In China gibt es ein Sprichwort: Ein Kaiser kann sein Versprechen nicht zurückziehen. Zhu Yuanzhang war in einem Dilemma. Deshalb erteilte er den Befehl, dass von nun an kein Nachtwächter mehr die Stunden ausrufen durfte. Aber wie ließ sich der morgendliche Hahnenschrei abstellen? Dazu wurde in der Hauptstadt Nanjing ein blutiger Befehl erteilt: Alle Hähne und Hühner seien zu schlachten, damit der geprellte Händler nur ja keinen Hahnenschrei hören konnte und somit über das Verstreichen der Dreitagesfrist getäuscht wäre. So kam es, dass es in Nanjing, der südlichen Hauptstadt, keine Hühner und Hähne mehr gab. Die Einheimischen konnten nur noch Ente essen. Die Zubereitungsmethoden für das Entengericht entwickelten sich nach und nach. Schließlich kam man auf die salzige Variante des Entenfleisches.

Die Legende ist an sich schon amüsant, aber in Nanjing gibt es noch spezielle Gebräuche rund um die Ente. Wenn ein junger Mann zum ersten Mal seine künftigen Schwiegereltern besucht, wird er natürlich gemeinsam mit der Familie essen. Bei diesem Essen dient die Ente als Botschafter der Schwiegereltern. Wenn der künftige Schwiegervater dem jungen Man ein Bein der Ente anbietet, sollte dieser sich zwar das Beinfleisch schmecken lassen, aber eigentlich kann sich der Junge dann über nichts anderes mehr freuen. Denn das Bein bedeutet hier: „Bitte gehen Sie fort aus meiner Familie!" Wenn dem Jungen hingegen der Entenbürzel angeboten wird, fällt ihm ein Stein vom Herzen. Denn „ding", das Wort für „Bürzel", hat im Chinesischen die gleiche Aussprache wie das Wort für „festlegen".

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