Solide Zahlen für das erste Halbjahr versprechen gute Perspektiven für die Zukunft. Der nachlassende Immobilienmarkt und Überkapazitäten stellen aber weiterhin Risiken dar.
Neue Energie, neue Wirtschaft: Ein Arbeiter baut ein Elektrofahrzeug bei JAC Motors in Hefei, der Hauptstadt der Provinz Anhui, zusammen
Chinas Wirtschaftswachstum ist im zweiten Quartal 2014 auf 7,5 Prozent gestiegen, ein Indiz für die kontinuierliche Erholung der zweitgrößten Wirtschaftsmacht der Welt. Im ersten Halbjahr lag die Wachstumsquote bei 7,4 Prozent.
Analysten rechnen mit einem weiteren Zuwachs des BPI in der zweiten Jahreshälfte und halten die Erreichung des Jahresziels von 7,5 Prozent noch für möglich. Gleichzeitig warnen sie vor potenziellen Risiken. Dazu zählen Veränderungen am Immobilienmarkt, hartnäckige Überkapazitäten und die wachsende Verschuldung der lokalen Regierungen.
China bewegt sich zurzeit auf einer dünnen Linie zwischen mehr Kreditspritzen für die Wirtschaft - das gilt vor allem für kleinere Unternehmen, die wichtig sind für die Schaffung von Arbeitsplätzen und denen Kapital fehlt - und der Vermeidung von Risiken am Immobilienmarkt und von neuen Schulden auf lokaler Ebene. Auf lange Sicht seien Reformen unbedingt erforderlich, um den Abschwung zu bremsen, hieß es.
"Chinas Wirtschaft zeigte in der ersten Jahreshälfte gute Impulse für ein stabiles und relativ schnelles Wachstum", erklärte Shen Laiyun, Sprecher des Staatlichen Statistikamts (SSA) bei einer Pressekonferenz am 16. Juli. Er unterstrich die Belebung des Wachstums im zweiten Quartal, die ermutigenden Arbeitsmarktzahlen und die Verbesserungen bei strukturellen Korrekturen. Gleichzeitig warnte er wegen der komplizierten nationalen und internationalen Wirtschaftslage aber vor blindem Optimismus. "Die traditionellen Industrien befinden sich in einer Phase des Umbruchs und die "zunehmenden Schmerzen" könnten noch eine Weile andauern, die Wirtschaft steht immer noch unter Druck", erklärte er. Ein Grund dafür seien die Veränderungen am Immobilienmarkt. China wolle Wachstumsimpulse vor allem durch Reformen, Innovationen, die Verbesserung seiner Wirtschaftsstrukturen sowie die Veränderung der Art und Weise des Wirtschaftswachstums erzielen.
Einem Bericht der Renmin-Universität in Beijing zufolge könnte China das diesjährige Wachstumsziel von 7,5 Prozent durchaus noch erreichen, Mini-Anreiz-Maßnahmen und ein günstiges internationales Umfeld sorgen für Auftrieb. Das BPI-Wachstum werde im dritten Quartal weiter zulegen, meint Xu Hongcai, leitender Wirtschaftsexperte am China Center for International Economic Exchanges. Auch er hält die Erreichung des Jahresziels für unproblematisch.
Chinas Urbanisierungsprozess werde das Wachstum zudem für mindestens zwei Jahrzehnte fördern, prognostiziert Jia Kang, Direktor des Institute for Fiscal Science Research. "Chinas Regierung ist nun toleranter gegenüber einem langsameren Wachstum. Unter der Voraussetzung, dass die Arbeitsmarktsituation und die Verbraucherpreise stabil sind, will die Regierung die Ausscheidung veralteter Kapazitäten durch den Markt regulieren lassen. Die Qualität des Wachstums ist wichtiger als sein Tempo", erklärte er.
Verbesserte Strukturen
Unternehmergeist: Zhang Chuanpeng (oben) präsentiert ein Produkt, das er online in Weihei (Provinz Shandong) verkauft. Mit nur 500 Yuan und einem gebrauchten Computer gründete er auf Taoboao.com, der E-Commerce-Plattform von Alibaba, sein eigenes Geschäft
Chinas Einkaufsmanagerindex (PMI) stieg im Juni wieder auf 51 Prozent. Dies war der vierte Anstieg in Folge und der höchste seit Dezember letzten Jahres. Die abschließende Lesung bei HSBC stieg ebenfalls wieder auf ein Siebenmonatshoch von 50,7. Die Produktionsaktivitäten sind wieder auf Kurs.
Nach Ansicht von Cao Heping, Professor für Wirtschaftswissenschaften an der Universität Peking, hängt der erneute Anstieg des PMI eng mit einigen leichten Anreizmaßnahmen zusammen, dazu zählen mehr Investitionen in den Aufbau der Infrastruktur und Steuersenkungen für kleine Unternehmen. Ein großes Anreizpaket sei dagegen keine machbare Option mehr, meint Wang Jun, Wirtschaftswissenschaftler am China Center for International Economic Exchanges. "Die "Mini-Anreiz"-Maßnahmen zeigen seit dem zweiten Quartal Wirkung und ihr Einfluss wird in der zweiten Jahreshälfte noch sichtbarer werden."
Die positiven Strukturveränderungen in der Industrie und beim heimischen Verbrauch zählten zu den ermutigendsten Zeichen der Wachstumsdaten der ersten Jahreshälfte. Es scheint, dass sich Chinas Umstrukturierungsbemühungen auszahlen. Die Industriestruktur wird weiter optimiert, der Anteil des Dienstleistungssektors am Gesamt-BPI steigt konstant.
In der ersten Jahreshälfte erwirtschaftete der Dienstleistungssektor 46,6 Prozent des BPI, 1,3 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. Sein Anteil ist 0,6 Prozent höher als der der Fertigungsindustrie, ein klares Zeichen für eine Verlagerung hin zu einer vom Dienstleistungssektor beherrschten Wirtschaft. Gleichzeitig spielt die heimische Nachfrage eine größere Rolle für das Wachstum.
In der ersten Jahreshälfte trug der Verbrauch laut SSA mit 4 Prozentpunkten zum BPI-Wachstum bei, 3,6 Prozent mehr als Investitionen. Dies entspricht Chinas Ankündigung, die Abhängigkeit von Investitionen und Exporten zugunsten des Verbrauchs zu senken. Die Exporte zogen das BPI-Wachstum auf der anderen Seite um 0,2 Prozent nach unten. Dieser Trend sei durch die gestiegenen Einkommen verstärkt worden, erklärte Sheng, Sprecher des SSA. Er betonte gleichzeitig, dass sich die Einkommenskluft zwischen städtischen und ländlichen Haushalten in der ersten Jahreshälfte weiter verringert habe.
In der ersten Jahreshälfte stieg der Einzelhandelsumsatz laut SSA im Vorjahresvergleich um 12,1 Prozent auf 12,4 Billionen Yuan und beschleunigte sich damit nochmals im Vergleich zum ersten Quartal (12 Prozent). Die aktuelle Wachstumsrate lag bei 10,8 Prozent nach Abzug der Inflation. Das beschleunigte Einzelhandelswachstum wurde durch den starken Online-Sektor gefördert. Dort legten die Umsätze im ersten Halbjahr im Vergleich zum Vorjahr um 48,3 Prozent auf 1,14 Billionen Yuan zu.
Der Verbrauch sei für die Stärkung der Wirtschaft wichtiger gewesen als Investitionen, erläuterte Shen Jianguang, leitender Wirtschaftsexperte bei Mizuho Securities Asia Ltd. "Das ist ein wichtiger Punkt bei den Halbjahresdaten. Der Verbrauch wird allmählich zum größten Antrieb für das BPI-Wachstum. Chinas Restrukturierungsbemühungen der vergangenen Jahre haben sich ausgezahlt".
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