Die Nachfrage nach qualifizierten ausländischen Arbeitskräften ist hoch. China will das Antragsverfahren für dauerhafte Aufenthaltsgenehmigungen lockern.
Neue Identität: Peter Borger, Geschäftsführer von Siemens Ltd., zeigt seine unbefristete Aufenthaltsgenehmigung für China, die er am 12. April 2005 in Shanghai erhielt CHEN YANG
Nach mehr als zehn Jahren in Chinas Hauptstadt fühlt sich Elyse Ribbons aus Detroit als echte Beijingerin. Sie spricht fließend Chinesisch, gründete 2007 eine Theatergruppe und ist außerdem Bühnenautorin, Radiomoderatorin und Schauspielerin. Ribbons freute sich sehr, als sie hörte, dass China die Anforderungen für dauerhafte Aufenthaltsgenehmigungen vereinfachen will. „Es war bislang sehr schwierig, eine solche Aufenthaltsgenehmigung zu bekommen. Mein Eindruck war, dass Leute mit viel Geld für Investitionen bevorzugt wurden. Wenn diese Politik geändert wird, werde ich sicherlich auch einen Antrag stellen", erklärte die 34-jährige dem International Herald Leader.
Anfang Juni berichtete die Nachrichtenagentur Xinhua, dass die Behörden über Veränderungen der Vorschriften zur Vergabe der Aufenthaltsgenehmigungen diskutieren und die Auswahlkriterien lockern wollen.
Langsame Fortschritte
China führte dauerhafte Aufenthaltsgenehmigungen für Ausländer erstmals mit dem 1985 erlassenen Gesetz zur Ein- und Ausreise von Ausländern ein. 1986 erhielt der Deutsche Werner Gerich, Manager der Diesel-Motorenwerke in Wuhan (Provinz Hubei) und erster ausländischer Manager in China nach 1949, als erster eine unbefristete Aufenthaltsgenehmigung.
2004 begann China mit der Vergabe dauerhafter Aufenthaltsgenehmigungen, in der Umgangssprache manchmal auch als Green Card bezeichnet. Laut Vorschriften zur Prüfung und Bewilligung unbefristeter Aufenthaltsgenehmigungen für Ausländer, die vom Außenministerium im selben Jahr verkündet wurden, sind die Green Cards in erster Linie für Ausländer gedacht, die beträchtliche Summen in China investiert haben, für hochrangige Geschäftsleute, renommierte Wissenschaftler und andere Personen, die außergewöhnliche Beiträge für China geleistet haben oder von besonderer Bedeutung für das Land sind, sowie für Personen, die zu ihren chinesischen Angehörigen ziehen wollen.
In den vergangenen Jahren wurden Teilnehmern des Recruitment Program of Global Experts, der globalen Headhunting-Kampagne Chinas, beschleunigte Aufenthaltsgenehmigungen gewährt. Das Programm wurde 2008 gegründet mit dem Ziel, in den folgenden fünf bis zehn Jahren 2000 erstklassige Wissenschaftler und Angehörige anderer Berufsgruppen aus aller Welt anzuwerben.
Bis Ende Mai waren mehr als 4180 Top-Wissenschaftler, Geschäftsleute und Unternehmer mit Hilfe dieses Programms und seiner sieben Unterprogramme ins Land geholt worden. Chinas Regierung erließ mehrere Vorschriften, um den Erfolg des Programms weiterhin sicherzustellen. Demnach haben innovative Wissenschaftler, Unternehmer und ihre Familien neben großzügigen Zuschüssen und anderen Vorteilen ebenso Anspruch auf eine Vorzugsbehandlung bei der Vergabe von Visa und Aufenthaltsgenehmigungen, um ihnen Auslandsreisen zu erleichtern.
Insgesamt 1306 Green Cards wurden an Personen vergeben, die zur Kategorie derer gehören, die besondere Beiträge für China geleistet haben. Die Zahl könnte höher ausfallen, wenn man die vereinfachte Vergabe der Green Cards bekannter gemacht hätte.
Die relativ hohen Anforderungen haben die meisten Ausländer bislang von einem Antrag abgehalten. Am 2. Juni berichtete die Zeitung People's Daily, dass bislang 4076 Ausländer unbefristete Aufenthaltsgenehmigungen erhalten hätten, das sind im Durchschnitt weniger als 500 pro Jahr. Die Green-Card-Inhaber kommen aus insgesamt 91 Ländern und Regionen, die meisten stammen aus den USA, Japan, Kanada, Australien und Deutschland. Investoren und ihre Familien sind die kleinste Gruppe der Antragsteller mit nur 94 erfolgreichen Kandidaten. Hochrangige Geschäftsleute und angesehene Wissenschaftler erhielten zusammen mit ihren Familienangehörigen insgesamt 763 Green-Cards. 1612 Aufenthaltsgenehmigungen wurden an Ausländer vergeben, die außergewöhnliche Beiträge für China geleistet haben.
Eine der ersten dauerhaften Aufenthaltsgenehmigungen erhielt Joan Hinton (1921-2010), in China bekannt als Han Chun, eine der ersten Wissenschaftlerinnen, die am Manhattan-Projekt beteiligt war, in dessen Rahmen die erste Atombombe entstand. Als sie 2004 die Green Card erhielt, hatte die 83-jährige bereits 56 Jahre in China gelebt und sich für eine Verbesserung der Molkereitechnologie eingesetzt.
Es ist vorgeschrieben, dass die Inhaber einer Aufenthaltsgenehmigung dieselben Rechte wie Chinesen haben, ausgenommen politische und andere Rechte, die ausdrücklich in den Gesetzen und Vorschriften erwähnt werden. So kann der Green-Card-Inhaber beispielsweise die Mitgliedschaft in einer Sozialversicherung sowie einen chinesischen Führerschein beantragen.
Als einer der ersten türkischen Studenten, der mit einem Regierungsstipendium nach China kam, lebte Noyan Rona 32 Jahre in China. Er arbeitete als oberster Repräsentant der Garanti Bank in Shanghai, und leistete eine Menge Freiwilligenarbeit in lokalen Gemeinden und Pflegeheimen. Nachdem er 2012 Ehrenbürger von Shanghai wurde, erhielt er 2013 seine dauerhafte Aufenthaltsgenehmigung. Es sollten nicht nur die Anforderungen für eine Aufenthaltsgenehmigung gelockert werden, sondern es sollte auch Verbesserungen für Ausländer, die bereits Inhaber einer Green Card sind, geben. „Ich habe eine Green Card, aber ich kann Dienstleistungen nicht so einfach in Anspruch nehmen wie ein Chinese", sagt Rona und nennt als Beispiel die Eröffnung eines Bankkontos. „Man hat meine Aufenthaltsgenehmigung nicht anerkannt und wollte meinen Pass sehen", erzählt er. Ähnliche Probleme habe es in Krankenhäusern und anderen Dienstleistungseinrichtungen gegeben.
Der holländische Bankier Pieter de Jong, der das Shanghaier Büro der ING Bank leitet und seit 16 Jahren in der Stadt lebt, erhielt 2012 eine chinesische Green Card. Er erlebte ähnliche Schwierigkeiten, als er die Aufenthaltsgenehmigung in Hotels und Banken nutzen wollte. Am Ende musste er doch seinen Pass vorzeigen, um sich auszuweisen. „Ich hoffe, dass die Green Card allgemein anerkannt wird und ihre Inhaber dann auch tatsächlich den versprochenen Service genießen können. Warum sollte sonst irgendjemand einen Antrag dafür stellen?", meint de Jong.
Neue Identität: Peter Borger, Geschäftsführer von Siemens Ltd., zeigt seine unbefristete Aufenthaltsgenehmigung für China, die er am 12. April 2005 in Shanghai erhielt CHEN YANG
Niedrigere Hemmschwellen
„Als die Vorschriften zur Prüfung und Bewilligung der unbefristeten Aufenthaltserlaubnis für Ausländer entworfen wurden, gab es eine politische Tendenz zur Vorsicht, basierend auf zwei Faktoren: China hat eine riesige Bevölkerung und einen vergleichsweise kleinen ausländischen Bevölkerungsanteil", erklärt Wang Zhenyao, Direktor des Center for China and Globalization in Beijing.
Die Situation verändert sich schnell, da immer mehr Ausländer zum Studium oder Arbeiten nach China kommen. Der Anteil der langfristig in China lebenden Ausländer stieg von 230.000 im Jahr 2003 auf fast 500.000 im Jahr 2010. Seit der Finanzkrise von 2008 seien zunehmend Ausländer auf der Suche nach Arbeit oder wegen einer Unternehmensgründung nach China gekommen. Das habe zu einem steigenden Ausländeranteil und einer größeren Nachfrage nach dauerhaften Aufenthaltsgenehmigungen geführt, erläuterte Wang.
Seiner Ansicht nach reichen die Regierungsprogramme, die Ausländer nach China holen sollen, bei weitem nicht aus, um die Nachfrage nach qualifizierten ausländischen Arbeitskräften zu decken. Es sollten mehr Ausländer mit qualifizierter Ausbildung und festem Arbeitsplatz eine Green Card erhalten, da ihre Fähigkeiten in China gebraucht würden, empfiehlt er. In China lege man bei der Vergabe der Aufenthaltsgenehmigungen zuviel Wert auf die Berufsbezeichnungen der Bewerber und ihre Arbeitserfahrung in China, so Wang, während im Westen vor allem der akademische Hintergrund, Sprachkenntnisse und Arbeitserfahrung im Herkunftsland zählten.
Da jedes Jahr zahlreiche Chinesen auswandern, fehlen in China mehr und mehr qualifizierte Leute. Allein 2012 erhielten mehr als 150.000 Chinesen dauerhafte Aufenthaltsgenehmigungen für die USA, Kanada, Australien und Neuseeland, die vier wichtigsten Auswanderungsziele von Chinesen. Die meisten Emigranten seien heute zwischen 35 und 55 Jahre alt, schrieb Wang in einem Essay für den International Herald Leader. Sie gehören zur Mittel- oder Oberschicht und haben großen sozialen Einfluss. „Der Exodus dieser Elite hat zu unermesslichen Verlusten für die Reformen und den sozialen Fortschritt in China geführt", erklärt Wang.
Xiao Mingzheng, Professor an der School of Governance der Universität Peking, war Mitglied des Planungsgremiums für China's National Medium- and Long-term Talent Development Plan (2010-2020). Nach seinen Angaben belegt China bei der Anwerbung hochqualifizierten Personals im internationalen Wettbewerb eine Position im oberen Mittelfeld. „Während sich Industrieländer durch sozialen Fortschritt und eine saubere Umwelt auszeichnen, liegt Chinas größter Vorteil in seiner schnellen sozioökonomischen Entwicklung und einem vielversprechenden Entwicklungsspielraum für qualifizierte Arbeitskräfte", erklärt Xiao.
Voraussetzungen für eine unbefristete Aufenthaltsgenehmigung
Investoren:
- direkte und konstante Investitionen in China in drei aufeinanderfolgenden Jahren, einwandfreie Steuerunterlagen;
- Investitionen in Höhe von über 500.000 Dollar in Branchen, in denen die Regierung ausländische Investitionen fördert, im Westen Chinas oder in armen Regionen des Landes; Investitionen von mehr als 1 Million Dollar in Zentralchina oder von mehr als 2 Millionen Dollar im ganzen Land.
Hochqualifizierte Arbeitskräfte
- müssen die Position eines Vize-Geschäftsführers, stellvertretenden Direktors und darüber - oder die Position eines außerordentlichen Professors, außerordentlichen wissenschaftlichen Mitarbeiters o.ä. – mehr als vier Jahre innegehabt und sich nicht weniger als insgesamt drei Jahre in China aufgehalten haben; müssen einwandfreie Steuerunterlagen vorlegen können
- arbeiten bei Institutionen, die den Ministerialabteilungen des Staatsrats oder den Provinzregierungen unterstellt sind; bei wichtigen Bildungsinstitutionen; bei Unternehmen, die mit einem bedeutenden nationalen Projekt oder Forschungsprogramm betraut sind, bei High-Tech-Firmen, Unternehmen in Branchen, in denen die Regierung Auslandsinvestitionen fördert, bei Firmen mit High-End-Technologien oder bei exportorientierten ausländischen Unternehmen.
(Quelle: Vorschriften zur Prüfung und Bewilligung von unbefristeten Aufenthaltsgenehmigungen für Ausländer)
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