30-06-2014
Kultur
Zum Akupunkturkurs nach Beijing
von Bai Shi

 

Akupunktur erfreut sich im Westen großer Beliebtheit. Viele Ausländer frischen ihre medizinischen Kenntnisse in China auf.

 
 
Unter Anleitung von Dr. Zhou Yunxian führt Manuel Rodriguez-Vereau eine Akupunkturbehandlung durch. 

 

An einem frühen Frühlingsmorgen kommt Manuel Rodriguez-Vereau, ein 59-jähriger Peruaner mit chinesischen Vorfahren, ins Guang'anmen Hospital in Beijing. Er will sich dort in Akupunktur unterrichten lassen.

Es ist das zweite Mal, dass Manuel an einer kurzen Fortbildung in Akupunktur und Moxibustion in China teilnimmt. Obwohl er in Peru aufgewachsen ist, hat er seine chinesischen Wurzeln nie vergessen. Sein Vater brachte ihm schon früh die Grundlagen der traditionellen chinesischen Medizin (TCM) bei und bis ins Erwachsenenalter hat er seine medizinische Ausbildung fortgesetzt.

„In meiner Heimatstadt in Peru ist Akupunktur eine effektive und bezahlbare Therapie für die Behandlung von Schmerzen und einiger Krankheiten", erklärt er der Beijing Review.

Vor einigen Jahren zog Manuel nach Dänemark und öffnete eine Rehaklinik in Malmö, einer Hafenstadt im Süden des Landes. „TCM ist in Europa sehr beliebt. Vor allem in Dänemark wird die Akupunktur immer öfter als legitime medizinische Behandlung anerkannt. Das war eine Chance für mich und meine Karriere", so Manuel.

Seit Mitte der 1990er Jahre steigt die Beliebtheit der Akupunktur in Dänemark und anderen Ländern Europas. Tausende Ärzte und Krankenschwestern in Dänemark seien in der uralten chinesischen Heilkunst ausgebildet worden, um sie in der Rehabilitation und zur Schmerzbekämpfung einzusetzen, erklärt Yan Jinsheng, Leiter des Guang'anmen Hospital und der Abteilung für Internationale Zusammenarbeit bei der Staatlichen TCM-Behörde.

Nach einem Bericht der World Federation of Acupuncture-Moxibustion Societies aus dem Jahr 2013 wird Akupunktur weltweit in 183 Ländern als klinische Anwendung eingesetzt.  

„Die Chinesen glauben, dass die Akupunktur mehr als 100 Krankheiten heilen kann. Bei mehr als 300 Leiden wird sie als unterstützende Therapie eingesetzt", so Yang. „Basierend auf strengen medizinischen Kriterien berichteten Mediziner, die Akupunktur anwandten, der WHO 1996, dass sie bei der Behandlung von 43 Leiden erfolgreich waren."

„Abgesehen von der WHO wurden in ausländischen Forschungsinstituten Hunderte medizinischer Tests durchgeführt, um die Wirksamkeit der Akupunktur zu belegen", so Yang weiter.

Zahlreiche physiologische Faktoren werden zur Erklärung der Wirksamkeit der Akupunktur herangezogen, darunter Zytokine, Hormone (wie Cortisol oder Oxytocin), biomechanische und elektromagnetische Auswirkungen, das Immunsystem sowie das somatische und autonome Nervensystem.

„Auch wenn Wissenschaftler bislang keine umfassende wissenschaftliche Erklärung für die Wirksamkeit liefern konnten, ist die Sicherheit und Effizienz in medizinischen Kreisen belegt und allgemein anerkannt", erklärt Yang.

 

Unendliches Wissen

Als eine empirische Behandlung beruht Akupunktur auf der regelmäßigen Ausübung. Die Beherrschung der Akupunktur erfordert ein jahre-, vielleicht sogar lebenslanges Studium.

Manuel befasst sich seit fast 16 Jahren mit Akupunktur und Moxibustion. Aber erst vor kurzem kam er an den Entstehungsort dieser Heilkunst, um sich von chinesischen Experten fortbilden zu lassen. Es gebe noch viel bei der Anwendung der Akupunkturtechniken zu lernen, sagt er.

„Ich kam vor einem Jahr nach Beijing, um meine Kenntnisse aufzufrischen. Ich war sehr beeindruckt von den Kenntnissen und der Arbeitsethik der TCM-Ärzte in Beijing", berichtet er.

„Ein altes chinesisches Sprichwort besagt, das Wissen sei unendlich. Es gibt so viel zu lernen, also beschloss ich, in diesem Frühling für einen zweimonatigen Kurs noch einmal nach Beijing zu kommen", sagt Manuel.

Während seines letzten Aufenthaltes nahm Manuel am Fortgeschrittenen-Kurs des China Beijing International Acupuncture Training Center (CBIATC) am Institute of Acupuncture and Moxibustion der China Academy of Chinese Medical Sciences (CACMS) teil.

Seine Lehrerin ist Zhou Yunxian (76), eine leitende TCM-Ärztin am CBIATC. Obwohl sie längst im Rentenalter ist, arbeitet sie weiter am Guang'anmen Hospital, um die nächste Generation von Ärzten auszubilden.

„China wollte unterentwickelten Ländern bei der Verbesserung ihrer medizinischen Versorgung helfen und bot dazu ausländischen Ärzten Unterricht in Akupunktur und anderen Methoden der TCM an", erklärt Zhou. „Verglichen mit anderen Therapien ist Akupunktur die günstigste Physiotherapie für unterentwickelte Länder. Während Chinas Kultur so im Ausland bekannter wurde, stieg auch ihre Popularität in den Industrieländern."

Ausländern Akupunktur beizubringen, ist allerdings keine leichte Angelegenheit.

„Zum Beginn des Unterrichts haben die meisten ausländischen Schüler keine Ahnung von der Theorie und den Konzepten der TCM. Wenn ich beispielsweise über den xuewei (Akupunkturpunkt) spreche, schauen sie sehr ratlos drein", erzählt Zhou der Beijing Review.

„Das theoretische System der TCM ist hochphilosophisch. Außerdem unterscheidet es sich sehr von der modernen westlichen Medizin. Daher müssen wir Konzepte und Theorien der TCM während der Kurse in einfacher Sprache vermitteln", sagt Zhou.

„Unsere Arbeit ist es wert. Die Kenntnisse über TCM haben sich in der ganzen Welt verbreitet und wir haben ein paar Unterrichtsstandards entwickelt ", berichtet sie.

In den letzten 30 Jahren hat das CBIATC theoretischen und praktischen Unterricht in Akupunktur und Moxibustion für Ärzte aus über 100 Ländern und Regionen angeboten.

Zhou nimmt ihre Schüler oft ins Krankenhaus mit und zeigt ihnen, wie man die Nadeln setzt. Sie glaubt, dass die klinische Praxis für Ausländer ein wichtiger Bestandteil des Lernprozesses ist.

„Theorie und eigenhändige Erfahrungen sind beides wichtig für die Akupunkturschüler. Man muss ein Gefühl für den richtigen Druck beim Setzen der Nadel auf einen Akupunkturpunkt bekommen, nicht so viel, dass es weh tut, aber genug, damit die Nadel wirken kann. Durch wiederholte Übung kann man diese Fähigkeit nach und nach erlernen", so Zhou.

 

Ein Weg zur Gesundheit

Für Manuel ist die Akupunktur ein Beruf. Für Frau Katharina Böhm, eine Hausfrau aus Bayern, ist sie ein reines Hobby. Schon lange interessierte sie sich für TCM. In Deutschland arbeitete sie in der pharmazeutischen Industrie, zurzeit lebt sie mit ihrem Ehemann in Beijing. Der Aufenthalt in China ermöglicht ihr, zu lernen, wie man die Techniken der TCM anwendet.  

„Nach zwei Wochen Kurs kannte ich schon alle Akupunkturpunkte des menschlichen Körpers", erzählt sie der Beijing Review.

Für Böhm ist die TCM eine etwas mysteriöse aber effektive Behandlungsmethode für Leiden wie Stress und Muskelverspannungen. Aktuelle Studien zeigen, dass das Stimulieren von Nervenenden Schmerzen lindern kann, eine der wichtigsten Funktionen der Akupunktur.

Trotz aller kulturellen Unterschiede wurde die TCM in Deutschland in den letzten Jahren gut aufgenommen. Es wurden zahlreiche Akupunkturkliniken eröffnet. Die deutsche Regierung habe die Behandlung mit TCM-Methoden als gesetzliche Kassenleistung anerkannt, sagt Böhm. 

Dennoch, Akupunktur hat ihre Schwachpunkte. Es sei ein langsamer Prozess, Patienten müssten sich regelmäßig über einen langen Zeitraum behandeln lassen, damit die Therapie erfolgreich sein könne, so Böhm. 

Böhm will die Akupunktur zur Behandlung von Erschöpfungszuständen und Sportverletzungen in ihrer Familie nutzen. „Die TCM besitzt ein reiches Wissen über die Erhaltung der Gesundheit. Akupunktur ist nur ein Beispiel dafür", sagt sie.