Auf dem Media-Kongress „Story Drive Asia", der vom BIZ Peking und der Frankfurt Academy in Rahmen der China Beijing International Fair For Trade in Services vom 29. bis 30. Mai in Beijing stattfand, sprach Jürgen Boos, der Präsident der Frankfurter Buchmesse, vor der Presse über chinesische Literatur und ihre Rolle im Ausland.
Jürgen Boos, der Präsident der Frankfurter Buchmesse
Welche Bücher aus China haben Sie als Experte am meisten beeindruckt?
Aus meiner persönlichen Erfahrung von der Frankfurter Buchmesse mit China als Gastland bin ich ein großer Fan von Mo Yan. Auch sein letztes Buch „Frosch" ist ganz toll.
Welche Themen chinesischer Publikationen sind für deutsche Leser interessant?
Historische Bücher über die Kaiserzeit sind nach wie vor interessant. Auch die Bücher, die sich mit der schnellen gesellschaftlichen Umwandlung befassen sowie politische Bücher.
In den letzten Jahren haben sich die chinesische Regierung und Verlage sehr darum bemüht, chinesische Bücher ins Ausland zu bringen. Ist die Zeit jetzt reif dafür? Wie sehen die Erfolge in Europa aus?
Es gibt viele Gründe für chinesische Verlage, ins Ausland zu gehen. Sie wollen internationale Rechte verkaufen. Wichtiger noch ist der Austausch unter den Verlagen weltweit. Etwas von den anderen zu lernen und zu verstehen, wie unterschiedlich Geschäftsmodelle funktionieren. Yu Dans Buch, „Confucius From the Heart", ein Bestseller in China, war international sehr erfolgreich. Es wurde in unterschiedliche Sprachen übersetzt. Allerdings haben chinesische Verlage noch einen weiten Weg vor sich. Sie müssen Vertrauen aufbauen, wenn sie international Geschäfte machen wollen. Das braucht viel Zeit, das geht nicht nur in einem Jahr.
Die Deutschen kennen nicht viele chinesische Schriftsteller. Wie kann Chinas Literatur in Deutschland bekannter werden?
Die Deutschen haben schon sehr viele chinesische Bücher übersetzt, leider zu 80 Prozent aus dem Englischen. Das ist ein kommerzieller Ansatz. Man will nur etwas übersetzen, was schon sehr erfolgreich ist. Wir haben auch einen sehr starken heimischen Markt. Deutschland ist nach den USA und China der drittgrößte Literaturmarkt. Wir haben sehr stake deutsche Autoren, sie machen ungefähr die Hälfte aus. Von der anderen Hälfte sind 80 Prozent aus dem Englischen übersetzt, das ist die für uns naheliegendste Sprache. Der Nobelpreis von Mo Yan hilft ein bisschen, er ist ein notwendiger Anstoß von außen. Wir haben in Deutschland eine Krise der Literaturkritik. Früher hatten große Zeitungen eigene Literaturseiten, auf denen viele internationale Titel besprochen wurden. Das gibt es nicht mehr. Heute geht es den Zeitungen durch die Konkurrenz mit dem Internet schlecht. Das ist sicher ein Problem. Ein weiteres Riesenproblem ist es, dass es zu wenige literarische Übersetzer für das Chinesische gibt, nicht nur ins Deutsche, sondern auch in andere Sprachen. Es gibt deutsche Übersetzer, aber es fehlt an Qualität. Es sollten besser Chinesen ins Deutsche übersetzen.
Was sind die Hauptprobleme für die Globalisierung chinesischer Bücher? Zu wenige Übersetzer, die unterschiedliche Kultur oder andere Dinge?
Es gibt zahlreiche Herausforderungen, zuerst einmal den Markt. Ein Verlag will Geld verdienen, das gelingt sicherer in einer Kultur, die der eigenen ähnlich ist. Wenn ein Buch in Deutschland Erfolg hat, kann es leicht in Frankreich erfolgreich werden, aber es ist schwer, es in China einzuführen. Dies gilt auch umgekehrt. Es gibt sehr wenige junge chinesische Autoren, die übersetzt werden. In China und in Deutschland werden viele Klassiker übersetzt. Junge Autoren zu übersetzen, ist ein ehrgeiziges Projekt. Denn Übersetzungen sind teuer, besonders da es nur wenige Übersetzer gibt. So gibt es viele Probleme, der Markt, der nach erfolgreichen Titeln sucht, die Übersetzung, die Qualität der Übersetzung, kulturelle Unterschiede. Daher werden Kinder- oder Kochbücher eher akzeptiert.
Sollen chinesische Verlage sich am ausländischen Markt orientieren, oder einfach die Bücher einführen, die sie verlegen wollen?
Sie haben ein Profil als Verlag, das bedeutet, Sie sollten sich auf etwas konzentrieren. Wenn wir über das Verlagswesen reden, denken wir an Literatur. Aber es gibt viele andere Themen, z.B. Design aus China, Keramik, Technologie. Diese Bücher können leicht Grenzen überschreiten, denn die Leute wollen etwas über die Entwicklung des Designs in China erfahren. Aber die Art und Weise, wie das Buch präsentiert wird, ist möglicherweise nicht auf die Bedürfnisse der deutschen Verlage ausgerichtet. Es ist einfacher, wenn sich deutsche und chinesische Verlage zusammensetzen und das Buch dem deutschen Markt entsprechend neu „verpacken". Es ist wichtig, sich gegenseitig und den Markt des anderen kennen zu lernen. Deshalb sollten wir uns treffen und austauschen.
Der „Spiegel" hat berichtet, dass „Gruner + Jahr" einen Rückzug aus China erwägt. Ist Chinas Markt noch attraktiv für deutsche Medienhäuser?
Vor zwei oder drei Jahren habe ich den Geschäftsführer von Gruner+Jahr China getroffen. Damals erzählte er mir noch, wie gut sich der Anzeigenmarkt für Zeitschriften in China entwickelt. Ich weiß nicht, warum Gruner+Jahr sich aus China zurückziehen will. Das überrascht mich. Ich habe keine Erklärung dafür. Und ja, Chinas Markt ist nach wie vor interessant.
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