15-04-2014
Ökologie
Qinghai: Umweltprojekt soll lebenswichtige Flüsse vor der Austrocknung bewahren
von Wang Hairong

 

Schutz für die Quellgebiete durch Wiederaufforstung und Wiederherstellung des Graslands. Über 55.000 Anwohner umgesiedelt.

 

 

 

Das Quellgebiet des Gelben Flusses im Kreis Dalag in dem Autonomen Tibetischen Bezirk Golog in der Provinz Qinghai

 

 

 

Tiere des Hochlandes: Fuchsjunge im Naturschutzgebiet Sanjiangyuan

 

„Sternenmeer" heißen die Hunderte von Seen, die im Kreis Madoi in dem Autonomen Tibetischen Bezirk Golog in der Provinz Qinghai verstreut liegen. In der Sonne funkeln sie nämlich wie helle Sterne.

Madoi liegt im Schnitt 4500 Meter hoch und hat insgesamt mehr als 4000 Seen. Der Name des Kreises bedeutet wörtlich „Quelle des Gelben Flusses", denn das Wasser aus den zahlreichen Seen fließt in die zweitlängste Wasserstraße Chinas.

In den 1970er Jahren war Madoi eine reiche Region mit saftigem Grasland und reichlich Wasser. Das durchschnittliche jährliche Prokopfeinkommen der Viehhirten war einst das höchste des Landes, heißt es in einer Broschüre, die Xing Yonggui, ein Mitglied des Autorenverbands der Provinz Qinghai, zusammengestellt hat.

Nach Angaben der Anwohner war das Gras in den 1960er Jahren so hoch, dass Vieh und Schafe sich bequem darin verstecken konnten. In den 1980er und 1990er erlebte Madoi einen ökologischen Alptraum. Infolge von Überweidung und Klimawandel verkümmerten die Grasflächen, es kam zu Bodenerosionen, Flüsse und Seen begannen auszutrocknen. In dieser Zeit verschwanden nach einem Bericht der Nachrichtenagentur Xinhua mehr als 2000 Seen.

Madoi gehört zur Region Sanjiangyuan, dem Quellgebiet von Yangtse, Gelbem Fluss und Lancang, der dritt-, fünft- bzw. sechstlängsten Wasserstraße der Welt.

Forschungen zufolge stammt das Wasser aus Gelbem Fluss, Yangtse und Lancang zu 49, 26 bzw. 16 Prozent aus Sanjiangyuan. Das meldete die Zeitung Xihai Metropolis, ein lokales Blatt aus Qinghai.  Die Gegend wird daher manchmal auch als „Wasserturm Chinas" bezeichnet.

2005 rief die Regierung offiziell ein großes Umweltschutzprojekt in Sanjiangyuan ins Leben.

Das Projekt hat die Umwelt in Madoi sichtbar verbessert. Das Seengebiet ist wieder angewachsen,  die Zahl der Seen liegt Xinhua zufolge wieder bei mehr als 4000.

Am 18. Dezember 2013 wurde bei einem Führungstreffen des Staatsrats unter Vorsitz von Ministerpräsident Li Keqiang ein Plan für die zweite Phase des Projekts beschlossen.

Diese zweite Phase wurde offiziell am 10. Januar diesen Jahres eingeläutet. Ihr Schwerpunkt liegt auf dem Schutz und der Wiederherstellung der Pflanzenwelt. Seitdem wurde die Fläche des Naturschutzgebiets Sanjiangyuan von 152.000 Quadratkilometer auf 395.000 Quadratkilometer erweitert.

Die zweite Projektphase soll bis 2020 dauern. Dafür seien mehr als 16 Milliarden Yuan zur Verfügung gestellt worden, so Li Xiaonan, Direktor des Sanjiangyuan Ecological Protection and Construction Office in Qinghai.

Die Waldfläche in Sanjiangyuan soll von 4,8 Prozent im Jahr 2004 auf 5,6 Prozent nach Abschluss der zweiten Projektphase wachsen, die Grasflächen sollen von 25 auf 30 Prozent ansteigen, so Li Xianoan.

 

Erholung der Umwelt

In der ersten Phase des Umweltprojekts von Sanjiangyuan habe man insgesamt 6,51 Milliarden Yuan in den Schutz von Feuchtgebieten, die Umwandlung von Weiden in Grasflächen, Aufforstung sowie Wasser- und Bodenerhaltung investiert, erklärt Qu Xiasong, stellvertretender Direktor der Abteilung für Ländliche Wirtschaft bei der Staatlichen Kommission für Entwicklung und Reform.

Das Projekt habe zu einer Ausdehnung der Waldflächen von 3,2 Prozent im Jahr 2004 auf 4,8 Prozent im Jahr 2012 geführt, so Wu. Von 2004 bis 2012 wurden die Feuchtgebiete im Naturschutzgebiet Sanjiangyuan um 104,94 Quadratkilometer erweitert, die Trinkwassermenge stieg um  2,84 Milliarden Kubikmeter.

In dieser Zeit vergrößerte sich die Fläche mit dicht bewachsenem Grasland (d.h. mehr als die Hälfte des Landes ist von Gras bewachsen) offiziellen Statistiken zufolge um 2,387 Quadratkilometer pro Jahr.

Diese Erfolge hätten ohne effektive Schutzmaßnahmen nicht erzielt werden können. Bergregionen und Weiden wurden zeitweise für die Wiederaufforstung und die Sanierung der Grasflächen geschlossen, Anwohner aus ökologisch sensiblen Regionen umgesiedelt. 

Bislang seien 3,78 Millionen Hektar Weideland geschlossen, 6540 Hektar Ackerland in Wald oder Grasland umgewandelt worden, erklärte Li Xiaonan.

Offizielle Statistiken zeigen außerdem, dass insgesamt 55.773 Anwohner aus 10.733 Haushalten vom Weideland in Kleinstädte umgesiedelt wurden, um das Grasland vor weiterer Zerstörung durch menschliche Aktivitäten zu schützen.

„Der Großteil der Investitionen der Zentral- und Lokalregierung für den Schutz Sanjiangyuans wurde für einen ökologischen Ausgleich verwendet", erklärte Wang Jinnan, Vizepräsident der Chinesischen Akademie für Umweltplanung am Ministerium für Umweltschutz.

Der ökologische Ausgleich soll sowohl die Umwelt als auch die Lebensbedingungen der Menschen verbessern, so Wang. Anwohner, die von der Stilllegung des Weidelands betroffen sind, erhalten beispielsweise Zuschüsse für den Kauf von Viehfutter. Anwohner, die von der Umwandlung von Ackerland in Wald oder Grasland betroffen sind, erhalten Entschädigungen für Saatgut und Ernteerträge sowie Zuschüsse zu Lebenshaltungskosten.

Im Rahmen des Umweltprojektes umgesiedelte Anwohner erhalten außerdem Zuschüsse für ihre Wiederansiedlung an einem neuen Ort.

Die Provinzregierung von Qinghai hat große Anstrengungen zur Einrichtung eines ökologischen Ausgleichsmechanismus unternommen.

In den vergangenen Jahren bot sie Bauern und Nomaden in Sanjiangyuan Ausbildungen an und gewährte Zuschüsse für den Kauf von Produktionsmaterialien und Treibstoff. Die Provinzregierung verteilte außerdem Schulgeld und Stipendien sowie Zuschüsse zu Lebenshaltungskosten an Kinder örtlicher Familien, die sich in der Pflichtschulzeit oder ein Jahr davor bzw. drei Jahre danach befanden, und sie unterstützte  Bauern und Nomaden bei der Gründung eines eigenen Unternehmens.

 

Mehr Wohlstand für die Anwohner

Nach dem Umzug in die Stadt müssen sich die nomadischen Viehhirten an eine völlig andere Lebensweise gewöhnen.

„In einem Haus zu leben ist besser, als im Zelt zu wohnen. Es ist leichter, einen Arzt aufzusuchen und einkaufen zu gehen, für die Kinder ist der Schulbesuch unkomplizierter", sagt Soibo Zhaxi, ein neuer Bewohner der Gemeinde Gyaring in Maido. Aber er hat auch Bedenken. „Bislang können die Umsiedler von den Zuschüssen der Regierung leben. Aber was passiert, wenn die Zuschüsse enden und die Preise in Zukunft steigen?"

Ein nachhaltiger ökologischer Ausgleichsmechanismus sollte nicht nur den Transfer, sondern auch die Schaffung neuer Ressourcen einplanen, fordert Fan Fengyu, Vizepräsident der Changjiang and Huanghe Corp., einem Unternehmen, das umweltverträgliche Lösungen für Gewässer wie den Yangtse und den Gelben Fluss anbietet.

Zusätzlich zu Geldtransfers sollte Sanjiangyuan dabei unterstützt werden, die industrielle Struktur im Hinblick auf ihre Umweltverträglichkeit und örtliche Besonderheiten zu verändern, so Fan.

Örtliche Bauern und Hirten, in der Mehrzahl Tibeter, sollten Anreize zur Produktion von Ornamenten in tibetischem Stil, von tierischen Erzeugnissen und tibetischer Medizin geboten werden, schlägt er vor.

Bauern und Hirten engagieren sich ebenfalls für den Umweltschutz in Sanjiangyuan. Allein 2012 stellte Qinghai fast 10.000 Anwohner zur Verwaltung und zum Schutz des Graslands ein.

Ab 2006 traf die Regierung mit den Anwohnern Schutzvereinbarungen, darin sind Rechte und Pflichten sowie Zielvorgaben festgelegt.

Gemäß dieser Vereinbarungen könnten tibetische Viehhirten im Naturschutzgebiet von Sanjiangyuan Streife gehen, die Umwelt und Tierwelt kontrollieren, berichtete Ma Hongbo, Professor an der Provinzhochschule für Verwaltung der Zeitschrift Oriental Outlook in Beijing. 

Die Tierwelt von Sanjiangyuan konnte so effektiv geschützt werden, das sei auf die großzügigen Investitionen der Regierung und die Schutzmaßnahmen der Anwohner zurückzuführen, resümiert Li Xiaonan.