11-04-2014
Chinesisch-Deutsche Beziehungen
China und Europa - eine nahtlose Verbindung
von Ding Ying

 

Durch die Konsolidierung einer strategischen Politik der umfassenden Kooperation entsteht eine pragmatischere Partnerschaft zwischen China und Europa

 

 

Erfolgsfeier: Chinas Staatspräsident Xi Jinping (3.v.l.) und der belgische König Philippe (3.v.r.) präsentieren am 1. April gemeinsam das 300.000. Auto, das von der Volvoproduktionsanlage in Gent nach China exportiert wird.

 

Zwei große Mächte, zwei große Märkte und zwei große Zivilisationen: China und die EU repräsentieren das größte Entwicklungsland der Welt bzw. den größten Zusammenschluss von Industrieländern. Ein gemeinsames Bedürfnis nach Entwicklung hat sie zusammengebracht.

Vom 22. März bis 1. April absolvierte Chinas Staatspräsident Xi Jinping seinen ersten Europabesuch seit seinem Amtsantritt im März 2013 und besiegelte Kooperationsvereinbarungen zwischen China und Europa sowohl auf strategischer als auch ganz praktischer Ebene.

 

Kooperationsentwurf

Europa habe 2014 Priorität auf Chinas diplomatischer Agenda, das hatte schon Außenminister Wang Yi am 8. März bei der Vorstellung der Außenpolitik und außenpolitischen Beziehungen Chinas erklärt. Xis Reise umfasste Besuche in vier EU-Mitgliedsstaaten und in Brüssel, dem Hauptsitz der EU. Zur Beendigung seiner Reise am 2. April gab China das 2. Strategiepapier zur EU heraus, in dem die Beziehung zwischen China und der EU sowie ihre Rolle für die Welt näher definiert wird. Das erste Dokument dieser Art wurde vor elf Jahren veröffentlicht.

Xis Besuch zielte darauf ab, das gegenseitige politische und wirtschaftliche Vertrauen zu stärken und die bilaterale Zusammenarbeit sowohl in neuen als auch traditionellen Bereichen, einschließlich des Handels, auszuweiten. Die Reise sollte zudem eine genauere Kooperationsstrategie zwischen beiden Seiten aufzeigen, um die umfassende strategische Partnerschaft in die Praxis umzusetzen, erklärte Feng Zhongping, Vizepräsident des China Institute of Contemporary International Relations.

Die vier Länder, die Xi besuchte, waren sorgfältig ausgewählt. Deutschland und die Niederlande sind Chinas erstgrößter bzw. zweitgrößter Handelspartner in der EU; Frankreich war das erste westliche Land, das auf Botschafterebene diplomatische Beziehungen mit China einging, und Belgien ist Hauptsitz der EU.

Es gab eine Menge Premieren während Xis Europareise. Es war das erste  Mal, dass ein chinesischer Staatspräsident die Niederlande besuchte, der erste Staatsbesuch in Deutschland seit acht Jahren, der erste Staatsbesuch in Belgien seit 27 Jahren und das erste Mal, dass ein chinesisches Staatsoberhaupt den EU-Hauptsitz besuchte. In einer gemeinsamen chinesisch-europäischen Stellungnahme vom 31. März hieß es, dass Xis Besuch in Brüssel „einen historischen Meilenstein in den beidseitigen Beziehungen" bedeute. Auch für Chinas Beziehungen zu den vier EU-Ländern auf der Reiseroute wurde während des Staatsbesuchs geworben.

Die Beziehungen zwischen China und der EU sind in den letzten Jahren immer enger geworden. Im vergangenen Jahr reiste Ministerpräsident Li Keqiang zweimal nach Europa. Eine Reihe europäischer Staatsoberhäupter – Frankreichs Präsident François Hollande, der niederländische Ministerpräsident Mark Rutte und Großbritanniens Premierminister David Cameron – kamen nacheinander nach China, um sich mit der neuen Regierung zu treffen. Am 26. November 2013 wurde ein wichtiges Dokument zur Zusammenarbeit, die China-EU 2020 Strategic Agenda for Cooperation, herausgegeben. Sie umfasst 93 Initiativen für Frieden und Sicherheit, Wohlstand, nachhaltige Entwicklung und Kulturaustausch.

Chinas diplomatische Strategie ist aktiver geworden, da das Land an Stärke und diplomatischer Reife gewonnen hat. Bessere Beziehungen zu Europa seien das Hauptziel der chinesischen Diplomatie, erklärte Ruan Zongze, Vizepräsident des China Institute of International Studies (CIIS), Xis Besuch sei ein Zeichen für diesen zunehmenden Trend. „Chinas Großmacht-Diplomatie konzentriert sich nicht nur auf die USA und Russland, sondern auch auf Europa", erklärte Ruan.

China und Europa teilen ähnliche Entwicklungsziele und spielen eine ähnliche Rolle in der Welt, was einen Grund für ihre engere Bindung liefert.

Es gibt eine historische Chance zur Vertiefung der Beziehung zwischen China und Europa", erklärte Cui Hongjian, Wissenschaftler für Europastudien am CIIS. Während Xis Besuch hieß es von chinesischer und EU-Seite, dass man die Reform- und Entwicklungspläne der anderen Seite unterstützen wolle. Während China eine neue Reihe von Reformen durchführe und seine Auslandsinvestitionen ausweite, kämpfe Europa um die Bewältigung der Finanzkrise, was eine Chance für großen Zusammenhalt biete, so Cui. Das gemeinsame Statement  bestätigt den Wunsch nach einer Vertiefung der Beziehungen auf der Basis von Gleichheit und gegenseitigem Vertrauen und Respekt, sowie den Willen zum Aufbau von Friedens-, der Reform-, Wachstums- und Zivilisationspartnerschaften.

Laut Stellungnahme erzielten China und die EU einen politischen Konsens über ihre Rollen in der Welt. Er lässt sich folgendermaßen zusammenfassen: Schutz des Friedens und der Stabilität, Multi-Polarisierung, freier Handel, politische und diplomatische Lösungen für Streitigkeiten und zivilisatorische Vielfalt. „Auf diese Weise hat die Beziehung zwischen China und der EU eine gesunde Grundlage in Form einer Win-Win-Kooperation in bilateraler und multilateraler Hinsicht", betonte Cui.

In der gemeinsamen Stellungnahme bekräftigten beide Seiten ihr Engagement für die Weiterentwicklung der Beziehungen zum Wohle der chinesischen und europäischen Bevölkerung in den kommenden zehn Jahren sowie zur Förderung von Frieden und Wohlstand. China und die EU kamen zudem überein, ihren Dialog über die Verteidigungssicherheit zu vertiefen und die Zusammenarbeit bei Rechtsvorschriften zu fördern, ganz im Geist einer allumfassenden Kooperationsstrategie.

 

 

Geschäftschancen

Die solide strategische Basis wird die Zusammenarbeit in verschiedenen Aspekten fördern, vor allem im Handel, in der Wirtschaft und bei Investitionen. Eine für beide Seiten nützliche Kooperation wird China und Europa einen enormen Vorteil verschaffen.

„Die chinesisch-europäischen Beziehungen stehen jetzt an einem neuen Anfang, da es große Möglichkeiten zur Vertiefung der Zusammenarbeit gibt", erklärte Ruan. China ist dabei, seinen 12. Fünfjahresplan umzusetzen, Europa treibt seine Europa 2020 Strategy voran, das heißt, ihre Entwicklungspläne befinden sich an einer Schnittstelle. „Die Interessen beider Seiten sind bereits stark miteinander verflochten", fügte er hinzu.

Die wirtschaftliche Zusammenarbeit war das Bindeglied zwischen China und Europa. Die EU war in den letzten zehn Jahren Chinas wichtigster Handelspartner, China ist Europas zweitwichtigster Handelspartner. Beide Seiten sind füreinander das wichtigste Exportziel. Offiziellen chinesischen Statistiken zufolge lag das Handelsvolumen 2013 bei 559,1 Milliarden Dollar. Trotz der global schwachen Konjunktur erreichte das tägliche Handelsvolumen 1,5 Milliarden Dollar.

Beide Seiten ergänzten sich in ihren Handels- und Wirtschaftskooperationen. Chin lieferte Industrie- und Verbrauchsgüter nach Europa, während die EU Produkte mit hohem Mehrwert nach China verkaufte. Selbst in traditioneller Hinsicht gibt es noch enorm viel Spielraum zur Ausweitung des Handels. Der Handel zwischen China und den 16 mittel- und osteuropäischen Staaten erreicht kaum ein Zehntel des gesamten Handelsvolumens zwischen China und der EU. Der bilaterale Dienstleistungshandel macht zudem nur rund ein Zehntel des chinesisch-europäischen Handels aus.

Während Xis Besuch unterzeichneten China und die vier EU-Länder mehr als 120 Kooperationsvereinbarungen im Wert von mehr als 70 Milliarden Dollar. Der gemeinsamen Stellungnahme vom 31.März zufolge werden China und die EU die China-EU 2020 Strategic Agenda for Cooperation vollständig umsetzen und Verhandlungen über eine Investitionsvereinbarung einleiten, die den Schutz von Investitionen und den Zugang zum Markt regeln soll. Im Hinblick auf die Handels- und Investitionsbeziehungen betonten beide Seiten die Notwendigkeit, ihre Politik aufeinander abzustimmen,um ein starkes, nachhaltiges und ausgewogenes Wachstum sicherzustellen und finanzielle Stabilität zu fördern.

Ein solcher Pakt „soll das gemeinsame Engagement für eine stärkere Kooperation und die Bereitschaft, ehrgeizigere Ziele anzuvisieren, zum Ausdruck bringen", hieß es in der Stellungnahme. Darin wird außerdem „ein tiefes und umfassendes" Freihandelsabkommen als langfristige Perspektive genannt.

„Die Aussichten für eine Kooperation sind sehr gut", erklärte Qu Xing, Präsident des CIIS. Er wies auf viele Verbindungspunkte bei den Entwicklungszielen Chinas und Europas hin, darunter grüne Energie, Umweltschutz, Reduzierung der Armut, wissenschaftliche Forschung, Urbanisierung, kulturelle Kommunikation, Energieeinsparungen und Emissionssenkungen.

In den vergangenen Jahren hat China Europa auf vielfältige Weise aktiv beim Überstehen der Finanzkrise geholfen, auch durch den Kauf von Staatsanleihen, Bemühungen, die von der EU sehr geschätzt werden. Beide Seiten erkundeten nun neue Wege der Kooperation, die den eurasischen Kontinent umspannen, fügte Qu hinzu. Um die Verkehrsbeziehungen zu verbessern, hätten beide Seiten beschlossen, Synergien zwischen Chinas Wirtschaftsinitiative an der historischen Seidenstraße und den EU-Strategien zu entwickeln und gemeinsam Initiativen zur Zusammenarbeit entlang der  geplanten Wirtschaftszone an der Seidenstraße auszuarbeiten.

China und die EU hätten die Definition ihrer Beziehung modifiziert, erklärte Wang Yiwei, Professor an der Renmin-Universität in Beijing. China betrachte die EU vor allem als Friedenspartner und wichtigen Handelspartner, ein Spiegel der neuen Erwartungen Chinas an die EU, während die EU sich entschieden habe, eher ein „Superpartner" als eine „Supermacht" zu sein, erklärte Wang. Die EU verstehe sich selbst als Macht zwischen China und den USA und sehe sich wegen der Schuldenkrise und der amerikanischen Asien-Pazifik-Politik nicht mehr auf einer Seite der multipolaren Welt,  ergänzte er.