Trotz aller Anstrengungen der Regierung sind Elektrofahrzeuge in China bislang Ladenhüter. Über Perspektiven für deutsche Autobauer wurde beim 1. Automotive Roundtable in Beijing diskutiert.
Weltpremiere in Beijing: BMW-Vorstandsmitglieder Friedrich Eichiner und Harald Krüger bei der Präsentation des neuen BMW i3 im Juli 2013 (BMW Group)
Haben Elektroautos eine Chance in China? Welche Rolle können deutsche Autobauer bei ihrer Einführung spielen? Mit welchen Problemen müssen sie rechnen? Mit dieser und anderen Fragen rund um das Thema Elektromobilität beschäftigte sich der 1. Automotive Roundtable in Beijing Ende Januar – passend zum Thema lag die Stadt unter einer dichten Smogdecke. Für Diskussionsfutter sorgten eine Vergleichsstudie zur Akzeptanz von Elektrofahrzeugen in Deutschland und China sowie die geplante Einführung des BMW ActiveE i 3.
Ölverbrauch und Feinstaubbelastung müssen runter, das ist erklärtes Ziel von Chinas Regierung. Seit 2001 steckt das Land Milliardensummen in die Entwicklung von Elektrofahrzeugen, bis 2020 sind Investitionen von 16 Billionen Dollar geplant. 500.000 Elektroautos sollen bis 2015 auf den Straßen rollen, bis 2020 sollen es gar 5 Millionen sein. Dafür unterstützt die Regierung den Kauf eines Elektroautos mit bis zu 120.000 Yuan (rund 14.000 Euro). Das Reich der Mitte kleckert nicht, es will Marktführer in Sachen Elektromobilität werden.
Und dennoch: Obwohl Chinesen neuen Technologien gegenüber generell aufgeschlossen sind, haben alle Subventionen, Steuerermäßigungen und Kaufanreize bislang wenig gebracht. Nur eine Handvoll Modelle sind auf dem Markt. 2011 wurden lediglich rund 8000 Elektroautos (Marktanteil gerade einmal 0,06 Prozent) gekauft – die meisten davon von der Regierung.
Diese ernüchternden Zahlen nannte Kathrin Dudenhöffer, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Center Automotive Research (CAR) der Universität Duisburg-Essen. „Die Einführung von Elektrofahrzeugen ist ein Kampf", beschreibt sie die Situation. Auch in Deutschland, das sich gern als Vorreiter in Sachen Umweltschutz präsentiert, wurden 2012 nur 2610 reine Elektrofahrzeuge angemeldet. Auf der Suche nach Antworten für das Verkaufsdesaster führte Dudenhöffer im Rahmen ihrer Promotion eine Studie zur Akzeptanz von Elektrofahrzeugen in Deutschland und China durch. 226 Testpersonen in Deutschland und 40 in Beijing – allesamt jung, gebildet und technischen Neuerungen gegenüber aufgeschlossen - beantworteten dafür zunächst einen Fragebogen. Anschließend absolvierten sie Testfahrten in drei unterschiedlichen Elektrofahrzeugen und probten die Batterieladung. Danach wurden sie erneut befragt.
Die Angst der Chinesen vor dem Elektroschock
Die Ergebnisse scheinen ermutigend. „14 Prozent der deutschen Teilnehmer zogen nach den Testfahrten den Kauf eines rein batteriebetrieben Fahrzeug in Betracht, 24 Prozent die Range-Extender-Version", berichtete Dudenhöffer. Noch positiver fiel das Resultat in China aus. 53 Prozent der Testpersonen erklärten, sie würden sich für ein reines Elektroauto entscheiden, 16 Prozent bevorzugten den Range Extender oder einen Plug-in-Hybriden. Und dass, obwohl 63 Prozent der chinesischen Teilnehmer vor dem Experiment berichteten, keine Ahnung von Elektroautos zu haben. 97 Prozent gaben sogar an, sich vor einem Elektroschock während der Batterieaufladung zu fürchten. Zum Vergleich: In Deutschland konnten immerhin 35 Prozent der Teilnehmer die Technik erklären.
Die Chinesen zeigten nach den Testfahrten nicht nur mehr Enthusiasmus, sie hatten auch weniger Probleme mit der beschränkten Reichweite eines Elektroautos (batteriebetriebene Variante: 150 bis 175 Kilometer), da sie generell recht kurze Distanzen im Auto zurücklegen. In Deutschland stellten lange Fahrten an Wochenenden oder Feiertagen dagegen eher ein Problem dar. Auch das Tempolimit von 120 Stundenkilometern akzeptierten 75 Prozent der Chinesen anstandslos, jedoch nur 18 Prozent der deutschen Teilnehmer.
Ladestation in Jinhua (Provinz Zhejiang). Eine Ladeinfrastruktur fehlt in China weitgehend. Eine Studie zur Akzeptanz von Elektrofahrzeugen in Deutschland und China der Universität Duisburg-Essen legt aber nahe, dass ihre Bedeutung überschätzt wird (Xinhua)
Die Studie zeigte außerdem, dass die Bedeutung der Ladeinfrastruktur offenbar überschätzt wird. „Die Mehrzahl der Chinesen hat einen privaten Parkplatz und wünscht sich, die Batterie zu Hause, oder auf der Arbeit laden zu können wie bei einem E-Bike", so Dudenhöffer. Auch die Idee des Batterie-Leasings erfreut sich mit 59 Prozent großer Zustimmung.
Negativ ins Gewicht fielen zwei Punkte: Auch wenn der Wunsch nach Umweltschutz in Städten wie Beijing höher ist als in Deutschland, so entpuppt sich gerade dieser Faktor in China teilweise als hinfällig. Während Deutschland bei der Stromerzeugung über einen Anteil erneuerbarer Energien von 17 Prozent verfügt, wird Strom in China nämlich zu 67 Prozent aus Kohle gewonnen. Und: Elektroautos sind teuer, nichts für die breite Masse. Ein Chevrolet Volt kostet beispielsweise rund 38.000 Euro.
Die geplante Einführung des BMW ActiveE i3 war Thema des zweiten Teils der Veranstaltung. Die Münchner Autobauer produzieren bereits auf Wunsch der chinesischen Regierung zusammen mit dem heimischen Autohersteller das Elektromodell „Zinoro". Im Herbst diesen Jahres wollen sie ihr eigenes Ökoauto auf den chinesischen Markt bringen. Beim i 3 setzen die Münchner Autobauer weniger auf den Preis (ab 35.000 Euro in Deutschland), als auf den Imagefaktor. „Mobilität ist heute Ausdruck eines Lifestyles. Elektroautos verleihen ein progressives Image", so Gunther Quest, Leiter von BMW i und E-Mobility China.
Der Kleinwagen ist als Zweit- oder Drittauto gedacht. Mit 1195 Kilo ist die Elektrovariante rund 200 Kilo leichter als das Standardmodell. Möglich wird das durch eine Karosserie aus Carbon. „Das Material ist 30 Prozent leichter als Aluminium, aber stark wie Stahl", erklärte Quest. Der Benzinverbrauch liegt bei 2,5 Litern, die Reichweite bei bis zu 160 Kilometern. Verkauft werden soll das Modell bei ausgesuchten Händlern in fünf Städten. Kunden will man mit einem zusätzlichen Serviceangebot locken. „Das Aufladen der Batterie soll zu Hause und unterwegs möglich sein. In den Wohnungen der Käufer werden Wallboxen für den Ladevorgang montiert. Bleibt der Wagen unterwegs stehen, ist ein mobiler Ladeservice geplant", erläuterte Quest.
So weit, so gut die Theorie. Bei der anschließenden Podiumsdiskussion zur Zukunft der Elektromobilität in China, die von Marco Gerrits, Partner und Geschäftsführer der Boston Consulting Group, und Carsten Schmidt, Geschäftsführer von I DT e-Car China bei Siemens, verstärkt wurde, war das Stimmungsbild gemischter.
Quest und Gerrits betonten nochmals die Verantwortung der Politik. „Die Regierung muss beim Aufbau der Infrastruktur helfen, da die Stromunternehmen involviert sind", so Quest. „Die Leute müssen erzogen werden", ergänzte Gerrits. Der hohe Preis der Fahrzeuge und Chinas Fokussierung auf heimische Marken seien langfristig problematisch, war man sich einig. „Außerdem liegen Immobilien- und Verkehrsplanung nicht in einer Hand", so Gerrits, das könne sich für die Wohnungsausstattung mit Ladeboxen nachteilig auswirken. Das Publikum zeigte sich deutlich skeptischer. Der Markt sei nicht reif für Elektroautos, hieß es. Außerdem sei der Individualverkehr selbst das Problem, das nicht durch Elektroautos lösbar sei.
Das iPhone von morgen?
Trotz aller Einwände zeigten sich die Diskutanten am Ende optimistisch. „Chinesen sind offen für neue Technologien", betonte Gerrits. „Und sie vertrauen mehr in die Sicherheit deutscher Autos als in eigene Produkte", ergänzte Dudenhöffer. „Verbraucher müssen die Technik nur unverbindlich kennen lernen können, z.B. durch Probefahrten oder Car-Sharing, dann überzeugt sie von selbst." Schmidt ging sogar soweit, die Batterie eines Elektroautos mit der Bedeutung des iPhones in der Telekommunikation zu vergleichen. Sein Fazit: „Kein anderes Land bietet so gute Möglichkeiten und Regierung ist positiv eingestellt. Es wird abgehen."
Zu hoffen wäre es. So lange in China beim Autokauf aber gilt, „Big is beautiful", werden Elektroautos einer progressiven Minderheit vorbehalten bleiben.
Info:
Elektromotoren verwandeln 95 Prozent der Energie in Bewegung, beim konventionellen Motor sind es 65 Prozent
Typen von Elektroautos:
1. Reine Elektroautos werden ausschließlich per Batterie betrieben und haben zurzeit eine Reichweite von 150 bis 175 Kilometern.
2. Hybrid-Modelle: Sie haben neben einem Elektro- auch einen konventionellen Verbrennungsmotor. Dabei unterscheidet man u.a. zwischen Plug-in-Hybriden (PHEV), die auch an Ladestationen aufgeladen werden können und Range Extendern (REEV). Bei letzteren betreibt der Motor einen Generator, der die Batterie auflädt. Die rein elektrische Reichweite beträgt rund 40 bis 80 Kilometer.
3. Brennstoffzellenautos gelten als Autos der Zukunft. Sie produzieren Strom aus Wasserstoff und Methanol im Fahrzeug selbst. Es entfallen lange Ladezeiten, die Reichweite ist größer.
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