10-01-2014
Kultur
Neue Erkenntnisse über die Terrakotta-Soldaten in Xi'an
von Bai Shi

Archäologen restaurieren steinerne Rüstungen aus dem Grab des ersten chinesischen Kaisers Qinshihuang 

 

Das Mausoleum von Kaiser Qinshihuang (259 - 210 v. Chr.) gilt als die größte und komplexeste unterirdische Grabstätte der Welt und ist gleichzeitig Heimat der Terrakotta-Soldaten. Zu seiner Entstehungszeit war das Grab in seiner Pracht und Erhabenheit ohnegleichen, ein passender Ort für die letzte Ruhe von Chinas erstem und mächtigstem Eroberer.

Kurz vor seinem Tod befahl Kaiser Qin die Schaffung einer Armee, die ihn im Jenseits begleiten und genauso mächtig wie zu seinen Lebzeiten machen sollte.

Nach mehr als zehn Jahren harter Arbeit haben chinesische Archäologen nun einige der Steinrüstungen restauriert, die in einem Grabschacht in der Nähe des Mausoleums gefunden wurden. Das wirft neues Licht auf die militärischen Fähigkeiten der nahezu unbesiegbaren kaiserlichen Armee.

Hauptader: 1998 bargen Archäologen Tausende von Stücken aus Steinrüstungen aus dem Grabschacht K9801 (Archiv)

Der Grabschacht, unter dem Kennzeichnungscode K9801 bekannt, wurde 1998 entdeckt. Seitdem haben Archäologen auf einer Fläche von 145 Quadratmetern 87 Steinrüstungen und 43 Steinhelme ausgegraben. Sie waren ursprünglich aus mehreren Steinstücken erstellt worden, die mit Kupferdraht verbunden waren.

„Grabschacht K9801 bedeckt insgesamt eine Fläche von 130.000 Quadratmetern. Die abgeschlossene Grabung zeigt, dass der Schacht möglicherweise ein Waffenarsenal für Qins unterirdische Armee war", erklärte Zhang Weixing, stellvertretender Direktor der Archäologie-Abteilung am Mausoleum.

Die Bruchstücke der Steinrüstungen, die sein Team freilegte, seien für Archäologen, die sich mit den historischen Fähigkeiten des chinesischen Militärs befassen, von unschätzbarem Wert, erklärte Zhang. Die steinernen Rüstungen sind aus Hunderten kleiner Teile gefertigt, die wie Fischschuppen miteinander verbunden sind. Bis dahin hatten Historiker angenommen, dass Schuppenpanzer erst in der späteren Han-Dynastie (202 v. Chr. - 220 n. Chr.) weitere Verbreitung fanden. Die Rüstungen gehörten wahrscheinlich hochrangigen Beamten, für einfache Fußtruppen wäre der anstrengende und langwierige Fertigungsprozess zu aufwendig gewesen.

„Die ausgegrabenen Rüstungen sind ein Beispiel für die ausgezeichneten handwerklichen Fähigkeiten und den künstlerischen Stil der Zeit. Aber sie waren nicht für den Kampf gedacht", fügte Zhang hinzu.

2002 behauptete Yuan Zhongyi, renommierter Archäologe und ehemaliger Direktor des Mausoleums, dass es sich bei den freigelegten Objekten wahrscheinlich um Modelle handele, die extra für das Grab geschaffen worden seien.

Nach heutigem Wissen bestanden Rüstungen in der Zeit vor der Qin-Dynastie (221 - 207 v. Chr.) aus Leder. Metall war zu dieser Zeit ein seltener Rohstoff. Bronze wurde hauptsächlich verwendet, um Waffen herzustellen. Die ausgegrabenen Rüstungen scheinen den zu dieser Zeit verwendeten Lederrüstungen als Modell gedient zu haben. Yuan nimmt ebenfalls an, dass die Rüstungen den Haustruppen von Kaiser Qin gehörten. Diese Soldaten waren mit der Eskortierung und dem Schutz des Kaisers beauftragt. 

Restaurierungsarbeiten: Der von Archäologen restaurierte Steinhelm lässt die Schnürung erkennen, die die Platten zusammenhielt (Archiv)

Dennoch wissen die Archäologen weiterhin nicht, wie und von wem die Steinrüstungen gefertigt wurden. Trotz ihrer vielen Geheimnisse sind sie für die Erforschung der Militärtechnik der Qin-Dynastie von unschätzbarem Wert. Außerdem liefert die Entdeckung dieses Arsenals an vergrabenen Steinrüstungen die Antwort auf die Frage, warum die berühmten Terrakotta-Soldaten und -Pferde im Mausoleum von Kaiser Qinshihuang bei ihrer Entdeckung im Jahr 1974 ohne Waffen und Rüstungen vorgefunden wurden.

Seit der Entdeckung des Grabschachts K9801 haben sich Archäologen bemüht, die Steinrüstungen zu restaurieren, um die zahlreichen Rätsel rund um die Rüstungen der Qin-Dynastie zu lösen. Den letzten Erkenntnissen zufolge besteht eine Rüstung aus 600 Einzelteilen. Bei einem Arbeitstag von acht Stunden dauerte ihre Fertigstellung 344 Tage, also fast ein Jahr. Schätzungen zufolge enthält Grabschacht K98101 mehr als fünf Millionen Teile. Das weist auf eine gigantische Aktivität und eine große Zahl an Waffenschmieden hin. 

Die Frage, von wo die Qin-Dynastie den Stein für die Rüstungen erhielt, wurde erst 2004 beantwortet. Aufgrund von Felduntersuchungen und Forschungen schlussfolgerten die Archäologen des Mausoleums, dass das Material aus den nördlichen Bergregionen im Kreis Fuping (Provinz Shaanxi) stammt. Tatsächlich erwähnt das Geschichtsbuch Shi Ji, die Annalen des Großen Historikers von Sima Qian (145 - 87 v. Chr.), dass der Stein aus den Bergen im Norden geholt wurde. 

Anhand der wiederentdeckten Steinrüstungen fanden die Archäologen heraus, dass Qins Soldaten während des Kampfes gut geschützt waren. Die Rüstung bedeckte fast den ganzen Körper und den Kopf. Die Schuppenkonstruktion gestattete ihnen außerdem einen höheren Grand an Beweglichkeit. An den Gelenken ließ die Rüstung genug Spielraum für Bewegungen, so dass die Soldaten ohne Einschränkungen kämpfen konnten. Gegenwärtig bauen Archäologen einige der Rüstungen für eine öffentliche Ausstellung in naher Zukunft zusammen.

Das Qin-Mausoleum im Osten von Xi'an, der Hauptstadt der Provinz Shaanxi, umfasst eine Fläche von 60 Quadratkilometern. Das Hauptgrab ist von Hunderten von Schächten umgeben, in denen die weltbekannten Terrakotta-Soldaten und andere Objekte begraben wurden, um den Kaiser im Jenseits zu beschützen.