24-12-2013
Kultur
„Wohin gehen wir, Papa?“
von Yu Yan

 Eine neue Reality-Show erobert das Land.

Familienerfolg: Werbeposter zur Show „Wohin gehen wir, Papa? (Archiv)

Die Fernsehshow „Wohin gehen wir, Papa?, produziert von Hunan TV, begeistert das Publikum im ganzen Land. Das Original stammt vom südkoreanischen Sender MBC Television Stage und wurde erstmals 2013 ausgestrahlt. Hunan TV erkannte das Unterhaltungspotenzial für das chinesische Publikum, holte die Sendung ins Land und passte sie dem hiesigen Geschmack an. Offensichtlich haben die Verantwortlichen Recht gehabt. Schon die erste Staffel ist ein Quotenerfolg, die Sendung die beliebteste Show des Jahres.

In jeder Folge (Sendzeit: Freitag um 22 Uhr) verbringen fünf Prominente 72 Stunden mit ihren Kindern auf dem Land und kümmern sich ganz allein um sie. Gleichzeitig nehmen sie mit ihren Kindern an verschiedenen Aktivitäten teil.

„Es ist sehr lustig, sie in einer ungewohnten Umgebung zu beobachten. Es gibt viele komische Szenen", sagt Liu Liping (28) aus Beijing, ein großer Fan der Sendung.

„Einige Abschnitte der Sendung sind auch berührend. Offenbar arbeiten die Väter viel und haben selten Zeit, mit ihren Kindern zusammen zu sein. Die Zeit, die sie in der Sendung zusammen verbringen, ist daher besonders schön und unvergesslich", meint Liu.

 

Unmittelbarer Erfolg

Aber was genau macht die Show so beliebt? „Sie zeigt eine soziale Realität. Väter konzentrieren sich normalerweise darauf, mehr Geld zu verdienen und die Karriereleiter hinaufzuklettern. Sie legen mehr Wert darauf, ihrer Familie ein besseres Leben zu ermöglichen, als Zeit mit ihren Kindern zu verbringen", erklärt Xie Dikui, Generaldirektor der Show.

Selber Vater einer dreijährigen Tochter, habe ihn die Produktion der Sendung sehr berührt, erzählt er.

„Ich arbeitete Tag und Nacht im Sender und habe meine Tochter vernachlässigt", bedauert er. „Kein Wunder, dass sie ihre Mutter mehr mag. Nachdem ich diese Sendung gemacht habe, finde ich, dass ich wirklich mehr Zeit mit ihr verbringen sollte. So beschäftigt die Promiväter auch sein mögen, sind sie doch in der Lage, Zeit für ihre Kinder aufzubringen. Wir können es also besser machen."

Xies Situation spiegelt das Dilemma vieler junger Eltern in China wider. Die meisten geben an, dass sie sich des Problems bewusst sind, nicht wissen, wie sie die Situation ändern können.

„Ich arbeite jeden Tag, oft muss ich Überstunden bis in den Abend machen. Wenn ich spät abends nach Hause komme, schläft meine Tochter schon", sagt Tang Jun aus Beijing, Vater einer zweijährigen Tochter. Er arbeitet für eine mit ausländischem Kapital finanzierte Wirtschaftsprüfungsgesellschaft.

„Ich wünschte, ich könnte mehr Zeit mit meiner Tochter verbringen. Sie ist so süß. Egal wie müde ich bin, wenn ich von der Arbeit nach Hause komme und sie sehe, ist die Müdigkeit wie weggeblasen", erzählt Tang. „Aber ich muss weiter so viel arbeiten, wenn ich meine Position halten oder eine Beförderung haben will", sagt er.

Tangs Worte sind typisch für das Leben vieler Väter in Chinas Großstädten, in denen die Lebenskosten hoch sind und der Konkurrenzdruck mörderisch ist.

Aber auch auf dem Land stehen Väter vor dem gleichen Dilemma, es zeigt sich nur in anderer Form. Immer mehr Männer aus armen Regionen arbeiten als Wanderarbeiter in den entwickelten Landesteilen wie den Küstengebieten Ost- und Südchinas. Sie lassen ihre Kinder in der Obhut ihrer Eltern zu Hause zurück.

Nach einem Bericht des Staatlichen Statistikbüros über ländliche Wanderarbeit im Jahr 2012 betrug die Zahl der Arbeiter auf dem Land 262,61 Millionen, 3,9 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. Davon arbeiteten 163,36 Millionen in Städten weit weg von zu Hause.

„Ich habe einen Sohn und eine Tochter, beide gehen in meiner Heimatstadt in die Grundschule", berichtet Xu Canyong (33), der in Shantou, einer Stadt in der Provinz Guangdong, arbeitet.

Vor mehr als zehn Jahren verließ Xu seine Heimatstadt Wuxue, eine Kleinstadt in der Provinz Hubei, um in Shantou sein Glück zu versuchen. Wie viele Wanderarbeiter heiratete er in seiner Heimatstadt und das Paar zog dann wegen der Arbeit in die Stadt. Die Kinder blieben in der Obhut der Großeltern zurück.

„Ich vermisse meine Kinder sehr. Jede Woche rufe ich sie an. Ich wünsche mir, dass sie mit uns in Shantou leben, aber die Lebenshaltungskosten und Schulgebühren sind zu hoch und für sie könnte es schwer sein, sich an die neue Umgebung zu gewöhnen", sagt Xu.

Nach mehr als zehn Jahren harter Arbeit in Shantou ist Xu mittlerweile ein erfahrener Mechaniker. Vor kurzem hat er seinen eigenen Betrieb aufgemacht. Er verarbeitet Teile gemäß angelieferter Musterstücke. Dennoch bedauert er immer noch, dass er einen großen Teil des Lebens seiner Kinder verpasst.

Zurzeit leben seine beiden Kinder nur in den Sommer- und Winterferien bei ihm.

„Ein weiterer Grund für den Erfolg der Show ist die Tatsache, dass sie die Rolle der Väter in der traditionellen chinesischen Kultur unter die Lupe nimmt", so Xie.

Traditionellerweise sind die Männer in China für die Ernährung der Familie zuständig, während die Frau zu Hause bleibt und sich um die Familie kümmert.

Diese geschlechtsspezifische Arbeitsteilung macht es vielen chinesischen Vätern schwer, ihre Gefühle gegenüber ihren Kindern auszudrücken. Normalerweise erscheinen sie streng und distanziert.

Anders als die Originalsendung aus Südkorea soll die chinesische Version dem hiesigen Publikum gefallen. Die Originalshow sei mehr eine Unterhaltungsshow, während das Programm von Hunan TV mehr dokumentarischen Charakter habe, erklärt Xie.

Man könne sagen, dass alle Details der Sendung geplant und gleichzeitig nicht geplant seien, sagt Xie. „Sechs Drehbuchautoren entwerfen den Ablaufplan für die Sendung, aber was passiert im Verlauf dieses Prozesses? Was werden die Väter und Kinder tun oder sagen? Wir wissen es nicht. Das berührendste an der Sendung ist ihre Echtheit."

 

Vater und Kind

Kinderstar: Schauspieler und Sänger Jimmy Lin kniet am Filmset vor seinem Sohn Kimi. Die beiden sind beim chinesischen Publikum am beliebtesten (Archiv)

Kurz nach Ausstrahlungsbeginn äußerten weibliche Fans im Internet Sätze wie: „Es wäre super, einen Mann wie Jimmy zu heiraten. Er ist so ein toller Vater."

Der 1974 in Taipeh geborene Lin ist ein bekannter Schauspieler und Sänger und hat Fans auf beiden Seiten der Taiwan-Straße. In der Sendung benutzte er alte Zeitungen und Reis, um ein Fenster abzudichten. Seinen vierjährigen Sohn Kimi tröstet er geduldig, wann immer er ein Problem hat.

„In der Vergangenheit war ich oft schon auf dem Weg zum Flughafen, wenn er aufwachte. Daher ist er sehr anhänglich, wenn ich da bin. Er hat Angst, dass ich wieder verschwinde", berichtet Lin.

Der Schauspieler Guo Tao und sein Sohn sind zwei unabhängige Persönlichkeiten mit großem Respekt füreinander. „Ich wurde mit fast 40 Vater. Das Gefühl ist schwer zu beschreiben. Im Moment verhalte ich mich nicht wie ein Vater ihm gegenüber. Ich behandle ihn als gleichberechtigt", sagt Guo.

Tatsächlich verwöhnt er seinen Sohn nie, sondern ermutigt ihn, seine Aufgaben alleine zu bewältigen, und sein Sohn tut dies sehr erfolgreich.

Von all den kleinen Stars hat Wang Shiling, die vierjährige Tochter von Regisseur Wang Yuelun und Showmoderatorin Li Xiang, die Herzen durch ihre unabhängige Persönlichkeit und emotionale Intelligenz im Sturm erobert.

Als sie gefragt wurde, ob sie Wang auf ihre gemeinsame Tochter aufpassen lassen würde, war Li ein wenig beunruhigt: „Ein Künstler wie er ist mit den praktischen Details des Lebens manchmal überfordert", sagte sie. In Wahrheit war ihre Tochter so clever, dass nichts ein Problem für sie war.

Kleiner Bonus: Zwei Kinder besuchen während der Dreharbeiten zu „Wohin gehen wir, Papa?" einen Gemüsemarkt (Archiv)

Von den fünf Vätern scheint der weltbekannte Taucher Tian Liang am hilflosesten mit seiner Tochter Cindy zu sein.

„Wenn sie weint, bekomme ich nur Panik und weiß nicht, wie ich sie trösten soll", sagt er.

Glücklicherweise gewöhnte sich Cindy schnell an ihren hilflosen Vater und fand Wege, Dinge ohne seine Unterstützung zu tun. In der zweiten Hälfte des Programms legte sie ihr verwöhntes Prinzessinnen-Getue ab und lernte schnell, sich auch um andere zu kümmern.

„Ein faszinierender Teil der Show ist es, dass man viele Erziehungsstile sehen kann. Vater und Kind lieben einander und lernen nach und nach, miteinander auszukommen. Es ist wirklich beeindruckend", sagt Liu.