06-12-2013
Politik
China errichtet neue Luftverteidigungszone

Die Luftverteidigungszone über dem Ostchinesischen Meer soll die nationale Sicherheit gewährleisten.

von Yu Lintao

Chinas Ausrufung einer neuen Luftverteidigungszone (Air Defense Identification Zone, ADIZ) über dem Ostchinesischen Meer ist in Japan und den USA auf Widerspruch gestoßen. Chinas Vorgehen gefährde den Status Quo und möglicherweise auch die Stabilität in der Region, lautet die Kritik.

„Ehrlich gesagt hat Japan 2012 den Status Quo in der Region einseitig verändert, indem es die Diaoyu-Inseln,¸erworben' hat; die USA, ein Land fernab der Region, trägt zur Destabilisierung der Lage bei, indem es sich in den Inselstreit im Ostchinesischen Meer einmischt", erklärte Luo Yuan, stellvertretender Präsident der China Strategic Culture Promotion Association und Generalmajor der Volksbefreiungsarmee.

Sowohl Japan als auch die USA haben im vergangenen Jahrhundert ihre eigenen Luftverteidigungszonen errichtet. Die japanische Zone ist nur 130 Kilometer von chinesischem Staatsgebiet entfernt.

Die chinesische Luftverteidigungszone richte sich nicht gegen ein bestimmtes Land oder Ziel, erklärte Zhang Junshe, leitender Wissenschaftler am Forschungsinstitut für seemilitärische Studien der Volksbefreiungsarmee. Die Bekanntgabe detaillierter Informationen sei außerdem ein wichtiger Schritt hin zu mehr militärischer Transparenz.

Die Abgrenzung der Zone werde nicht nur das Frühwarnsystem der Luftverteidigung verbessern, sondern auch militärische Fehleinschätzungen über ausländische Flugzeuge verhindern, so Zhang.

Diese müssen sich bei Überflug der Zone identifizieren und weitere Vorschriften befolgen, eine wichtige Maßnahme für beide Seiten, um die Lage auf See und in der Luft rechtzeitig richtig einschätzen zu können, so Zhang.

Ein naheliegendes Vorgehen

Ausübung von Souveränität: Die Diaoyu-Inseln und Inseln in der Umgebung, aufgenommen aus einem Marineüberwachungsflugzeug am 13. Dezember 2012. Ein chinesisches Flugzeug wurde als Geleit für Patrouillenschiffe in den Hoheitsgewässern der Gegend entsendet (Xinhua)

In einer Pressekonferenz bezeichnete Yang Yujun, Sprecher des Verteidigungsministeriums, die Einrichtung der Luftverteidigungszone durch die chinesische Regierung als vernünftig und unstrittig. Sie sei ein Mittel, die nationale Souveränität sowie die Sicherheit am Boden und in der Luft sicherzustellen sowie für ordnungsgemäße Flüge zu sorgen.

Bei ADIZ handelt es sich um ein Konzept für ein Frühwarnsystem in der Luftverteidigung. Die Zone kann sich in einigen Fällen bis auf 300 Meilen jenseits der Hoheitsgewässer eines Landes ausdehnen. Einige Küstenstaaten errichten sie aus Sicherheitsgründen, um sich gegen potenzielle Bedrohungen aus der Luft zu schützen. Bei Überfliegen der Zone müssen sich alle Flugzeuge identifizieren, ihren Flugplan melden und die Bodenkontrolle über ihre genaue Position informieren.

Die Einrichtung einer solcher Zone über dem Ostchinesischen Meer sei internationaler Standard und mit internationalem Recht vereinbar, erklärte Xing Hongbo, ein führender chinesischer Rechtsexperte. ADIZ werde von den meisten Ländern stillschweigend gebilligt.

Luftraumüberwachungszonen gibt es zurzeit in mehr als 20 Ländern, darunter in den USA und in Japan. Nach Japans Kapitulation am Ende des 2. Weltkriegs richteten die USA eine Luftverteidigungszone vor Japans Küste ein, die zunächst vom US-Militär kontrolliert wurde. Erst 1969 übergaben die USA die Verwaltung der Zone an Japan, das sie 1972 und 2010 zweimal in Richtung Westen erweiterte. Nicht-identifizierte Flugzeuge werden mit einer Reihe von Signalen gewarnt: Radar-Erfassung, Notrufe, Start von Kampfflugzeugen, Aufforderung zur Notlandung und Bombenwarnung. 

Auch Chinas Nachbarländer wie Korea, die Philippinen und Vietnam haben in der Vergangenheit eigene Luftverteidigungszonen eingerichtet.

Eine solche Zone unterscheide sich juristisch grundlegend vom Konzept des territorialen Luftraums, der Teile eines Staatsgebiets umfasst und exklusive Rechte innerhalb dieses Luftraums beinhaltet, erklärte Xing. Eine ADIZ, deren Grenzen außerhalb des territorialen Luftraums verlaufen, ermöglicht es einem Land, einfliegende Flugzeuge zu identifizieren, zu überwachen, zu kontrollieren und zu eliminieren.

Da die Zone sowohl im Einklang mit der UN-Charta und relevanten internationalen Gesetzen und Gepflogenheiten steht und die territoriale Souveränität anderer Länder oder den Flugverkehr nicht beeinträchtigt, habe China das Recht, solche Zonen ohne die Erlaubnis anderer Länder zu errichten, so Xing. 

 

Unbegründete Sorgen

Fast unmittelbar, nachdem China die Einrichtung der ADIZ bekannt gegeben hatte, äußerten Tokio und Washington wie erwartet „Bedenken".

Japans Premierminister Shinzo Abe sagte bei einer Parlamentssitzung, die Einrichtung der Luftüberwachungszone sei „eine zutiefst gefährliche Handlung, die unbeabsichtigte Konsequenzen nach sich ziehen könnte", und forderte China auf, „die Entscheidung rückgängig zu machen". US-Außenminister John Kerry erklärte, Chinas Vorgehen könnte „ein Versuch sein, den Status Quo im Ostchinesischen Meer zu ändern", und fügte hinzu, dass sich „Spannungen in der Region erhöhen und das Risiko für Störfälle steigt."

Tokios und Washingtons Anschuldigungen gegen China seien Zeichen einer hegemonialen und aggressiven Haltung, meinen Bebachter, da beide Länder schon vor Jahrzehnten eigene Luftverteidigungszonen eingerichtet hätten. „Ihrer Argumentation zufolge scheinen Richter das Recht zu haben, Häuser niederzubrennen, während die Durchschnittsbevölkerung nicht einmal Licht anmachen darf", so Luo.

Tokio und Washington sollten ihre eigene Politik unter die Lupe nehmen und auf blinde Anschuldigungen gegen andere verzichten, meinen Beobachter.

Nach Angaben von General Luo ist die ADIZ eine Art Präventivmaßnahme zur Vermeidung von Störfällen.

Einige Beobachter schreiben Japans Bedenken dem chinesisch-japanischen Streit über die Diaoyu-Inseln zu. Die Luftüberwachungszonen Chinas und Japans überlappen sich, beide decken die umstrittenen Inseln ab.

Der Status Quo des Territorialstreits, dessen Lösung Jahrzehnte lang späteren Führungsgenerationen vorbehalten wurde, wurde schon vor mehr als einem Jahr gestört, als die japanische Regierung sich dazu entschied, die Inseln zu „kaufen".

Der Inselstreit wurde in den 1970er Jahren unter dem stillschweigenden Einverständnis der Staatsführer Chinas und Japans zu den Akten gelegt, als beide Länder ihre offiziellen Beziehungen wiederherstellten. Während sich die Beziehungen normalisierten und der chinesisch-japanische Friedens- und Freundschaftsvertrag abgeschlossen wurde, kam die politische Führung beider Länder darin überein, im Interesse der wechselseitigen Beziehungen „das Thema Diaoyu-Inseln auf später zu verschieben."

2012 unternahm Tokio jedoch einen einseitigen Vorstoß zur „Nationalisierung" der Diaoyu-Inseln, um auch formell die „aktuelle Kontrolle" über die Inseln zu übernehmen.

Diese Provokation habe den Status Quo in der Region verändert und sei Ursache für die aktuellen Spannungen im Ostchinesischen Meer, erklärte Luo.

Die wiederholten Erklärungen der USA, dass der Sicherheitsvertrag zwischen Japan und den USA im Streit um die Diaoyu-Inseln anzuwenden sei, habe die Lage weiter verschärft, so Luo.

 

Aufgeheizte Lage

In ihren Stellungnahmen beschuldigen Washington und Tokio China einer einseitigen Vorgehensweise und der Gefährdung der Stabilität in der Asien-Pazifik-Region. In der Tat halten Beobachter aber Tokio und Washington verantwortlich für die Verschlechterung der Lage und die Bedrohung von Frieden und Stabilität.

„China hat das Recht anderer Länder auf einen ungehinderten Flugverkehr im Einklang mit den internationalen Gesetzen immer respektiert. Die Errichtung einer Luftüberwachungszone wird den rechtlichen Status des Luftraums nicht verändern. Routinemäßige internationale Flüge in diesen Luftraum sind nicht davon betroffen", erklärte Yang, Sprecher des chinesischen Verteidigungsministeriums, gegenüber Reportern.

Auch wenn China sein Vorgehen vollständig erklärt hat, scheinen die USA die Spannungen in der Region weiter schüren zu wollen. Sie schickten zwei Air Force B-52-Bomber in den Luftüberwachungsraum. Chinas Militär entsendete eigene Flugzeuge, um die US-Flugzeuge während des gesamten Streckenverlaufs zu überwachen.

Die Flüge, die zwei Tage nach der Ankündigung der ADIZ stattfanden, seien Ausdruck der US-Hegemonie, ein negatives Signal für Japan und würden die Situation nur weiter anheizen, so Luo.

Das Verteidigungsministerium antwortete auf einer anschließenden Pressekonferenz zur US-Provokation, dass „China in der Lage sei, den relevanten Luftraum effektiv zu kontrollieren."

China sei sicher, angesichts der Einrichtung der Überwachungszone alle möglichen Reaktionen von außen berücksichtigt zu haben, sagte Luo. Alle Parteien sollten aber weiter an diplomatischen Mitteln festhalten, um Spannungen im Ostchinesischen Meer abzubauen.