Fernsehprogramme aus dem Ausland beeinflussen die chinesischen Sender
Die Juroren von The Voice of China applaudieren nach dem Auftritt eines Kandidaten während des Showfinales in Shanghai am 7. Oktober(CFP)
Am 7. Oktober ging bei Zhejiang TV die zweite Staffel der Castingshow The Voice of China zu Ende, und zwar mit noch größerem Erfolg als die erste Staffel.
Die Staffel hatte nicht nur durchgängig hohe Quoten, sondern ihre Macher konnten sich auch über deutliche gestiegene Umsätze freuen. 2012 nahm der Sender durch die Show 300 Millionen Yuan ein, in diesem Jahr waren es bereits 1 Milliarde Yuan.
Für einige ist The Voice of China die erste Show, die dem chinesischen Publikum das Konzept der TV-Franchises näher bringt. Die Sendung ist eine Adaptation von The Voice of Holland, die Ableger in fast 50 Ländern hat.
Die Sendung wurde in China an den lokalen Markt angepasst, bevor die erste Staffel am 13. Juli 2012 auf Zhejiang TV, einem regionalen Fernsehsender in der Provinz Zhejiang, an den Start ging. Sie erzielte sofort hohe Quoten, die selbst während der Olympischen Sommerspiele von London anhielten.
Auch im Internet ist die Sendung ein Riesenerfolg. Innerhalb von nur zwei Tagen wurde sie auf Chinas größten Video-Streaming-Diensten mehr als 10 Millionen Mal angeklickt, ein Rekord.
Bei The Voice of China werden die Kandidaten in einem ersten Schritt durch ein öffentliches Vorsingen ausgewählt. Wenn sie dort erfolgreich sind, treten sie vor der vierköpfigen Jury auf, allesamt bekannte Persönlichkeiten aus Chinas Musikbranche. Das Besondere: Die Jury sitzt mit dem Rücken zum Sänger und nimmt ihn nur durch seinen Gesang war. Sind sie von einer Stimme überzeugt, drücken sie ihren Buzzer und ihr Stuhl dreht sich nach vorne zur Bühne.
Die Spannung und die leidenschaftlichen Auftritte der Teilnehmer sind bei Millionen von Chinesen beliebt, aber am meisten beeindruckte das Publikum, dass die Jury nicht nach optischen Eindrücken urteilte. Die übergroßen Stühle der Coaches wurden so etwas wie ein Markenzeichen der Show. Jeder einzelne kostet Berichten zufolge 800.000 Yuan und wurde extra für die Show aus England eingeflogen.
Anpassung an heimisches Publikum
The Voice of China ist nicht die einzige eingekaufte Talentshow, die in China Erfolg hat. Auch Chinese Idol, die hiesige Variante von American Idol auf Dragon TV in Shanghai, kommt gut an.
Chinas Fernsehsender freuen sich über die ständig wachsende Beliebtheit dieser Shows. Die Abhängigkeit von Fernsehserien ist vorbei. 2013 verzeichneten einige Unterhaltungsshows sogar höhere Quoten als die beliebtesten Serien, das Format wurde angesichts des heftigen Wettbewerbs zum neuen Liebling lokaler TV-Sender.
Fast jede in jüngerer Vergangenheit in China ausgestrahlte Unterhaltungsshow rühmt sich ihrer außergewöhnlichen Quoten, ihres Einflusses und ihrer Werbeeinnahmen. Einige, wie The Voice of China, haben auch in den chinesischen Communitys im Ausland großen Erfolg.
Statistiken zufolge haben der staatliche Sender CCTV und regionale Sender, u.a. in Jiangsu, Hunan und Zhejiang, Lizenzen für fast 30 Shows aus dem Ausland erworben. Jeden Monat werden im Schnitt 2,5 Shows nach China gebracht, an die heimischen Gepflogenheiten angepasst und ausgestrahlt. Selbst „I love China", ein Gesangswettbewerb auf Hubei TV, lag eine Show aus den Niederlanden zugrunde, die an den chinesischen Markt angepasst wurde.
"Über 90 Prozent der Unterhaltungsshows stammen ursprünglich aus dem Ausland", erklärt Wang Yi, stellvertretender Direktor von Tianjin TV. Seit mindestens zehn Jahren werden Programme mit ausländischem Copyright ins Land gebracht.
Nach Angaben von Tian Ming, Geschäftsführer von Star China Media (SCM), der Produktionsfirma von The Voice of China, gab es drei Phasen bei der Anpassung ausländischer Programme an die heimischen Mattscheiben. Zuerst wurden die Shows einfach nur kopiert, häufig kam es dabei wegen Urheberrechtsverletzungen zu Gerichtsverfahren.
In der zweiten Phase importierte man die Shows, vernachlässigte aber oft die Details. Chinesische Produzenten glaubten, dass es ausreichend sei, die Produktionsrechte zu erwerben und verstanden nicht, wie wichtig einzelne Aspekte für eine Show sein können. Infolgedessen funktionierten Sendungen oft schlechter als erwartet.
Vor kurzem haben Produzenten damit begonnen, vorab zu den Shows, deren Rechte sie erwerben wollen, zu recherchieren und mit deren Urhebern zusammenzuarbeiten. Sie bemühen sich um ein Verständnis für die Details und die Produktion. Auf dieser Basis passen sie die Show dann an die Bedürfnisse des chinesischen Publikums an.
"Im Allgemeinen besteht das Programmmodell aus zwei grundlegenden Elementen -- dem Produktionsformat und dem Beratungsservice. Das macht die autorisierte Produktion einfacher", sagt Liu Xichen, Geschäftsführer bei Shjixi Media. Er gilt als erster Unternehmer, der erfolgreich Programme in Anlehnung an internationale Geschäftsmodelle produziert hat. Seine Firma ist der autorisierte Vertreiber der internationalen Programme der BBC in China. Zurzeit arbeitet das Unternehmen an Programm-Importen, an Recherche und Entwicklung sowie an Produktion und Marketing.
Für Liu besteht ein gutes Programm aus einer kreativen Idee und einer modernen Produktionsmethode.
"Die Holländer lieferten uns nicht nur Produktionsrichtlinien, sondern achteten auch darauf, dass wir uns darin hielten und sie wirklich verstanden", so Li Yuan, einer der Verantwortlichen der für die Urheberrechte zuständigen Agentur von The Voice of China.
Bevor die Aufnahmen begannen, kamen Berater aus Holland nach China, bildeten vor Ort ein Team aus und machten es mit den Details der Show vertraut.
Weil Produktionsprofis fehlen oder wegen der schlechten Anpassung an örtliche Sehgewohnheiten machen viele importierte Programm Verluste. "Der Hauptgrund für das Scheitern vieler importierter Sendungen liegt darin, dass sie nicht an das hiesige Publikum angepasst sind. Stattdessen wird einfach nur 1:1 kopiert", erklärt Liu Yuan, stellvertretender Direktor von Jiangsu TV. „Eine Sendung kann das Publikum nur am Anfang durch eine besondere Form gewinnen. Am Ende ist immer der Inhalt das Wichtigste."
Eine erfolgreiche Sendung sollte zur Position des Senders in der Branche und den Sehgewohnheiten des Publikums passen, ergänzt er.
Von den Profis lernen
Obwohl ausländische Produzenten den chinesischen Markt durchaus für wichtig hielten – im Jahr 2012 gab es hier 500 Millionen Fernsehgeräte – gibt es nach Ansicht der lokalen TV-Sender in China immer noch nur wenig Auswahl. Recherchen zu einer neuen Sendung und die Entwicklung eines Formats brauchen Zeit, richtig gute Sendungen sind dünn gesät. Unüberlegte Importe werden aufgrund der fehlenden Anpassung an die örtlichen Gegebenheiten oder weil sie nur oberflächliche Kopien sind, keinen Erfolg haben. Beide Alternativen sind schlecht.
"Der Import von urheberrechtlich geschützten Shows ist nur der erste Schritt. Am Ende sollte unser Team in der Lage sein, sie selbst zu reproduzieren", sagt Wang von Tianjin TV.
Die meisten Sender teilen diese Ansicht. Sie betrachten den Erwerb der Rechte für ausländische Shows als einen Lernprozess. Erstes Ziel ist nicht primär der Aufkauf der Urheberrechte, sondern die Fortbildung der Mitarbeiter und das Aufspüren neuer Talente für die Produktionsteams.
Nach dem Ende der zweiten Staffel von "The Voice of China" wird Zhejiang TV beispielsweise eine selbst entwickelte und produzierte Unterhaltungsshow starten. Jiangsu TV hat ähnliche Pläne.
"Die Produktionsrichtlinien der Erfinder einer Show beschreiben nur die Erfahrungen mit einem Programm und sein Konzept. Die Methode kennen zu lernen bedeutet nicht, dass die Produktionskompetenz auch vorhanden ist", erklärt Lu Wei, Werbechef bei The Voice of China.
Chinas Bühnendesign sei pompöser als in anderen Ländern, so Liu Yuan von Jiangsu TV. Dennoch gibt es für regionale Sender noch viel aus dem Ausland zu lernen, wenn es um den breiten Publikumsgeschmack und Details geht.
"Wir haben nicht nur Franchise-Rechte mitgebracht, sondern auch eine Produktionsanleitung. Es geht um einen systematischen Lernprozess", ergänzt er.
Liu Yuan ist offenbar optimistischer, was Chinas aktuelle Situation angeht. „Unsere Unterhaltungsshows der Vergangenheit waren vielleicht ganz passabel. Aber wir haben von ausländischen Produktionen gelernt und sind jetzt in der Lage, eigene außergewöhnliche Shows zu produzieren. Wenn unsere Programme eines Tages ausgereift sind, werden wir sie exportieren können", sagt er.
Kandidaten: "Bist du Mr. Right", eine Datingshow nach dem Muster der australischen Show "Taken Out", ist eine der meistgesehensten Sendungen in China (CFP)
Seine Zuversicht hat einen Grund. Im August 2012 erklärte Paul Jackson, ehemaliger Präsident der Royal Television Society in England, dass die chinesische Show „Bist du Mr. Right?" von allen Blind-Dating-Shows seine Lieblingssendung sei.
Die bei Jiangsu TV ausgestrahlte Show erzielt seit der ersten Sendung im Jahr 2009 sehr gute Quoten und Werbeeinnahmen und konnte das australische Original „Taken out" nach Jacksons Angaben bereits überholen. Für ihn liegt der Erfolg der Show in der Beachtung von Details, die von anderen chinesischen Programmen oft vernachlässigt würden. Jackson will nun die Mitarbeiter von Jiangsu TV zur Fortbildung nach England einladen.
Celebrity Battle, eine weitere beliebte Show von Jiangsu TV, ist die erste chinesische Unterhaltungsshow, deren Rechte ins Ausland verkauft wurden, und zwar schon vor ihrer Premiere am 11. Oktober. Die Rechte gingen an die israelische Produktionsfirma Armoza.
Armoza glaubt, dass Celebrity Battle viele einzigartige Elemente besitzt. Die wirkungsvolle Musik und die Fokussierung auf die Kindheitsgeschichten der Teilnehmer seien die Höhepunkte der Sendung, so ein Sprecher von Armoza.
"Ein Format muss zwei Qualitäten haben: Es muss einzigartig und leicht zu reproduzieren sein", sagt Liu Xichen von Shixi Media. „Aber in China gibt es nur wenig einzigartige Sendungen. Die meisten sind simpel gestrickt und nicht für eine Neuauflage geeignet."
Um die Sendung auf dem internationalen Markt zu verkaufen, will Armoza standardisierte Produktionsrichtlinien erstellen. Die Produktionsdetails bei Jiangsu TV, einschließlich der Teilnahmeregeln, der Auswahlkriterien für die Kandidaten sowie Bühnendesign und Beleuchtung sollen dokumentiert werden und anschließend an den globalen Markt angepasst werden.
|