06-11-2013
Ökologie
Lust aufs Land
von Yu Yan

 

ANTIKE SCHERBEN: Touristen schauen sich Gefäße und Scherben im Tongguan Kiln National Archaeological Park in Wangcheng an (XINHUA)

Der Geschmack der Kultur

Aber auch Kultur spielt eine immer wichtigere Rolle im Agritourismus. Nicht zuletzt darum ist Wangcheng so bekannt, denn es hat viel zu bieten.

Zur Natur, fortschrittlichen Öko-Betrieben und –Bauernhöfen gesellen sich einige mittelalterliche Städte und eine jahrhunderte alte Töpfertradition.

Wie in Tongguan Kiln: Die alte Stadt galt während der Tang-Dynastie (618-907) als ein wichtiger Umschlagplatz für Töpferkunst. Bei Ausgrabungen in den Jahren 1965 und 1978 fand man dort eine Vielzahl bunter Keramiken, reich verziert mit Figuren, Tieren, Pflanzen und Landschaften – Beispiele der außergewöhnlichen Kunstfertigkeit dieser Zeit.

Heute sind die Fundstücke in einem Museum ausgestellt, das außerdem auch Töpferkurse für Jung und Alt anbietet.

"Am Wochenende komme ich oft mit meinem elfjährigen Sohn hierher, denn es macht ihm Spaß, selbst Dinge aus Ton zu gestalten", erzählt Mo Xianfeng, Englischlehrerin aus Changsha.

"Hier sind einige der Stücke", sagt Mo und zeigt auf die Regale im Atelier, die angefüllt sind mit Aschenbechern, Bleistifthaltern, Tassen und ähnlichem – manche sind zwar nicht gerade Kunstwerke, aber dennoch entzückend.

"Die wurden alle von Touristen gemacht. Und das kann mein Sohn jetzt auch", so Mo mit einem stolzen Lächeln.

Laut ihr bringen viele Eltern ihre Kinder jedes Wochenende zu den Kursen.

Tee ist eine weitere Besonderheit der örtlichen Landkultur. Besucher können die Spezialität, einen Tee, der aus Sesam, Bohnen, Erdnüssen, Ingwer und Salz besteht, kosten.

Die Landbewohner trinken ihn jeden Tag, um - ganz gemäß der traditionellen chinesischen Medizin - gesund zu bleiben.

Aber auch klassische Tee-Zeremonien sind einen Besuch wert:

"Ich liebe die chinesische Tee-Kultur. Sie ist fast wie ein Ballett, alle Bewegungen des Körpers sind fein aufeinander abgestimmt – das wirkt zerbrechlich und elegant zugleich." So beschreibt Magdalena Kachniewska, Lehrerin für den Bereich Tourismus an der "Warsaw School of Economics" in Polen eine Teezeremonie, an der sie teilgenommen hatte.

Kein Wunder, dass der Bereich Kultur im Agritourismus eine große Rolle bei diesem Gipfeltreffen spielte. "Denn der Tourismus muss achtsam sein gegenüber der Natur, der lokalen Kultur, den besonderen Traditionen - dem Kulturerbe", gab der malaysische Tourismus-Minister Ng Yen Yen zu bedenken.

 

 

Wirtschaftlicher Nutzen

"Über den Agritourismus steigt auch das Einkommen der Bauern", so Yin, ehemaliger stellvertretender Landwirtschaftsminister.

Laut einer Statistik der Regierung kommen jedes Jahr mehr als sechs Millionen Touristen nach Wangcheng. Und die Einnahmen aus dieser Sparte belaufen sich auf 30 Millionen Yuan. So betrug die durchschnittliche jährliche Wachstumsrate der Nettoeinkommen der Bauern mehr als 20 Prozent.

Spricht man vom Einfluss des Agritourismus auf das wachsende Einkommen der Bauern, ist Jinggang ein glänzendes Beispiel: Während der Nationalfeiertage, eine der touristischen Stoßzeiten in China, verkauften einige Läden hier bis zu 400 Tassen Sesamtee am Tag. Geht man von einem Preis von 5 Yuan aus, verdiente ein Laden etwa 2.000 Yuan täglich. Rechnet man dazu 3.000 bis 4.000 Gläser Reiswein für 3 Yuan, steigt der Umsatz auf über 9.000 Yuan. Die Landbevölkerung profitiert also bereits erheblich vom zunehmenden Agritourismus.

Und so ist es kein Wunder, dass Länder auf der ganzen Welt Agritourismus für sich entdeckt haben.

"Nach unserer Erfahrung hat der Agritourismus einen positiven Effekt auf die Entwicklung der Landwirtschaft: die Einkommen steigen ebenso wie die Beschäftigungsquote. In Italien hat diese Form des Tourismus in den vergangenen Jahren stark zugenommen. 2012 besuchten fast drei Millionen Urlauber den ländlichen Raum", so Maurizio Martina vom Ministerium für Land- und Forstwirtschaft. 

Auch in Changsha betrachtet man Agritourismus als vielversprechendes Modell, um die Stadt-Land-Integration voran zu treiben. „Wir streben eine ausgewogene Entwicklung zwischen den städtischen und ländlichen Gebieten an", erklärt Yi, Parteichef des  Stadtkomitees.

Und Wangcheng ist dafür ein glänzendes Beispiel:

Seit 2009 sind das Bruttoinlandsprodukt und das Pro-Kopf-Einkommen um 16,1 respektive 28 Prozent gestiegen. Damit rangiert Wangcheng auf Platz zwei in der Provinz Hunan.

Das Pro-Kopf-Einkommen der Bauern im Jahr 2011 war zweimal so hoch wie der nationale Durchschnitt, mit einer Wachstumsrate von 21,2 Prozent. Und während der ersten Hälfte des Jahres 2012 erreichte die jährliche Wachstumsrate sogar 30,4 Prozent, das liegt weit über dem nationalen Durchschnitt.

So gilt der Distrikt als Erfolgsmodell für Regionen im Süden und der Mitte Chinas - im Besonderen für Vorstädte und Gebiete in der Nähe großer Städte – was die ländliche Wirtschaftentwicklung und die Koordination des städtisch-ländlichen Wachstums betrifft.

 

 

 

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