10-06-2013
Mein „chinesischer Traum“
Jet Li sammelt Millionenspenden für Erdbebenopfer
von Zeng Wenhui

 2007 gründete der Schauspieler und Kungfu-Star die Wohltätigkeitsorganisation „One Foundation".

 
Neubeginn: Jet Li (1.v. li.) und Gäste bei der offiziellen Gründungszeremonie der „One Foundation" in Shenzhen am 11. Januar 2011

 
Freiwillige Helfer der "One Foundation" bauen Häuser für die Einwohner des Dorfs Weidong bei Conghua (Provinz Guangdong)
 

Jet Li ist nicht nur Kungfu-Star, sondern auch Gründer der Wohltätigkeitsorganisation „One Foundation". Anlässlich der vom Great Wall Club (GWC) organisierten "Global Mobile Internet Conference" im Mai sprach die Beijing Rundschau mit ihm über seine Spendenaktion für die Erdbebenregion Ya´an und Wohltätigkeitsorganisationen in China.

 

Spenden zeigen Macht der Menschen

Mit seiner schwarzen Kleidung und Schirmmütze sieht Jet Li tatsächlich wie ein Kungfu-Meister in einem seiner Filme aus. Nach dem Erdbeben in Ya´an habe die „One Foundation" Spenden im Gesamtwert von 300 Millionen Yuan (37,5 Millionen Euro) in Form von 2,97 Millionen Einzelspenden erhalten, berichtet er. „Was mich am meisten berührt, ist nicht die Gesamtsumme, sondern die riesige Zahl der Spender. Das ist das Allerwichtigste."

Jede Wohltätigkeitsorganisation habe ihren eigenen Charakter, Li lehnt daher einen direkten Vergleich ab. Auch sei nicht die Organisation mit den meisten Spenden automatisch die beste. Dafür genüge es nämlich schon, dass ein einzelner Unternehmer einmalig eine Riesensumme spende.

Ein Grund für die enorme Anzahl der Spenden für die Erdbebenregion ist Chinas größtes Online-Shoppingportal Taobao.com. Dort spendeten die Verkäufer ein Zehntel jeder Transaktionssumme. Von jedem Yuan gingen 0,1 Yuan an die Erdbebenopfer. „Das ist genau das, was sich ,One Foundation´wünscht, die Macht der Bürger. So könnte eine Stiftung für die nächsten fünf, zehn oder zwanzig Jahre aussehen, das wäre mein Traum", sagt Li. Man sehe, dass die Menschen Verantwortung übernehmen wollen. „So ein Spendenmodell wollen wir aufrechterhalten."

Die Spenden nach der Erdbebenkatastrophe werden für humanitäre Hilfsprojekte, für die Übergangszeit (etwa ein Jahr) und den Wiederaufbau (drei bis vier Jahre) eingesetzt.

„Wir haben Experten und Wissenschaftler eingeladen, um den Wiederaufbau vernünftig zu planen," berichtet Li. Es sei wichtig, die Erfahrungen aus den Erdbeben von Wenchuan in der Provinz Sichuan und Yushu in der Provinz Qinghai zu berücksichtigen, um nicht wieder die gleichen Fehler zu machen. Würde man das gesamte Geld nach dem Willen der Spender in den nächsten Wochen ausgeben, sei dies unverantwortlich.

Soll man Luxusgebäude wieder aufbauen? Soll man auf geographische und kulturelle Besonderheiten Rücksicht nehmen? Zu diesen Fragen will die „One Foundation" Experten anhören. „Wenn man in großem Stil neue Gebäude baut, verliert die Region ihren besonderen Charakter", meint Li. 

Eine bürgernahe Wohltätigkeitsorganisation sollte eine andere Art von Hilfe leisten als die Regierung, sagt er. Es sei außerdem wichtig, dass sich die unterschiedlichen Stiftungen untereinander abstimmen, um Aufgaben sinnvoll zu koordinieren.

52 Prozent der für die Erdbebenregion gespendeten 300 Millionen Yuan stammen von Unternehmen, die restlichen 48 Prozent von Einzelpersonen. Die bereits verwendeten 20 Millionen Yuan stammen allesamt aus Einzelspenden genauso wie die Mittel für die Übergangszeit. Spenden von Unternehmen und Einzelpersonen will Li für unterschiedliche Zwecke einsetzen. Seiner Ansicht nach reagieren Einzelpersonen emotional, Unternehmer eher rational und strategisch und sollten daher Projekte zurVerhütung und Minderung von Naturkatastrophen aufbauen.

Keine Wohltätigkeitsorganisation sei imstande nachzuweisen, wofür genau jeder einzelne gespendete Yuan verwendet würde. Es sei aber grundsätzlich klar, wie hoch der Anteil für humanitäre Hilfe sei und wie viel Geld man für den Wiederaufbau nutze. „Wir erklären, wie man die Spenden benutzt. Das ist die Grundlage unserer Existenz."

 

Ein gemeinsamer Traum

2007 gründete Jet Li die Wohltätigkeitorganisation „One Foundation". Die Idee dahinter: Wenn jeder jeden Monat „One Yuan" spenden würde, käme eine enorme Summe zusammen. Li wollte die Organisation von Anfang an wie ein börsennotiertes Unternehmen führen und betrachtet jeden Spender als „Aktionär".

Bei „One Foundation" treffen sich Menschen, die einen gemeinsamen Traum haben und ihr Bestes für das Gemeinwohl tun wollen. Den „Aktionären" helfen sie mit ihrem Fachwissen, so Li. Derzeit sitzen viele prominente Unternehmer im Vorstand der Stiftung, darunter Wang Shi, der Gründer von Chinas größtem Immobilienentwickler Vanke Co. Ltd., Ma Weihua, ehemaliger Präsident und Geschäftsführer der China Merchants Bank, und Ma Yun, Gründer des E-Commerce-Giganten Alibaba Group.

Er habe bekannte Unternehmer in seine Stiftung geladen, um das Vertrauen der Öffentlichkeit zu vergrößern, so Li. Mit ihrem Milliardenvermögen sei eine Veruntreuung von Spendengeldern ausgeschossen. Darüber hinaus bieten die Unternehmer Plattformen für die Stiftung an.

Die Unternehmer unterstützten „One Foundation" von Anfang an als Vorstandsmitglieder, um eine nachhaltige Entwicklung zu fördern.

Im Jahr 2008 gaben die China Merchants Bank und die „One Foundation" gemeinsam eine Charity-Kreditkarte heraus. Mit dem Einverständnis des Kunden spendet die Bank für jede neue Karte einen Yuan bzw. 0,1 Yuan bei einem Verlust der Karte. Nach Angaben der Bank wurden auf diese Weise von Dezember 2008 bis März 2013 insgesamt 8,5 Millionen Yuan (1,06 Millionen Euro) gespendet.

„One Foundation" könnte eigene Kosten in Höhe von mehreren Milliarden Yuan durch die Unternehmer tragen lassen und so eine Null-Kosten-Stiftung bleiben. „Aber das geht nicht", erklärt Li. Andere Stiftungen und NGOs könnten einen ähnlichen Weg gehen. Eine solche Null-Kosten-Stiftung sei ein vernichtender Schlag für chinesische Wohltätigkeitorganisationen. Die Stiftung selbst könnte sich nicht gesund entwickeln.

Er selbst hat nach dem Erlebnis des Tsunami in Indonesien im Jahr 2005 den Mut gefunden, die Stiftung ins Leben zu rufen. „Wenn ich mich nicht vor dem Tod fürchte, bin ich in der Lage, alles zu tun."

 

Reform öffentlicher Wohltätigkeitsorganisationen

Die „One Foundation" wurde zunächst als Unterorganisation der Red Cross Society of China (RCSC), der größten Wohltätigkeitsorganisation des Landes, gegründet, weil das Registrierungsverfahren die Überwachung sozialer Organisationen durch eine Behörde verlangte. In einem Pilotprojekt konnten sich jedoch bestimmte Organisationen direkt bei der Behörde für zivile Angelegenheiten anmelden. Daraufhin wurde „One Foundation" als eine rechtsfähige öffentliche Stiftung am 3. Dezember 2010 in der Stadt Shenzhen in der südchinesischen Provinz Guangdong registriert.

Die Glaubwürdigkeit der RCSC hat nach Juni 2011 schwer gelitten. Damals prahlte eine 20-jährige Internetuserin namens Guo Meimei in ihrem Microblog mit ihrem Reichtum, den sie ihrem damaligen Freund, einem Manager der RCSC verdankte.  Damit heizte sie den Verdacht an, dass Spendengelder veruntreut wurden, um den verschwenderischen Lebensstil der Mitarbeiter zu finanzieren.

Trotz anschließender interner Reformen ist der Ruf der RCSC weiterhin im Keller. Forderungen nach einer gründlichen Umstrukturierung der von der Regierung geführten Wohltätigkeitsorganisationen werden lauter. Es gab Vorschläge, dass NGOs wie die „One Foundation" die RCSC ersetzen und eine primäre Rolle im Wohltätigkeitsbereich spielen sollten.

Mit Millionen von Freiwilligen spielte die RCSC traditionell eine führende Rolle in der Katastrophenhilfe. Sie besitzt Ortsverbände auf fast allen Ebenen wie Provinzen, Bezirken und Gemeinden. "Keine andere Stiftung im Land kann die Kosten einer so kolossalen Organisation tragen und zugleich so große Verantwortung übernehmen", sagt Li.

Die Öffentlichkeit, die nun transparente und professionelle Wohltätigkeitsorganisationen fordert, weil einige Organisationen sich zu langsam reformieren, würde den Erwartungen der Menschen nicht gerecht, meint Li. Die öffentliche Überprüfung habe sich im Nachhinein als Segen für die RCSC erwiesen. Die Organisation muss sich verändern, um den gesellschaftlichen Anforderungen gerecht zu werden.

Die Öffentlichkeit solle der RCSC mehr Zeit geben und optimistisch sein, empfiehlt er. "Dass sie jetzt keinen guten Job macht, bedeutet nicht, dass sie in Zukunft keine gute Arbeit leisten kann", sagt er.