Olympisches Areal-Nachnutzung 31-03-2009 Beijing Rundschau von Sonja Broy
Neues Leben für das Vogelnest Kinder laufen über den Platz, Jugendliche lassen Drachen steigen und Senioren ruhen sich auf einer der Bänke aus – recht beschaulich zeigt sich derzeit das olympische Areal im Nordosten der Stadt. Seit dem Ende der Spiele steht das Nationalstadion, wegen seiner ineinander verwobenen Stahlkonstruktion im Volksmund „Vogelnest“ getauft, Touristen offen. Für einen Eintrittspreis von 50 Yuan ( rund 6 Euro) , kann man auf den Besucherrängen Platz nehmen, ein Erinnerungsfoto mit den Olympia-Maskottchen schießen, oder gegen ein zusätzliches Entgelt mit Fackel, Blumenbouquet und Medaille auf dem Siegertreppchen im Innenraum posieren. Obwohl der Eintrittspreis hoch ist in einer Stadt, in der nach Angaben des Nationalen Statistikbüros der durchschnittliche Haushalt 60 Yuan (etwa 7,20 Euro) pro Tag zur Verfügung hat, mussten an einigen Tagen aufgrund des hohen Besucheraufkommens die Pforten stundenweise schließen. Der Besucherrekord wurde am 1. Oktober des vergangenen Jahres verbucht, dem Nationalfeiertag, als 60 000 Menschen die gigantische Stahlkonstruktion bestaunen wollten. Mehrere tausend Touristen aus dem In- und Ausland sind es auch heute noch täglich. Innerhalb kürzester Zeit hat die Anlage gleichgezogen mit Attraktionen wie der Chinesischen Mauer. Doch aus dem Vogelnest soll mehr werden als ein Fotomotiv mit integriertem Souvenirverkauf. Schon aus finanziellen Gründen.
Finanzieller Erfolgsdruck 325 Millionen Euro hat das Vogelnest an Baukosten verschlungen. Alleine 60 Millionen Yuan (7,2 Millionen Euro) sind jährlich für die Instandhaltung nötig. Für Aufsehen sorgte vor Beginn der Spiele die Ankündigung der Marketingabteilung des lokalen Organisationskomitees, die Namensrechte am Stadion verkaufen zu wollen. Der Auftrag dazu wurde der „Leverage Agency“ mit Hauptsitz in New York erteilt. Seither kursieren die Namen von bis zu sechs in- wie ausländischen Investoren, darunter Coca-Cola und Adidas, beides auch Sponsoren der Spiele. Bestätigen aber will die Verhandlungen niemand. Bei Adidas verweist man darauf, noch nie die Namensrechte an einem Gebäude erworben zu haben, Coca-Cola möchte künftige Marketingstrategien nicht kommentieren. Die endgültige Entscheidung steht noch aus. Dabei liegt das letzte Wort bei der Regierung, die mit dieser Marktorientierung Neuland beschreitet. Stadien nach Marken zu benennen mag in Europa oder den USA an der Tagesordnung sein, in China gibt es hingegen bisher keine öffentlichen Anlagen, die den Namen eines gewerblichen Sponsors tragen. In der Bevölkerung wurde seither viel diskutiert über die Idee, ein Nationalsymbol, welches auf einer Sonderedition von 10-Yuan-Scheinen sogar anstelle des Konterfeis von Staatsgründer Mao Zedong prangt, nach einem Konzern zu benennen. „Für mich wird das Vogelnest weiterhin so heißen, egal welcher Name über dem Eingang hängt“, bekundet eine junge Frau aus Shanghai, während sie es sich im Innenraum des Stadions gemütlich gemacht hat und den Sonnenschein genießt. Auch kleinere Anteile der Anlage stehen zum Verkauf, etwa Partnerschaften für die Bestuhlung oder die Erfrischungsstände. Eine Investition in ein chinesisches Nationalsymbol kann für westliche Firmen durchaus risikoreich sein, wie der Starbucks-Konzern erfahren musste. Das amerikanische Kaffeehaus hatte eine kleine Filiale auf dem historischen Gelände der Verbotenen Stadt im Zentrum Beijings eröffnet und sie nach massiven Protesten chinesischer Blogger, die keinen amerikanischen Kaffeeanbieter auf dem Gelände eines Nationalerbes sehen wollten, wieder schließen müssen. |
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