30-03-2010 Beijing Rundschau Geely und Volvo von Matthias Mersch
Der chinesische Autobauer Geely aus Zhejiang hat für 1,3 Mrd. EUR den traditionsreichen schwedischen Autohersteller Volvo von Ford gekauft. Durch diesen Schritt gelangt Geely auf die Weltbühne der Automobilindustrie. Geelys Akquisition ist ein weiterer Beleg dafür, dass Chinas wirtschaftlicher Aufstieg weite Bereiche der globalen Geschäftswelt beeinflusst. Der riesige Markt des Landes und seine immer mächtigeren Unternehmen spielen eine wachsende Rolle im Wirtschaftsgeschehen der Welt. Angefangen beim Rohstoffhandel über die Automobilbranche bis hin zur Telekommunikationsindustrie. Der Erwerb von Volvo kurz nachdem China die USA vom Platz des größten Kraftfahrzeugmarktes der Welt verdrängt hat, bringt ein chinesisches Unternehmen in den Besitz einer großen weltweit agierenden Automarke. „Ich denke, Volvo ist ein Tiger", sagt Li Shufu, Vorstandschef von Geely, der bestätigt, dass Geely in China eine Volvo-Fertigung errichten wird. „Um den Tiger von der Leine zu lassen, müssen wir uns gut überlegen, wie wir die Stärken der Marke voll zur Entfaltung bringen können." Der Verkauf markiert zugleich den jüngsten Schachzug von Ford-Chef Alan Mulally, der beim amerikanischen Autobauer dafür gesorgt hat, sich von Marken zu trennen, die nicht zum Kernbereich des Konzerns gehören, um endlich wieder nachhaltig in die Gewinnzone zu gelangen. Nach Auskunft von Ford-Finanzchef Lewis Booth bleibt das Unternehmen aus Michigan in der Verantwortung für einen bestehenden Pensionsfonds und andere Zahlungsverpflichtungen. Ein genauer Ablaufplan für die Übergangszeit ist noch nicht veröffentlicht worden. „Wir denken, es ist ein fairer Preis für ein gutes Geschäft", sagte Booth auf einer Pressekonferenz vergangenen Sonntag im schwedischen Göteborg, dem Unternehmenssitz von Volvo. Die Hälfte des erzielten Kaufpreises muss Ford in den Abbau seines Schuldenberges von 23,5 Mrd. US-Dollar stecken, aber Lewis Booth räumt ein, dass bis zur Abwicklung des Geschäftes unklar ist, wie hoch der Gesamterlös sein wird. Die Zustimmungen der jeweiligen Regierungen zu dem Geschäft stehen noch aus. Ist die Einwilligung erteilt, soll Volvo vor Ablauf des dritten Quartals offiziell in das Eigentum Geelys übergehen. Ursprünglich war man von einem Abschluss des Geschäfts bis Ende Juni ausgegangen. Laut gut informierter Kreise möchte Li Shufu bei Volvo die Kosten für Produktentwicklung und Fertigung drastisch reduzieren. Helfen soll dabei der Rückgriff auf chinesische Arbeitskräfte. Auf der Pressekonferenz erklärte Li, dass Volvo als eigenständige Marke erhalten bleiben solle, eine Fusion mit Geely sei nicht vorgesehen. Zudem solle vorerst das Management von Volvo unverändert beibehalten werden. Auf Geely, einer der größten Autoproduzenten Chinas in Privatbesitz, kommen mit der Übernahme von Volvo große Herausforderungen zu. Das Unternehmen hat kaum Erfahrung beim Verkauf von Autos außerhalb Chinas und ist völlig unerfahren in der Führung von Produktionsstätten in einem Land, das so weit entfernt und so grundverschieden von China ist wie Schweden. Geelys fehlendes internationales Profil und sein alter Ruf als Hersteller von Billigautos könnte sich als schwere Hypothek für Volvo erweisen. Trotz ihres wachsenden Gewichts haben chinesische Unternehmen bislang nur wenig Erfolg mit Erwerbungen im Ausland. Sogar chinesische Branchenführern mangelt es an internationaler Managementerfahrung, die stark zentralisierte Firmenkultur lässt sich nur schlecht mit dem Führungsstil westlicher Unternehmen verbinden. So gelang es dem Computerhersteller Lenovo nur unter großen Schwierigkeiten, den Erwerb der PC-Branche von IBM zu verdauen. Im Jahre 2005 war diese Übernahme das bis dahin größte Auslandsgeschäft eines chinesischen Unternehmens. Für Ford wird die Entflechtung mit Volvo ebenfalls zu einer anspruchsvollen Aufgabe, denn seit dem Erwerb der Marke für 6,4 Mrd. US-Dollar im Jahr 1999 sind die beiden Unternehmen innerhalb des Konzerns eine enge Verbindung miteinander eingegangen. So produziert in China etwa das Unternehmen Changan Ford Mazda Automobile Corp. – ein Joint-Venture von Ford, Mazda und der Chongqing Changan Automobile Co. – den Volvo S40 and den S80. "Die Abmachungen über die Nutzung von Patenten und Gebrauchsmustern bestehen zwischen Ford und Geely", hob Booth hervor und fügte hinzu, dass darüber hinaus die Verwendung von Technologien für Geely nur eingeschränkt möglich sei. Um Volvo bei der Erfüllung des gegenwärtigen Geschäftskonzepts zu helfen, hätten Ford und Geely gesonderte Abmachungen zur Nutzung geistigen Eigentums getroffen. Dies ist vor allem in Hinblick auf Befürchtungen erfolgt, dass sich gemeinsame Entwicklungen von Ford und Volvo in Kürze in der Hand eines chinesischen Unternehmens befinden würden, das auf dem nordamerikanischen und europäischen Automobilmarkt als direkter Konkurrent von Ford auftreten wird. 2007 trennte Ford sich von Aston Martin, 2008 veräußerte der Autobauer Land Rover und große Teile seiner Unternehmensbeteiligung an Mazda. Anfang 2009 kündigte Ford den Verkauf von Volvo an. Je näher der Abschluss des Kaufvertrags rückte, um so besser gelang Volvo es, seine hohen Verluste der letzten Jahre zu verringern, die sich in Milliardenhöhe bewegten. Waren es 2008 noch 1,6 Mrd. US-Dollar gewesen, so verringerte sich der Verlust im letzten Jahr auf 934 Millionen US-Dollar. Aufgrund einer Abwärtstendenz auf dem europäischen und amerikanischen Automarkt sind die Verkaufszahlen Volvos in den letzten Jahren rückläufig. 2009 konnte das Unternehmen weltweit 324 000 Einheiten absetzen, 10 Prozent weniger als im Vorjahr. Aber Volvo setzt auf eine Erholung der Märkte und rechnet nach Angaben von Volvo-Chef Stephen Odell im laufenden Jahr mit einem Absatz von 390 000 Einheiten. In den ersten beiden Monaten hat Volvo auf dem US-Markt 40 Prozent mehr Fahrzeuge verkauft als im Vergleichszeitraum des Vorjahres. (Quelle:wsj)
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