Chinas Arbeitsmarkt: Weniger Arbeitskräfte, höhere Gehälter

2016-11-24 17:14 german.china.org.cn

Chinas erwerbsfähige Bevölkerung wird 2016 voraussichtlich zum fünften Mal in Folge sinken. Zwar strömen Millionen von Hochschulabsolventen auf den Arbeitsmarkt, doch an Fachkräften mangelt es weiterhin. 

Der Mangel an Arbeitskräften bedeute, dass die Arbeitskosten weiter steigen und dass durch Industrietransfer und neue Technologien weitere Arbeiter ersetzt werden, so Zeng Xiangquan, Leiter der Schule für Personalverwaltung an der Renmin-Universität, bei einer Jahrestagung des Chinesischen Verbands für Arbeitsstudien. 

Hochschulabsolventen machen fast die Hälfte der neuen Arbeitskräfte auf dem Markt aus, so dass sich ein grundlegender Wandel in der Qualifikation und Struktur der Belegschaft vollziehe, erklärte Zhang Chewei, Leiter des Instituts für Bevölkerungs- und Arbeitsökonomie an der Chinesischen Akademie für Sozialwissenschaften. 

Der Markt sei nicht dazu in der Lage, die herkömmlichen Industrien mit einer ausreichenden Zahl an Arbeitskräften zu versorgen, um damit an der bisherigen arbeitsintensiven Wirtschaftsentwicklung festzuhalten, so Zhang. 

Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter wird bis 2050 auf 700 Million fallen 

Die Bevölkerung im Alter von 15 bis 59 Jahren erreichte 2011 etwa 925 Millionen und ist seitdem jedes Jahr gesunken, 2012 um 3,5 Millionen, 2013 um 2,4 Millionen, 2014 um 3,7 Millionen und 2015 um 4,9 Millionen. 

Zengs Prognosen zufolge wird die erwerbsfähige Bevölkerung dieses Jahr einen gleich hohen oder sogar höheren Rückgang als 2015 erleben. „Wenn wir von einem Rückgang von 4,87 Millionen in diesem Jahr ausgehen, ist die Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter in den letzten fünf Jahren um insgesamt 19,3 Millionen geschrumpft. Das ist nun wahrlich keine kleine Zahl", so Zhang. 

Man erwartet, dass die Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter auch in den nächsten Jahrzehnten einen starken Rückgang erfahren wird, um bis 2030 auf 830 Millionen und bis 2050 auf 700 Millionen zu sinken. Der Rückgang soll sich jedoch insgesamt auf 7,6 Millionen jährlich verlangsamen, wie Li Zhong, Sprecher des Ministeriums für Personalverwaltung und Soziale Sicherheit, im Juli bekanntgab. 

Mit dem sinkenden Angebot an Arbeitskräften wuchsen 2011 die Gehälter in allen Branchen mit einer durchschnittlichen Rate von 11,3 Prozent sowie 2012 um 10,5 Prozent und 2013 um 9,7 Prozent, so Zeng. Aufgrund dessen hätten viele ausländische Unternehmen China den Rücken gekehrt und dafür Südostasien den Vorzug gegeben. 

Das Ausmaß der unbeschäftigten Arbeitskräfte wurde indes größer und die Fluktuationen schneller. Statistiken zeigen, dass die Freistellungsraten bei arbeitsintensiven Betrieben 2011 bei 35,5 Prozent, 2012 bei 37,2 Prozent und 2013 bei 36,2 Prozent lagen. 

Weniger aber besser ausgebildete Arbeitnehmer 

In den 20 Jahren zwischen der Reform- und Öffnungspolitik (1980er) und dem frühen 21. Jahrhundert gab es in China eine strenge Alterskontrolle für Arbeiter an Montagelinien. Fabriken wählten bevorzugt junge Arbeitnehmer mit der höchsten Produktivität aus, bis es in den letzten Jahren zu einem Mangel an Arbeitskräften kam. 

Laut Zeng ist der Bevölkerungsanteil von jungen Arbeitnehmern zwischen 15 und 24 Jahren am stärksten gesunken, von 120 Millionen 2006 auf geschätzte 60 Millionen im Jahre 2020. Zugleich wächst die Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter zwischen 55 und 65 Jahren und führt zu einer stark veränderten Altersstruktur auf dem Arbeitsmarkt. 

Doch auch das Niveau der erwerbsfähigen Bevölkerung steigt. Laut Zhang hatte mehr als die Hälfte der neuen Arbeitskräfte früher einen Bildungsabschluss unter dem Mittelschulniveau und arbeitete für Niedriglöhne in der Herstellungsindustrie. Heutzutage machen Hochschulabsolventen die Hälfte der neuen Arbeitnehmer aus. 

Mangel an hochqualifizierten Spitzenkräften 

„Obwohl sich das Bildungsniveau der Arbeitskräfte erhöht hat, kann die Qualifikation der Studenten nicht mit den Bedürfnissen der industriellen Modernisierung mithalten. Es gibt eine Lücke zwischen der Arbeitsfähigkeit der Absolventen und dem Marktbedarf", so Zhang. 

Der Mangel an hoch qualifizierten Talenten ist von entscheidender Bedeutung für Chinas wirtschaftliche Modernisierung. Statistiken zeigen, dass hochqualifizierte Arbeitskräfte insgesamt nur 4 Prozent aller Erwerbstätigen ausmachen, qualifizierte Arbeitskräfte 20 Prozent stellen und 76 Prozent der Erwerbsfähigen überhaupt keine ausgewiesene Qualifikation besitzen. 

Der „Kelly Global Workforce Index 2014", eine jährliche Studie der Personalagentur Kelly Services, zeigt, dass 92 Prozent aller chinesischen Unternehmen durch den Mangel und die geringe Qualifikation der Arbeitskräfte in ihrer Wettbewerbsfähigkeit beeinträchtigt sind. 

Zeng Xiangquan zufolge sollten der Ausbildung und den Investitionen in Humankapital zukünftig mehr Beachtung geschenkt werden, um die strukturellen Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt abzufedern. Obwohl viel Kapital in die Aus-, Fort- und Weiterbildung investiert werde, seien die Resultate nicht offenkundig. Daher sei es wichtig, die Begutachtungen von Bildungsprogrammen und ihre Effizienz zu verbessern, so Zeng.