14-08-2009 Beijing Rundschau Rentenfrage: Ein Brief an den Ministerpräsidenten
Zur Jahreswende 2008/2009 hat Professor Hu Xingdou an Ministerpräsident Wen Jiabao einen Brief geschrieben, in dem er die Einführung einer allgemeinen Rente vorschlug. „Im Fernsehmagazin "News 1 plus 1" des staatlichen chinesischen Senders CCTV vom 26. Dezember 2008 wurde über einen Bauer in der Provinz Hunan namens Fu Daxin berichtet, der wegen Altersarmut unfähig war, sich selbständig zu versorgen. So wollte er das Räuberhandwerk ergreifen, indem er mit einem Messer bewaffnet nach Beijing reiste. Er hatte den Vorsatz, sich von der Polizei verhaften zu lassen, um im Gefängnis versorgt zu werden. Angesichts dieser Verzweiflungstat meinte Hu Xingdou, dass die Regierung eine allgemeine Vergabe von Renten für die 110 Millionen Senioren auf dem Land, die über 60 Jahre alt sind, in Erwägung ziehen sollte. Die Höhe der Rente müsste von Gebiet zu Gebiet je nach Entwicklungsstand der lokalen Wirtschaft variieren und etwa 100 Yuan bis 300 Yuan monatlich betragen. Landesweit lägen die Aufwendungen dafür bei etwa 200 Milliarden Yuan, was für die Regierung angesichts der diesjährigen Staatseinnahmen in Höhe von mehr als sechs Billionen Yuan vollkommen zu verkraften wäre. Die chinesische Altersversorgung ist noch immer sehr schwach entwickelt. Laut einem Bericht der Auslandsausgabe der Zeitung Renmin Ribao vom 27. September 2007 kamen 2006 nur 129,3 Millionen Menschen in Städten und in ländlichen Gebieten in den Genuss von Leistungen der Rentenversicherung. Laut der "Statistik über Arbeit und soziale Absicherung 2006", die vom Ministerium für Arbeit und soziale Absicherung und dem staatlichen Statistikamt gemeinsam veröffentlicht wurde, waren Ende 2006 nur 53,74 Millionen Bürger in die staatliche Rentenversicherung integriert. Unter ihnen waren lediglich 3,55 Millionen Landbewohner. Es herrscht die Meinung, dass Senioren auf dem Lande von ihrer Familie und dem Ackerboden ernährt werden könnten. Zwar wohnen 88,7 Prozent der Senioren mit ihren Kindern zusammen, aber 50,7 Prozent von ihnen verfügen über eigene Einkünfte, und 82,2 Prozent versorgen sich sogar selbst. (Quelle: "Dokumentation über Alters- und Sozialversorgung auf dem Land", Abteilung des Innenministeriums für soziale Absicherung auf dem Land). Derzeit sind die landwirtschaftlichen Produktionskosten ziemlich hoch und die Einkommen äußerst niedrig. Das Ackerland ist nicht im Privateigentum der Bauern, und eine Nutzung des Ackerlandes zu Zwecken, die nicht unmittelbar mit Landwirtschaft zu tun haben, ist nicht erlaubt. Die Bauern ziehen kaum Gewinn aus dem Land. Deshalb lässt sich die Frage der Altersversorgung für Landbewohner nicht durch den Ackerboden lösen. Die Senioren müssen auch im hohen Alter um ihre Existenz kämpfen. Eine Altersversorgung, die ihre Hoffnung auf die Kinder und den Ackerboden setzt, ist sehr rückständig. Sie läuft zudem Gefahr, familiäre Konflikte zu schüren. Die Älteren können leicht in Not geraten und sehen sich dann einem Lebensabend in Armut ausgeliefert. Es heißt, die vor kurzem eingeführte Sicherung des Existenzminimums auf dem Lande, könne das Problem einer würdigen Versorgung der Senioren lösen. Zwar werden von diesem im Jahr 2007 eingeführten System bereits 34,519 Millionen bäuerliche Haushalte abgedeckt. Diese machen jedoch nur etwa vier Prozent der gesamten Bevölkerung auf dem Land aus. Der Anteil ist zu gering, und die Höhe des Existenzminimums ist zu niedrig. Nach einem Bericht der Weltbank lebten 2007, gemessen an der Kaufkraftparität (KKP), 135 Millionen Menschen in China, also zehn Prozent der Gesamtbevölkerung, in absoluter Armut, d.h. ihr Lebensunterhalt pro Tag lag unter einem Dollar. 430 Millionen, also 32 Prozent der Gesamtbevölkerung lebten in Armut, sie konnten auf zwei Dollar pro Tag zurückgreifen. Die meisten Armen leben in ländlichen Gebieten. Deshalb muss das Existenzminimum erhöht und der Kreis der Personen, die in den Genuss von Versorgungsleistungen kommen, erweitert werden. Aber das Existenzminimum kann nicht ein leistungsfähiges System der Rentenversicherung ersetzen. Vor etwa 40 Jahren haben die Sowjetunion und die sozialistischen Staaten in Osteuropa ein Rentensystem für Bauern eingerichtet. Heute stellt Indien monatlich fünf Dollar für Senioren ab 65 bereit. In Vietnam gibt es anstatt der Auszahlung von Bargeld eine Versorgung mit Reis. Dänemark hat 1891 als weltweit erstes Land ein Rentensystem auf dem Lande geschaffen. 1933 hat die Internationale Arbeitsorganisation die Rentenversicherung, die Behindertenversicherung und die Hinterbliebenenrente auf dem Land ins Versicherungssystem aufgenommen. China kann sowohl die allgemeine Auszahlung von Renten für Bauern durchführen wie auch als Ergänzung beschleunigt ein Rentenversicherungssystem auf dem Land schaffen. So kann ein differenziertes System der Altersversorgung etabliert werden. Es ist höchste Zeit, dass sich China bei seinen Bauern für deren Aufbauleistung revanchiert. Früher hat man sich vorgestellt, dass der sekundäre Sektor den primären Sektor fördern kann, und die Städte die ländlichen Regionen unterstützen sollten. Es ist jedoch noch wichtiger, dass der Staat etwas für die Bauern tut. Seit der Gründung der Volkrepublik China haben die Bauern einen großen Beitrag zur Industrialisierung geleistet. Bis zur Reform- und Öffnungspolitik hatten sie durch Abgabe von Getreide etwa 700 Milliarden Yuan zum Volksvermögen beigetragen. Diese Summe entspricht etwa 20 Billionen Yuan von heute. Seit Beginn der Reformpolitik haben sie durch Getreideverkauf an den Staat zu niedrigen Preisen, Steuern und Abgaben, sowie durch Rückgabe des Ackerbodens an den Staat einen Beitrag im Wert von 20 bis 30 Billionen Yuan geleistet. Der Staat aber vernachlässigt seit langem die Altersversorgung der Bauern. Von den 1951 erlassenen Regelungen über die Arbeitsversicherung waren die Bauern, die über 90 Prozent der Gesamtbevölkerung ausmachten, ausgeschlossen. Heute ist China finanziell durchaus in der Lage, seine Landbewohner zu versorgen. 2007 haben die Staatseinnahmen Chinas um über eine Billion Yuan zugenommen. Wenn die Rentenzahlungen für ländliche Gebiete jährlich etwa 200 Milliarden Yuan betragen sollten, würde dies nur ein Fünftel der gegenwärtigen Staatseinnahmen ausmachen, eine Summe, die China durchaus aufzubringen in der Lage wäre. Die Schaffung eines Systems der allgemeinen Auszahlung von Renten für Bauern hätte auch eine besondere symbolische Bedeutung. Sie wäre die Verwirklichung des Konzepts der Zentralregierung, den Menschen in den Mittelpunkt der Politik zu stellen und Wert auf das Gemeinwohl zu legen. Dadurch würde dauerhaft die Stabilität der ländlichen Gesellschaft gefördert. Auch würde die Konsumfreude der Bauern angeregt werden, wenn erst einmal die Sorge um die Sicherung ihrer Existenz überwunden wäre. Der Markt ländlicher Gebiete könnte erschlossen werden. Der Urbanisierungsprozess würde beschleunigt, und die materiellen und menschlichen Kosten der Zuwanderung der Bauern in die Städte könnten reduziert werden. Ein neuer Ansatz in der Rentenversicherung kann auch ein Beitrag zur Lösung des Problems der Überalterung der Gesellschaft und der Aufbruch zu den Ufern einer vernünftigen Familienplanung sein. Außerdem kann das herrschende Ungleichgewicht in der Zahl von männlichen und weiblichen Kindern überwunden werden. Sobald die Frage der Altersversorgung gelöst ist, entfällt der Zwang der Bauern, viele Kinder in die Welt zu setzen. Es macht dann auch keinen Unterschied mehr, ob man einen Sohn oder eine Tochter hat, denn Bauern werden dann im Alter vom Staat ernährt. Die Frage des Geburtenüberschusses wird sich so von selbst lösen. Alles in allem: Es ist höchste Zeit, ein allgemeines Rentensystem für Bauern einzurichten. Wenn sich dieser Plan verwirklichen ließe, wie glücklich würden die 900 Millionen Bauern Chinas sein! Und wir alle könnten uns mit ihnen freuen!
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