06-10-2008 Beijing Rundschau
Den dramatischen Wandel mit der Kamera dokumentieren
von Xu Bei

Wie konnten Sie mit den Menschen, die Sie getroffen und fotografiert haben, kommunizieren?

In jeder Stadt und auch in den ländlichen Gebieten hatten wir mindestens eine Dolmetscherin oder einen Dolmetscher für Deutsch. Zu allen entwickelte sich ein Vertrauensverhältnis und ein reibungsloses Miteinander. Alle hatten Verständnis für die vielen neugierigen (Nach-)Fragen, für unseren unendlichen Wissensdurst als Journalisten.

 

Warum haben Sie damals in China Farb- und Schwarzweiß-Filme verwendet?

Martin Kummer: 1976 fotografierte ich mit drei Kameras, damals gab es natürlich noch keine Digitalkameras: eine Kleinbild-Spiegelreflex-Kamera für Farbdias, eine 6x6-Spiegelreflex-Kamera für Schwarzweiß-Fotos, und eine Kleinbild-Kamera für Schwarzweiß-Fotos.

Alle Filme waren hoch lichtempfindlich mit 400 ASA/ISO. 400er Schwarzweiß-Filme waren damals bei Fotoreportern die gebräuchlichsten. Der wichtigste Grund: Die meisten Zeitungen, so auch meine, druckten damals hauptsächlich Schwarzweiß-Seiten. Ich wollte parallel aber auch besonders wichtige Motive in Farbe haben. Meine Foto-Strategie: Motive, die mir besonders wichtig erschienen, mit allen drei Kameras aufnehmen! Also in Schwarzweiß-Kleinbild, Schwarzweiß 6x6 und Kleinbild in Farbe. Alleine hierdurch ergab sich, dass ich wenigstens doppelt so viele Schwarzweiß-Fotos hatte, außerdem habe ich bei oft notwendigen Schnellschüssen eine der beiden Schwarzweiß-Kameras genommen.

 

Haben Sie die Absicht, wieder nach China zu reisen? Wenn ja, in welche Städte?

In der ersten Juli-Woche 2008 - vor den Olympischen Spielen - waren wir in Beijing und haben uns über die Vorbereitungen informiert. Von den Olympia-Bauten bis zur Organisation, von der Umwelt bis zum Verkehr. Und das in direkten Gesprächen mit den Verantwortlichen und mit den Leuten auf der Straße.

2009 wollen wir wieder in die V.R. China, wenn sie ihren 60. Geburtstag feiert: am 1. Oktober 1949 hatte Mao auf dem Tor des Himmlischen Friedens die Volksrepublik ausgerufen. Unsere geplanten Reiseziele sind unter anderem Beijing, Lhasa, Shanghai, Guangzhou und diesmal möglichst viele Städte in Chinas Westen, zum Beispiel Chongqing.

 

China trifft in Europa nicht nur auf wohlwollendes Interesse. China macht den Menschen vor allem Angst. Was glauben Sie, sind die Gründe dafür? Halten Sie diese Ängste für berechtigt?

Die meisten Menschen wissen viel zu wenig von und über China und seine Bewohner, informieren sich nicht gründlich genug oder oft sogar gar nicht. So entstehen schnell Vorurteile. Medien - besonders das Fernsehen - berichten oft zu oberflächlich. Und wenn: dann schon lieber mit schlechten Nachrichten statt mit guten. Im internationalen Journalismus gilt die Devise: Eine schlechte Nachricht ist - für die Medien - eine gute Nachricht: The bad news are good news!

Bei Berichten wird auch immer wieder außer Acht gelassen, dass China 27-mal größer ist als Deutschland und 16-mal mehr Einwohner hat. Das bedeutet: Ein Land dieser Größe hat Probleme ganz anderer Ausmaße zu lösen, vor allem nach den Chaos-Jahren von Maos Kulturrevolution 1966 bis 1976. Zum Beispiel soziale Unterschiede, klimatische Unterschiede, Industrialisierung, Verkehr, Energieverbrauch, Rohstoffbedarf und -verbrauch, Umsetzung von Reformen wie Altersversorgung, Gesundheit, Umweltschutz, Justiz, Hilfe der Städte für die gebeutelten Bauern, Korruption.

Angst vor China ist dann unbegründet, wenn das Riesenreich in der Gemeinschaft der Großen gleichberechtigt seinen festen Platz hat und somit auch eine Mitverantwortung für unsere Erde und ihre Menschen trägt.

 

Als zwei deutsche Journalisten, die in China gewesen sind und China gut kennen, wie kommentieren Sie die deutsche Berichterstattung über China im vergangenen Halbjahr?

Vorwiegend Note 5 bis 6, mangelhaft bis ungenügend. Wir vermissten viel zu oft Sachkenntnis, Grundwissen und Hintergrundwissen, zum Beispiel zur Geschichte dieses bedeutsamen asiatischen Landes. Zeitungs- und TV-Journalisten, die nur vorübergehend aus China berichteten, hatten sich les- und hörbar entweder zu wenig oder nur oberflächlich vorbereitet oder ließen sich von Vorurteilen leiten. Bei deutschen Korrespondentinnen und Korrespondenten in China vermissten wir zu oft den „klugen Kopf", vielfach suchten sie verbissen nur das Negative. Der internationale Journalistenspruch „Eine schlechte Nachricht ist eine gute Nachricht für die Medien" hat sich auch vor, während und nach den Olympischen Sommerspielen 2008 bewahrheitet. Ausnahmen in unserem Mediengewerbe gibt es leider nur wenige.

 

Sind Sie glücklich in Ihrem Beruf? Gibt Ihnen Ihr Beruf Kraft, oder ist er im Gegenteil eher kräftezehrend?

Ja, wir sind glücklich!

Martin Kummer: Seit meinem Volontariat. Er gab und gibt mir Kraft: Zunächst als Lokalredakteur, dann als Nachrichtenredakteur, dann als Ressortleiter, dann als Mitglied von Chefredaktionen (das allein 15 Jahre lang) und heute als freier Journalist, Autor und Fotograf. Triebfeder ist meine ungebrochene journalistische Neugier!

Margarete Kummer: Der Beruf hat mir eigentlich immer Kraft gegeben: Während meiner ganzen Zeit als Kolumnistin der Tageszeitung „Hamburger Morgenpost", als Redakteurin der Tageszeitung „Hamburger Abendblatt" und seit 2007 als freie Journalistin und Autorin. Kräftezehrend? Nur während der Doppelbelastung als Mutter von zwei kleinen Kindern ein wenig.

 

Was ist Ihrer Meinung nach Kommunikation durch Kamera, also die Sprache der Bilder? Gibt es in Ihren Augen einen Unterschied zwischen Kommunikation durch die Kamera und durch die gesprochene Sprache?

Martin Kummer: Ich selbst verstehe die Kamera als ein Dokumentationsmittel, dass die Realitäten nicht verzerrend oder gar verfälschend wiedergibt. Ich will Fotos als Zustandsbericht verstehen, den der Betrachter selbst einordnen kann. Ein unverfälschtes, nicht bearbeitetes Bild kann wahrheitsgemäß mehr sagen als tausend Worte. Eine große Gefahr für Verfälschung sehe ich in unserem Computer-Zeitalter mit seinen immer raffinierteren Bearbeitungsprogrammen. Unsere Foto-Beispiele sollen beweisen: Fotos können Dokumente und Berichterstatter der jeweiligen Zeit sein - man muss nur das Ziel vor Augen haben und dann auch umsetzen.

Aber: Wer will, kann sowohl mit Worten wie auch mit Fotos manipulieren.

 

Mehr darüber:

http://www.maos-reich-china-heute.de/

 

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