06-10-2008 Beijing Rundschau Den dramatischen Wandel mit der Kamera dokumentieren von Xu Bei
1976 war Martin Kummer als akkreditierter Journalist das erste Mal durch China gereist. Genau dreißig Jahre später folgten Martin Kummer und seine Frau den Spuren seiner damaligen Reise durch das fremde Land. Das Ergebnis konnte man vom 8. August bis 28. September in der Fotoausstellung „MAOS REICH UND CHINA HEUTE" besichtigen. Die Beijing Rundschau hat Martin und Margarete Kummer zu China, ihrer Ausstellung und ihren journalistischen Karrieren befragt.
Beijing Rundschau: Woher stammt die Idee zur Ausstellung? Dieses Jahr ist auch das 30-jährige Jubiläum von Chinas Öffnungspolitik. Ist es Absicht oder Zufall, dass Sie die Fotos gerade in diesem Jahr zeigen? Martin und Margarete Kummer: Wir hatten des Thema „MAOS REICH UND CHINA HEUTE" - also die gigantischen Veränderungen innerhalb von 30 Jahren - mit Reportagen und Fotos in Zeitungen publiziert. Der Blick auf die Fotos von damals und heute war verblüffend. Also haben wir uns gesagt: zeigen wir die Bilder mit kurzen erklärenden Texten doch separat in einer Foto-Ausstellung. Bewusst haben wir uns für das Jahr 2008 entschieden: Weil China das 30. Jahr seiner Reform- und Öffnungspolitik feiert. Dazu passte optimal, dass Hamburg im selben Jahr wieder zwei Wochen lang die „China Time 2008 - Hamburg: China ganz nah" mit sehr unterschiedlichen Veranstaltungen und Ausstellungen feiert und in Hamburg auch wieder der „Hamburg Summit: China meets Europe" mit Wirtschaftsexperten und hochkarätigen Politikern aus beiden Ländern stattfindet.
Wieso nennen Sie die Ausstellung „Maos Reich und China Heute"? In welcher Hinsicht sehen Sie das heutige China noch von Maos Zeiten beeinflusst? Wir haben die Ausstellung kurz und prägnant „MAOS REICH UND CHINA HEUTE" genannt, weil sie zwei Gesichter Chinas zeigt: 1.) China zu einer Zeit, da Mao noch lebte (bis zum 9. September 1976) und herrschte. 2.) China heute mit seinen fast revolutionären Veränderungen innerhalb von 30 Jahren. Durch das Festhalten am alleinigen Führungsanspruch der KP Chinas können Maos Ideen und Ziele nicht gänzlich verschwinden. Zum Beispiel die Kollektivierung von Grund und Boden, Beeinflussung und Kontrolle der Medien und Religionen, Steuerung der Bevölkerungspolitik durch Geburtenkontrolle. Einzigartig dabei: Wir haben die beiden Zeiten durch Fotos von genau denselben Orten aus genau denselben Kamerawinkeln vergleichend gegenübergestellt.
Was sind die hauptsächlichen Veränderungen der letzten dreißig Jahre? Welche Veränderungen finden Sie gut? Welche Veränderungen gefallen Ihnen nicht? Die hauptsächlichen Veränderungen: Weg vom Klassenkampf, bedeutsame Schritte in Richtung „freie Marktwirtschaft" mit Entfaltungsmöglichkeiten für den Einzelnen und Unternehmen. Leistung und Streben des Einzelnen lohnen sich und werden honoriert. Profitdenken ist nun gesellschaftsfähig und wird immer seltener verteufelt. Die neuen Konsum-Möglichkeiten erfüllen Wünsche und Träume der Menschen, die früher unerreichbar schienen, zum Beispiel Auto, Mofa und Wohneigentum, auch wenn Grund und Boden kollektiv bleiben. Die Gängelung im Alltag durch die KP Chinas ist immer weniger spürbar. Das alles spiegelt sich auch in den meisten Gesichtern wider: Die Menschen wirken heiterer, gelöster, fröhlicher. Vor allem für die neue Generation ist Mao weit entfernt, fast schon gelöscht. Für sie zählen Gegenwart und Zukunft - vor allem die persönliche, familiäre. Welche Veränderungen wir nicht gut finden: Das starke soziale Gefälle zwischen Ost- und Westchina und zwischen der Stadt- und Landbevölkerung.
Wie viele Besucher gibt es durchschnittlich pro Tag in Ihrer Ausstellung? Haben Sie einen Eindruck, aus welchen sozialen Schichten und aus welchen Berufsgruppen die Besucher kommen? Wie sieht die Reaktion der Besucher aus? Mehr als 150 täglich, manchmal mehr als 200. Sie kommen aus allen Schichten, vor allem aber aus den besser gebildeten. Auffallend: Unter den Besuchern sind viele Hamburg-Touristen - aus Paris und ganz Frankreich, New York, aus Finnland, der Schweiz, Österreich, Großbritannien, Italien, Spanien, Russland, Australien, Dänemark, aus China, aus Chinas Sonderverwaltungszone Hongkong, Macao und aus ganz Deutschland. Etliche waren auch schon geschäftlich oder als Touristen in China oder wollen dorthin. Aus Gesprächen und den Einträgen im Besucherbuch lesen wir Begeisterung über die klare bildliche Darstellung der positiven Veränderungen Chinas. Nur ganz vereinzelt ist Kritik zu hören.
Können Sie uns den jeweiligen Anlass Ihrer Reisen nennen? Martin Kummer: Ende 1975 erfuhr ich, damals 36 Jahre jung, dass der Bundestagsabgeordnete Uwe Ronneburger (FDP) aus Schleswig-Holstein - ein enger Parteifreund des damaligen Außenministers Hans-Dietrich Genscher - mit einer kleinen Gruppe Schleswig-Holsteiner Landtagsabgeordneter in die V.R. China reisen und dort unter anderem politische Informationsgespräche führen würde. Da habe ich sofort beschlossen: Diese Informationsreise in das Land einer schon seit zehn Jahren andauernden Kulturrevolution mache ich mit - selbstverständlich als akkreditierter Journalist. Dieses „Reich der Mitte" wollte ich mit eigenen Augen sehen und persönlich kennenlernen. Der Anlass der Reise war also kurz gesagt meine journalistische Neugierde. 2006 wollte ich dann - diesmal gemeinsam mit meiner Ehefrau und Kollegin Margarete von der Tageszeitung „Hamburger Abendblatt" - mit eigenen Augen das neue, das total veränderte Land und seine Menschen sehen. Auf den Spuren von 1976 wollten wir mit Kameras und Notizblöcken zu genau denselben Orten, zu genau denselben Schauplätzen von damals. Um dort wieder den Menschen zu begegnen, mit ihnen zu sprechen und sie auch zu fotografieren. Ein wohl einzigartiges Unternehmen. Fünf Wochen lang waren wir auf einer 10 000 Kilometer-Route, zurückgelegt mit Flugzeug, Auto, Bahn und Rad. Margarete Kummer: Und kürzlich haben wir auch noch eine dritte Reise unternommen, in der ersten Juli-Woche 2008: wir folgten einer Einladung der Botschaft der V. R. China in Berlin zu den Vorbereitungen der Olympischen Sommerspiele 2008.
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