Aber der Drache unterhält auch ureigene Drachenkinder, deren Geschlecht nicht unterschieden wird: es sind dies genau neun, deren Abbildungen der Leser auf dieser Seite finden kann. Die unterschiedlichen Vorlieben dieser Kinder lassen sie zu Funktionsträgern werden, so sitzt etwa der Chiwen an dem Ende der Firstbalken von Gebäuden, um schlechten Einfluss aufzuzehren, und der Pulao , der es liebt, Lärm zu fabrizieren, macht sich als Krone auf Glocken nützlich. Die restlichen sieben heißen Chaofeng, Qiuniu, Yazi, Bixi, Chilong, Bi'an, Suanni und Fuxi.
Die Neunzahl spukt in vielfältiger Weise in und um den Drachen herum, es ist eine Zahl, die mit dem Kaiser assoziiert wird. Der Name des berühmten Stadtteils Hongkongs auf dem chinesischen Festland, Kowloon heißt, "Neun Drachen", womit in diesem Fall acht Hügel und der Name eines historischen Kaisers gemeint sind.
Drachenwände mit der Darstellung von neun Drachen finden sich vielfach in kaiserlichen Palastanlagen und Parks und sogar auf der Kleidung der Kaiser, wobei eine interessante Vorsichtsmaßnahme eingehalten wurde. Der neunte Drache wurde stets verdeckt getragen, also etwa unter einer Schärpe verborgen.
Vielleicht geschah das in Erinnerung an meine Lieblingsdrachengeschichte. Sie knüpft sich an die Redewendung: 叶公好龙 (yè gōng hào lóng), was so viel heißt wie "Fürst Ye mag Drachen". In der Frühlings- und Herbstperiode (771-481 v.Chr.) lebte im Staate Chu ein Mann namens Ye Zhuliang, auch Zigao genannt. Sein Faible für Drachen war so groß, dass er alle Gegenstände seines umfangreichen Haushalts mit Drachen verzierte: keine Tasse, kein gesticktes Deckchen, kein Wandbehang blieb von dieser Marotte verschont. Als er nun eines Tages bei einer mit einem Drachen verzierten Tasse Drachenquellentees gemütlich auf seinem drachenbeschnitzten Sessel saß, machten sich ein paar Himmelsdrachen auf den Weg zur Erde, denn sie hatten von ihrem begeisterten Verehrer Wind bekommen und wollten sich das Männlein und sein Drachenambiente doch einmal persönlich anschauen.
Als nun der erste Drache freundlich seinen Kopf durch das große Fenster des Zimmers steckte, in dem Ye gerade seinen Tee schlürfte, erschrak dieser fast zu Tode! Vorbei an der Schar der Drachen, die es sich inzwischen im Hof seines Anwesens bequem gemacht hatten, stürmte er schnurstracks in Richtung Tor, dort fand er sein Heil in der Flucht. Die Drachen wunderten sich sehr.
Aber nicht nur die Innenwelt kann einem drachentechnisch über den Kopf wachsen, auch in der Außenwelt lauern Gefahren, wenn es ein Künstler mit dem Naturalismus übertreibt: 画龙点睛 (huà lóng diăn jīng), "Dem Drachen Augen malen". Zur Zeit der Nördlichen und Südlichen Reiche (420-580 n.Chr.) lebte unter dem Kaiser Liang Wu der berühmte Maler Zhang Sengyao. Er erhielt den Auftrag, in Andong in der Provinz Jinling vier Drachen auf eine Tempelwand zu malen. Es wurden wahre Meisterwerke daraus! Die Leute wunderten sich nur, warum der Künstler darauf verzichtet hatte, Pupillen in die Augen der Drachen zu setzen. Zhang antwortete ihnen, dass die Drachen, wenn er ihnen realistische Augen malen würde, davonflögen. Seine Auftraggeber zeigten sich unbeeindruckt von dem, was sie für eine recht prahlerische Rede des Künstlers hielten, und bestanden auf eine Vollendung des Werks. Als er den ersten Drachen vervollständigt hatte, passierte noch nichts. Aber als er gerade mit den Augen des zweiten fertig war, erschütterte ein lauter Donner den Tempel. Ein Blitz schlug ein, Rauchwolken stiegen auf und unter lautem Gedröhn spaltete sich die Wand in zwei Hälften. Die Drachen aus dem geborstenen Teil der Wand befreiten sich aus den Trümmern und flogen zum Himmel auf. Die beiden anderen Drachen ohne Augen aber blieben friedlich als Wandgemälde an ihrem Ort.
Kein Wunder, dass sich die Literatenmaler einem derart überzogenen Realismus verweigerten und in ihrer Kunst nicht länger ein Abbild der Wirklichkeit feiern wollten! Nun war Abstraktion angesagt, und eine Stilrichtung in der Kalligrafie heißt noch heute 龙飞凤舞 (lóngfēi fèngwŭ), "Drachenflug und Phönixtanz", sie gilt als Inbegriff der Eleganz. |