21-11-2008 Beijing Rundschau
Haar ohne Suppe – Beeindruckende Kunstaktion in Caochangdi
von Matthias Mersch 

 

Barbarische Barbie

 

 

Barbiepuppen, deren wesentliches Geschlechtsmerkmal seit fünfzig Jahren überlange Haare sind, weil die Mädchen, die sie besitzen, davon träumen, Pferdepflegerin oder Friseuse zu werden, hatten in Caochangdi teils ihre Köpfe eingebüßt: der Halszapfen, der Wulst, auf dem ihnen sonst die Plastikköpfchen aufgesteckt sind, war hier durch die Schlinge kleiner Zöpfchen in einen Poller verwandelt, an dem der Mädchentraum von Haarpflege und Coiffeur-Handwerk andocken kann ohne den Umweg über das Grinsen des immer gleichen Barbiegesichtes zu nehmen.

 

Andere Barbies durften ihren Kopf aufbehalten und in einem gläsernen Regal posieren. Ungleich ihrer Schwestern aus der Serienproduktion fehlten ihnen die Schamhaare nicht. Haar als Erotikum, die Locken der Geliebten und das zum Zopf geflochtene goldene Haar als Kletterhilfe in das Schlafzimmer. Eine Tänzerin wischte mit ihren Haaren die Fenster der Absteige der Barbie-Clone. Die mochten sich alle im Jahre 2002 für das Casting beworben haben zu jenem Animationsfilm, in dem Rapunzel von Barbie verkörpert wurde, und damit auf märchenhafte Weise die behauptete Geschlechtslosigkeit der Barbie-Welt ad absurdum führte. 

 

Wackeldackel meets Winkekatze

 

Auf dem Schutthaufen eines Hotelzimmers, ich nenne es „Hotel Abgrund“ oder die alte Kaiserstadt Hué, nachdem sie zum Kampfgebiet erklärt worden war, sitzt eine Frau und strickt einen Schal aus Haar. Sie rezitiert Bruchstücke aus dem „Concise CHINESE-ENGLISH Dictionary for Lovers“ des Xiaolu Guo. Der Roman spielt in London und beschreibt die éducation sentimentale einer jungen Chinesin vom Lande. Es ist ein Vademecum für alle, die der Sprachlosigkeit der Liebe aufhelfen wollen im west-östlichen Dialog.

 

Zu ihren Füße eine Winkekatze, Maneki Neko, volkstümliches japanisches Glückssymbol, jetzt auch in China populär, in dieser Ausführung golden, ein Symbol für Reichtum, ihr linker Arm winkt, Zeichen für das Anlocken vieler Menschen. Ihr gegenüber sitzt der gute deutsche Wackeldackel, der seinen Kopf ununterscheidbar in Zustimmung oder Ablehnung oder auch nur im Rhythmus des Windes schüttelt. Das sind zwei, die sich anschmachten, aber ihr Fellhaar ist zu kurz, als dass sich eine Verbindung herstellen ließe. Und so winken sie und wackeln sie, bis sie am Ende der Performance wieder in die dunkle Schachtel des Requisiteurs gesteckt werden und die Reise im Container nach Europa antreten.

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