21-01-2014
Kommentar
50 Jahre chinesisch-französische Beziehungen
von Jiang Shixue

Überlegungen zu einem halben Jahrhundert diplomatischer Beziehungen zwischen China und Frankreich. 

Stadt des Lichts: Teilnehmer betrachten am 13. Juni 2013 in Paris eine Fotopräsentation zum 50. Jahrestag der diplomatischen Beziehungen zwischen China und Frankreich (Gao Jing)

In diesem Jahr werden die offiziellen Beziehungen zwischen China und Frankreich 50 Jahre alt. Am 27. Januar 1964 verkündeten Beijing und Paris den Beginn ihrer diplomatischen Beziehungen. Von einigen wurde dieses Ereignis als „diplomatische Kernexplosion" beschrieben. Es war ein Schock für die internationale Gemeinschaft.

Das gemeinsame Kommuniqué, das die diplomatischen Verbindungen zwischen beiden Ländern begründete, war ungewöhnlich kurz. Es umfasste lediglich 45 chinesische Schriftzeichen, sorgte aber weltweit für heftige Reaktionen.

Kurz nach der Bekanntgabe kommentierte das Time Magazine die internationale Bedeutung des Ereignisses folgendermaßen: „Als Nation schien sich Frankreich im 20. Jahrhundert in Agonie zu befinden… Aber in der vergangenen Woche wurde offensichtlich das Unmögliche wahr, Frankreich hat einmal mehr das Weltgeschehen beeinflusst... Frankreichs Präsident Charles de Gaulle krönte das Wiedererstarken seines Landes mit der Anerkennung des kommunistischen Regimes in China. Er schob Proteste aus Washington, dass sein Vorgehen der amerikanischen Politik in Asien ernsthaften Schaden zufügen würde, beiseite."

Im geopolitischen Kontext der 1960er Jahre war die Entscheidung aus Paris ein Zeichen für De Gaulles scharfsinnige Beurteilung Chinas und festigte sein politisches Vermächtnis als Visionär, der fähig ist, wichtige historische Entwicklungen zu erkennen. Der weitsichtige Politiker erklärte, dass China eine wichtige Rolle bei der Lösung zahlreicher schwerwiegender Probleme für Asien und die Welt spielen würde.

Mehr noch, die unabhängige Außenpolitik, die De Gaulle Frankreich verordnete, war ein wichtiger Faktor für den Aufbau der chinesisch-französischen Beziehungen und die Tatsache, dass sie dem Druck aus den USA standhielten. 1965 erklärte De Gaulle, dass „die USA heute die größte Bedrohung für den Weltfrieden darstellen".

 

Tiefe Freundschaft

Während Frankreichs letztem Präsidentschaftswahlkampf kritisierte der damalige Präsident Nicolas Sarkozy seinen Rivalen Francois Hollande dafür, dass er China noch nie besucht hatte. Hollande erklärte, das bei seiner Wahl so bald wie möglich nachholen zu wollen und hielt dieses Versprechen auch. Im April 2013 absolvierte er erfolgreich seine erste Chinareise. Er war auch das erste westliche Staatsoberhaupt, dass von der neuen Führungsspitze in Beijing empfangen wurde.

Frankreich kann mindestens zwei weitere Premieren in den chinesisch-westlichen Beziehungen für sich beanspruchen - neben der Tatsache, dass es als erstes westliches Land diplomatische Beziehungen mit der Volksrepublik China einging: Der damalige chinesische Botschafter in Paris, Kong Quan,war der erste ausländische Botschafter, den Präsident Hollande nach seiner Wahl im Mai 2013 traf, und Hollande war das erste Staatsoberhaupt aus dem Westen, das Präsident Xi Jinping nach seiner Wahl im März 2013 telefonisch gratulierte. 

Diese Premieren zeigen nicht nur die traditionelle Freundschaft zwischen China und Frankreich sowie die strategische Weitsicht Frankreichs, sondern auch welche Bedeutung Hollande den chinesisch-französischen Beziehungen beimisst sowie die gesunde Entwicklung der gegenwärtigen bilateralen Beziehungen.

 

Unvergessene Rückschläge

Nach der Aufnahme der offiziellen Beziehungen kamen die Beziehungen zwischen beiden Ländern insgesamt allmählich auf den richtigen Weg. In den vergangenen 50 Jahren verliefen sie jedoch nicht immer reibungslos. 1992 beschloss Frankreich, Waffen an Taiwan zu liefern, ein Verstoß gegen Chinas Souveränität und Einmischung in seine inneren Angelegenheiten. China reagierte mit einschneidenden Maßnahmen: Einige wichtige gemeinsame Projekte wurden verworfen, Frankreichs Generalkonsulat in Guangzhou wurde geschlossen, der bilaterale Austausch oberhalb der Ministerebene auf Eis gelegt. Die chinesisch-französische Beziehung wurde durch Frankreichs Fehlverhalten schwer beschädigt.

Erst 1994 normalisierten sich die bilateralen Beziehungen wieder, ein gemeinsames Kommuniqué wurde veröffentlicht. Darin erkannte Frankreich an, dass Taiwain Teil der Volksrepublik China sei, und versprach, keine Waffen mehr in die Region zu verkaufen. In den mehr als zehn Jahren danach machten die Beziehungen schnelle Fortschritte, es kam zu einer fruchtbaren Zusammenarbeit in verschiedenen Bereichen wie Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Kultur.  

Am 1. Juli übernahm Frankreich den EU-Ratsvorsitz. Das hätte eine gute Gelegenheit für Präsident Sarkozy sein können, die Beziehungen zwischen China und Frankreich zu fördern. Stattdessen erpresste er China und erklärte, er würde der Eröffnungszeremonie der Olympischen Spiele nur beiwohnen, wenn der Dialog zwischen der Zentralregierung und den Vertretern des Dali Lamas fruchtbar verlaufen würde. Auch wenn Sarkozy später doch an der Zeremonie teilnahm, traf er sich im Dezember als erster Staatschef, dessen Land den EU-Ratsvorsitz innehat, dennoch mit dem Dalai Lama, der von der chinesischen Regierung beschuldigt wird, Tibet von China loslösen zu wollen.

Sarkozys Verhalten, von China als verantwortungslose Vorgehensweise kritisiert, zog heftige Reaktionen nach sich. Der geplante China-EU-Gipfel wurde verschoben, Chinas damaliger Premier Wen Jiabao ließ bei seiner Europareise Anfang 2009 seinen Frankreichbesuch ausfallen. Bei einem Blick auf die Karte habe er gesehen, dass das Flugzeug um Frankreich herumflog, erzählte Wen später. „Der Grund, aus dem Frankreich von der Reiseroute ausgeschlossen wurde, ist bekannt. Das war nicht Chinas Fehler."

Um die bilateralen Beziehungen wiederherzustellen, gaben China und Frankreich am 1. April 2009 ein gemeinsames Kommuniqué heraus, in dem Frankreich die Bedeutung und Sensibilität des Tibet-Themas anerkannte, seine Anerkennung der Ein-China-Politik und der Position, dass Tibet integraler Bestandteil des chinesischen Territoriums sei, bekräftige und jede Art der Unterstützung für die „tibetische Unabhängigkeit" ablehnte.

Im November 2010 besuchte der damalige Präsident Hu Jintao Frankreich. Nach seinem Treffen mit Sarkozy gaben beide Länder eine gemeinsame Stellungnahme heraus und versprachen, eine neue, reife, stabile und umfassende strategische Partnerschaft aufzubauen, die auf gegenseitigem Vertrauen und Nutzen basieren solle. Die chinesisch-französischen Beziehungen traten damit in eine neue Phase ein.

 

Ein Schub für die chinesisch-europäischen Beziehungen

Trotz dieser Höhen und Tiefen stimmen beide Seiten darin überein, dass es notwendig sei, die bilateralen Beziehungen weiter zu vertiefen. Zu einer Zeit, in der sich die internationalen politischen und wirtschaftlichen Modelle grundlegend verändert haben, ist es für China und Frankreich, beides ständige Mitglieder des UN-Sicherheitsrats, besonders wichtig, gemeinsam mehr Verantwortung für den Erhalt des Weltfriedens und die Förderung der globalen Entwicklung zu übernehmen.

Frankreich hat bleibende Beiträge zur Förderung der chinesisch-europäischen Beziehungen geleistet. Als Vermittler half es 1970 beispielsweise bei der Aufnahme der offiziellen Beziehungen zwischen China und Italien. Es spielte ebenso eine wichtige Rolle bei der Förderung des Aufbaus einer strategischen Partnerschaft zwischen China und Europa im Jahr 2003.

Frankreich hat sich lange dafür engagiert, das europäische Waffenembargo gegen China zu beenden. Als Frankreichs Präsident Jacques Chirac im März 2005 Japan besuchte, erklärte er bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Japans Premier Junichiro Koizumi, dass Chinas Forderung nach einer Aufhebung des Embargos legitim und vernünftig sei.

Die Anstrengungen und Versuche Frankreichs und einiger anderer EU-Länder, ein Ende des Waffenembargos voranzubringen, scheiterten jedoch unter dem Druck der USA.

Sicherlich ist die gegenseitige Unterstützung bei vielen internationalen Angelegenheiten sowohl für China als auch Frankreich von Nutzen. Der enorme Fortschritt in den beidseitigen Beziehungen entspricht dem Prinzip der diplomatischen Diversifizierung beider Länder. Er hilft nicht nur China beim Aufbau der Beziehungen zu anderen westlichen Ländern, sondern begünstigt Frankreichs zunehmende Beziehungen zu weiteren Schwellenländern. Als Frankreich 2010 beispielsweise den Vorsitz der G20 übernahm, suchte Sarkozy aktiv die Unterstützung Chinas. Im August 2011 machte er während seiner Reise nach Neu-Kaledonien einen Blitzbesuch im Reich der Mitte und dinierte mit Präsident Hu. Internationale Medien behaupteten, dass der Besuch im Zusammenhang mit dem anstehenden G20-Gipfel in Frankreich stünde, Paris bräuchte die enge Zusammenarbeit mit China, um für seine Gipfelagenda zu werben. 

 

 Vielversprechende Zukunft

Als große Staaten mit einem starken Unabhängigkeitssinn sind China und Frankreich dem Wohl und dem Glück ihrer Bevölkerung genauso wie den Prinzipien des Multilateralismus und der Multipolarität verpflichtet. Diese Ähnlichkeiten haben zweifelsfrei eine solide politische Basis für den ständigen Fortschritt der bilateralen Beziehungen gelegt.  

Nach den guten und schlechten Erfahrungen der Vergangenheit haben die Staatschefs beider Länder begriffen, wie wichtig eine Verbesserung der beidseitigen Beziehungen ist. Während Hollandes letztem Chinabesuch im April erklärte Präsident Xi, dass beide Seiten Kommunikation und Austausch verstärken, sich respektieren, das gegenseitige Vertrauen vertiefen, ihre Kerninteressen und Bedenken aneinander anpassen und die unabhängige Entscheidung des anderen für einen bestimmten Entwicklungsweg unterstützen sollten.

„Wir freuen uns auf die künftige Entwicklung einer neuen Art der strategischen Partnerschaft", erklärte Xi. „Wir sind bereit, mit Frankreich während dieses Besuchs an der Vertiefung des strategischen und politischen Vertrauens zu arbeiten, die praktische Zusammenarbeit zu fördern, die Koordination und Kooperation bei internationalen und regionalen Angelegenheiten zu verstärken und die neue umfassende strategische Partnerschaft auf einen neuen Höhepunkt hinzuleiten."

Hollande erklärte, dass China und Frankreich als verantwortungsvolle politische Mächte den Dialog und die Koordination bei drängenden globalen Problemen stärken und gemeinsam an der Förderung der Wirtschaftspolitik und der Erhaltung von Weltfrieden und Wohlstand arbeiten sollten.

China und Frankreich befinden sich in verschiedenen Entwicklungsphasen, beide Länder ergänzen sich daher bestens. Beide Seiten haben eine gute Chance, durch die wirtschaftliche Kooperation ein Win-Win-Ergebnis zu erzielen. Frankreich ist zurzeit hinter Deutschland, den Niederlanden und Großbritannien Chinas viertgrößter Handelspartner in der EU. Der bilaterale Handel stieg von 13,4 Milliarden Dollar im Jahr 2003 auf 51 Milliarden Dollar im Jahr 2012. In den ersten drei Quartalen 2013 erreichte er 37,1 Millionen Dollar. Die Direktinvestitionen von beiden Seiten nehmen ebenfalls zu, das eröffnet noch bessere Chancen für künftiges Wachstum und Zusammenarbeit.

 

(Der Autor ist stellvertretender Direktor des Instituts für Europastudien an der Chinesischen Akademie der Sozialwissenschaften.)