15-01-2014
Historische Berichte
Erinnerungen an meine Tage in Frankreich

 

Diese Artikelreihe wurde aus Anlaß der Europareise des Ministerpräsidenten Hua Guo-feng verfaßt. Die Autoren geben von verschiedenen Gesichtspunkten dus einen Rückblick auf die Freundschaft und die Kontakte Chinas mit den jeweiligen Ländern — Die Red.

Obgleich China und Frankreich auf zwei verschiedenen Kontinenten liegen, hat die Freundschaft ihrer Völker sie doch einander näher gebracht. Die Jahrbücher der chinesischfranzösischen Beziehungen sind voll mit Berichten über kulturelle, wirtschaftliche und politische Kontakte zwischen den beiden Ländern und Völkern. Die Genossen Zhou Enlai, Chen Yi, Deng Xiaoping und andere chinesische Partei- und Staatsführer, die in ihrer Jugendzeit nach Frankreich reisten, wurden von europäischen revolutionären Ideen und der französischen revolutionären Tradition inspiriert. Chinesische junge Intellektuelle wurden von Frankreich, damals das Zentrum der europäischen Kultur und Kunst, stark angezogen. Eine große Zahl von Menschen, von Berufsrevolutionären über Wissenschaftler, Techniker, Ärzte bis hin zu Künstlern, besuchte Frankreich oder studierte dort. Darunter Ba Jin (Schriftsteller), Liu Haisu, Xu Beihong und Lin Fengming (Maler) sowie Xian Xinghai (Musiker), die von der französischen Kultur gelernt und zur Schaffung der neuen chinesischen Literatur und Kunst bedeutend beigetragen haben.

Auch ich studierte zwischen 1947 und 1949 in Frankreich. Obgleich inzwischen 30 Jahre verstrichen sind, sind mir viele Erinnerungen an meine französischen Freunde noch gut im Gedächtnis. Kurz nach meiner Ankunft im Winter 1947 trat ich in das Pariser Konservatorium ein, wo ich bei dem damals fast 60-jährigen Professor Noël Gallon Kontrapunkt studierte. Er sagte mir, er hätte mehrere chinesische Studenten unterrichtet, deren Namen er inzwischen jedoch vergessen habe. Er erinnerte sich nur vage an den Namen eines chinesischen Studenten, der ,,im Meer gewaschener Stern" bedeutete. Ich verstand, daß er Genossen Xian Zinghai meinte, den Vorsitzender Mao in einer Inschrift als ,,Musiker des Volkes" gepriesen hatte. Ich erzählte dem Professor, nachdem Genosse Xian nach China zurückgekehrt sei, habe er aktiv an der antijapanischen Bewegung zur Rettung der Nation teilgenommen, viele Werke geschaffen und sei ein wohlbekannter Musiker geworden. Darüber freute sich der Professor sehr. Ich studierte auch bei der Professorin Nadia Boulonger, die viele Studenten hatte, darunter auch einige aus Großbritannien und den USA. Sie war gegenüber den chinesischen Studenten sehr herzlich. Einmal sagte sie mir, ich solle sehr auf die chinesische nationale Musik, besonders die chinesischen Volkslieder, achten und so neue Wege beschreiten. Unter ihrer Anleitung komponierte ich dann die ,,Variations Sur un Theme Forklorique Chinois". Später bildeten viele chinesische Volkslieder die Grundlage für meine Kompositionen.

Anfang 1949 wurde durch die Siegesserie im Befreiungskrieg klar, daß die Gründung des Neuen China unter der Führung des Vorsitzenden Mao und der KP Chinas bevorstand. Die Nachrichten über diese Siege standen oft auf der ersten Seite der Pariser Zeitungen, und diese Nachrichten bewegten die Pariser sehr. Als Chinese war ich natürlich auch sehr aufgeregt. Ich plante für die Abschlußprüfung eine Symphonie über den großen Kampf. Professor Tony Aubin, der mich in dem Konservatorium Komposition lehrte, befand meine Idee für gut und gab mir viele wertvolle Anregungen. Ich nannte diese Symphonie ,,Neues China", und sie wurde nach meiner Rückkehr nach China in Shanghai aufgeführt.

Wenn ich mir meine Tage in Paris in Erinnerung zurückrufe, sehe ich immer wieder meine Lehrer vor Augen. Und ich erinnere mich auch an meine Freunde aus Literatur-und Kunstkreisen. In Paris herrschte ein reges Kulturleben, und ich ging oft in Opern, Konzerte, Kunstausstellungen und auf Abendgesellschaften. Dadurch wurde mein Wissen erheblich bereichert. Mein Freund Zhao Wuji studierte zu jener Zeit Kunst. Durch Verbindung der Charakteristiken der französischen Kunst mit der chinesischen Landschaftsmalerei schuf er viele Ölgemälde mit chinesischem Gepräge. Seine erste Ausstellung im Frühjahr 1949 fand in Paris großen Anklang. Zhao, der heute noch in Paris lebt, ist inzwischen ein weltberühmter Maler.

1960 weilte ich als Mitglied der Jury beim Internationalen Chopin-Klavierwettbewerb in Polen und traf dort die Professorin Nadia Boulonger. Sie hatte immer noch großes Interesse an China und an ihren ehemaligen chinesischen Studenten. Die Darbietung Li Mingqiangs, eines jungen Pianisten aus Shanghai, fand ihren Beifall. ,,Wenn Sie in Frankreich studieren könnten", sagte die Professorin, ,,wäre ich gerne Ihr Lehrer." Dieses Angebot, Ausdruck ihrer freundschaftlichen Gefühle gegenüber dem chinesischen Volk, konnte damals leider nicht angenommen werden, da China und Frankreich noch keine diplomatischen Beziehungen aufgenommen hatten.

Die kulturellen Kontakte zwischen China und Frankreich nahmen erst nach Aufnahme der diplomatischen Beziehungen 1964 zu. Die gegenseitigen Besuche von Kultur- und Kunstensembles verstärkten die kulturellen Kontakte und die Freundschaft zwischen den beiden Ländern. Dieses Jahr kam das Symphonieorchester von Leon als erstes französisches Orchester nach China. Es besuchte u.a. Shanghai und bot den Shanghaier Musikliebhabern viele ausgezeichnete französische Musikstücke dar. Ich freute mich sehr, meinen alten Kommilitonen vom Pariser Konservatorium, Serge Paudo, zu treffen, der heute Dirigent des Leoner Symphonieorchesters ist. Während seines Aufenthalts in Shanghai leitete er das Shanghaier Symphonieorchester bei einer Probe der Symphonie ,,Cesar Franck". Die französischen Musiker spielten bei ihrer Darbietung auch mit den Musikinstrumenten der chinesischen Musiker. Die Künstler beider Länder unterhielten sich und scherzten miteinander, als würden sie sich seit Jahren kennen. Die Gäste brachten ein reiches Repertoire mit, das u.a. Werke von Debussy und Ravel umfaßte, und sie brachten auch die Freundschaft des französischen Volkes mit. Der Harfenspieler des Leoner Symphonieorchesters steht jetzt mit dem Harfenlehrer des Shanghaier Konservatoriums in Briefwechsel, und sie haben sich gegenseitig Noten geschenkt und Ideen und Erfahrungen ausgetauscht.

Ich möchte meine Erinnerungen mit. der Hoffnung verbinden, daß sich die Freundschaft zwischen den chinesischen und. den französischen Kultur- und Kunstkreisen mit der Entwicklung der Beziehungen beider Länder weiter entwickeln wird. Ich wünsche, daß die Blume dieser Freundschaft immer herrlicher blüht.(Quelle. Beijing Rundschau, Nr. 41, 1979)

 

Der Autor, ein berühmter Komponist, ist heute stellvertretender Rektor des Shanghaier Konservatoriums und Vizepräsident der Sektion Shanghai des Chinesischen Musikerverbandes.