15-01-2014
Historische Berichte
Frankreich unter Beschuß

Frankreich setzt seine Kernwaffentests in Französisch-Polynesien fort. Obwohl es versprochen hat, diejenigen, die für die Versenkung des Greenpeace-Schiffes ,,Rainbow Warrior" verantwortlich sind, zu bestrafen, behauptet es, daß der Vorfall einen komplizierten Hintergrund habe.

Neben der Lossprechung des französischen Geheimdienstes, die DGSE (Direction Generale de la Securité Extérieure), von dem Bombenattentat gegen das AntiAtom-Schiff ,,Rainbow Warrior" teilte die französische Regierung am 27. August mit, daß sie keine Verletzung ihrer Interessen im Pazifik dulden werde. Präsident François Mitterrands Reise in das Atomwaffentestgebiet Mururoa Atoll am 13. September sollte die Entschlossenheit Frankreichs, seine strategische Position zu verteidigen und die Tests fortzusetzen, unterstreichen.

Auf der Jahressitzung des Südpazifik-Forums am 7. August wurde ein Vertrag, in dem der Südpazifik zur kernwaffenfreien Zone erklärt wird, unterzeichnet. Der Vertrag verbietet jeden Kernwaffentest in dieser Gegend, einschließlich Französisch-Polynesiens. Um eine Genehmigung des Vertrages zu erhalten, werden Beamte aus Neuseeland und Australien in den nächsten Monaten nach London, Paris und Washington geschickt werden. Aus dem Elysée-Palast scheint keine Antwort zu kommen, bevor die Gesandten dort eintreffen.

Die Kernwaffentests im Pazifik sind in den letzten Jahren Hauptstreitpunkt zwischen Frankreich und den pazifischen Ländern geworden. Paris verlegte in den späten 60er Jahren sein Testgebiet von der Sahara nach Französisch-Polynesien. Seit 1975 wurden auf dem Mururoa Atoll ungefähr 70 unterirdische Tests durchgeführt. Alle bisherigen Regierungen verfolgten konsequent eine Politik der Entwicklung der Nuklearstreitkräfte. Trotz wirtschaftlicher Schwierigkeiten erhöhte die sozialistische Regierung Mitterrand die Ausgaben für die Nuklearstreitkräfte jährlich, seit er 1981 an die Macht kam. Nach über 20jährigen Bemühungen ist Frankreich die dritte nukleare Großmacht mit einer unabhängigen Nuklearmacht von kombinierten strategischen und taktischen Kernwaffen geworden.

Was die Abrüstung betrifft, will Frankreich die Möglichkeit, eines Tages an den Genfer Verhandlungen teilzunehmen, nicht ausschließen. Aber es fordert, daß die USA und die Sowjetunion als erste die Entwicklung ihrer Atomwaffen einschränken und die Kluft zwischen den Supermächten und Frankreich verengern. Sonst werde es Frankreich ablehnen, auch nur einen Zoll von seiner selbständigen Position der nuklearen Abschreckungsmittel abzuweichen. Auf die Forderungen der pazifischen Länder, Kernwaffenversuche in dieser Gegend zu verbieten, hat Frankreich nicht reagiert. Nach der Affäre ,,Rainbow Warrior" ordnete Mitterrand sogar an, daß die französische Marine, wenn nötig, Waffengewalt anwenden sollte, um Protestierende vom Eindringen in die 12-Meilen-Zone um Mururoa abzuhalten.

Mitterrand nahm an der Gründung des französischen Koordinationskomitees für den Südpazifik, dem französische Botschafter in den pazifischen Staaten sowie zivile und militärische Vertreter angehören, teil. Das neue Komitee ist ein weiteres Indiz, daßFrankreich nicht gewillt ist, die Kernwaffentests in dieser Gegend zu beenden.

Die Umweltschutzgruppe Greenpeace und andere ökologische Gruppen vertreten die Ansicht, daß die umgebende See eindringt. Die Tests auf Mururoa die Grundstruktur der Insel erschüttert haben und die nukleare Strahlung langsam in die umgehende See eindringt. Die ,,Rainbow Warrior", das Flagschiff von Greenpeace, sollte eine Flotte von Protestschiffen in das Seegebiet um Mururoa anführen. Es wurde jedoch am 10. Juli in die Luft gesprengt, als es im Hafen von Auckland, Neuseeland, vor Anker lag. Ein Besatzungsmitglied, ein Photograph, kam bei der Explosion ums Leben. Die neuseeländische Polizei entdeckte ein Beiboot und einen Sauerstofftank in der Nähe des Tatorts, beide mit französischen Registriernummern. Ein französisches Paar, das schweizerische Reisepässe bei sich hatte, wurde verhaftet.

Nach Ansicht von Neuseeland wurde der Anschlag von französischen Agenten ausgeführt. Wellington meinte, daß diese Affäre die Souveränität Neuseelands verletzt habe, und forderte eine Entschuldigung Frankreichs. Nach einer offiziellen Untersuchung sprach die französische Regierung die DGSE und Frankreich von jeder Schuld für den Anschlag auf die ,,Rainbow Warrior" frei, gestand jedoch zu, daß französische Agenten in die Gegend geschickt worden waren, um die Aktionen von Greenpeace zu kontrollieren. In einer Erklärung forderte der französche Ministerpräsident Laurent Fabius die neuseeländischen Behörden auf, die französischen Justizbehörden über alle Beweise, die mit der Bombardierung zu tun haben, zu informieren. Wenn der Anschlag von französischen Staatsbürgern unternommen worden sei, hieß es, werde die französische Regierung die Schuldigen gemäß den französischen Gesetzen bestrafen. Damit wurde der Nachweis, daß französische Geheimagenten den Anschlag ausführten, Neuseeland aufgebürdet.

Paris ist der Ansicht, daß die Affäre ,,Rainbow Warrior" einen komplizierten Hintergrund hat. Er ziele darauf ab, Frankreich aus dem Pazifik zu verjagen, meinte Paris. Fabius sagte: ,,Als Nuklearmacht und friedliebendes Land muß Frankreich die Interessen, die es in diesem Gebiet zu haben glaubt, verteidigen. Es gibt jedoch Aktivitäten, die gegen diese Interessen zielen." Die Interessen, sagte Fabius, schlössen nachrichtendienstliche Tätigkeiten im Ausland, die auf die Verteidigung der französischen Interessen abzielten, ein. (Quelle: Beijing Rundschau, Nr. 38, 1985)