03-01-2014
Tagungsthemen
Essen für die Zukunft: Neue Herausforderungen bei der Gewährleistung der Nahrungsmittelsicherheit

Lebensmittelwächter: Quarantänebeamte entnehmen im Hafen von Rizhao in der ostchinesischen Provinz Shandong Proben von importierten Sojabohnen für Sicherheitsüberprüfungen (Fan Changguo)

Bei der jährlichen zentralen wirtschaftlichen Arbeitskonferenz (CEWC), die vom 10 bis 13. Dezember in Beijing stattfand, hat Chinas politische Führung Pläne für die wirtschaftliche Arbeit im Jahr 2014 aufgezeigt. Die nationale Nahrungsmittelsicherheit erhielt dabei oberste Priorität.

"Das Land leidet unter dem doppelten Druck schrumpfender  Anbauflächen und wachsender Lebensmittelimporte. Die Formulierung einer Strategie zur Nahrungsmittelsicherheit ist entscheidend", erklärte Dang Guoying, Direktor des Büros für Makroökonomische Forschung an der Chinesischen Akademie der Sozialwissenschaften (CASS).

In einer nach Abschluss der Konferenz herausgegebenen Stellungnahme hieß es, dass eine nationale Strategie zur Nahrungsmittelsicherheit, die auf starken heimischen Ressourcen und moderaten Importen basiert, befolgt werden sollte. Eine solche Strategie werde Chinas Produktionskapazität sicherstellen sowie Wissenschaft und Technologie unterstützen, hieß es in dem Dokument. Das Land müsse sich außerdem sowohl auf Quantität als auch Qualität der landwirtschaftlichen Produkte, die Sicherheit der Nahrungsmittel, die Überwachung der Produktion sowie auf den gesamten Verkaufsprozess konzentrieren.

"Zu gewährleisten, dass es genügend Angebote an sicheren und nahrhaften Lebensmitteln gibt, ist ein wichtiger Teil unserer Sicherheitsstrategie", erklärte Li Wei, Direktor des Forschungs- und Entwicklungszentrums am Staatsrat, dem chinesischen Kabinett.

Die drei wichtigsten Themen im Hinblick auf die wirtschaftliche Sicherheit in der heutigen Welt seien Nahrung, Energie und Finanzen. "Die neue nationale Strategie zur Nahrungsmittelsicherheit der CEWC ist eine zeitgemäße Antwort auf diese internationale Entwicklung", so Li.

 

Heimische Ressourcen

Starke heimische Ressourcen sind von Chinas politischer Führung immer als die beste Garantie für Nahrungsmittelsicherheit hervorgehoben worden. Die diesjährige zentrale wirtschaftliche Arbeitskonferenz bekräftigte diesen Grundsatz, spezifizierte aber erstmalig, dass China eine grundlegende Selbstversorgung mit wichtigen Getreidesorten erzielen und gleichzeitig die erforderliche Qualität und Quantität der Lebensmittel gewährleisten sollte.

Dem mittel- und langfristigen Plan für nationale Nahrungsmittelsicherheit zufolge (2008 – 2020), der 2008 herausgegeben wurde, sollte China nach einer Selbstversorgungsrate von 95 Prozent streben.

2013 belief sich Chinas Getreideproduktion auf 601,94 Millionen Tonnen, 2,1 Prozent mehr als 2012. Das war gleichzeitig der zehnte jährliche Produktionsanstieg in Folge, so Angaben des Staatlichen Statistikbüros vom letzten November.

"Mit steigenden Lebensmittelimporten hat sich die Hoffnung auf mehr Sicherheit durch steigende Getreideerträge zerschlagen", erklärte Zhang Yuanhong, Forscher am Institut für ländliche Entwicklung an der CASS.

Das Hauptzollamt berichtete, dass Chinas Nettoimporte von Weizen, Reis und Mais 2012 bei 19 Millionen Tonnen lagen, mehr als in den ersten sieben Monaten des letzten Jahres, damals waren es 11,43 Millionen Tonnen. 2013 wird China wahrscheinlich Ägypten als weltgrößten Weizenimporteur ablösen. Das Nationale Informationszentrum für Getreide und Öle prognostiziert Gesamtimporte von 6,5 Millionen Tonnen für das vergangene Jahr. Zum Vergleich: 2012 waren es 3,68 Millionen Tonnen.

"Der geforderte Wert von 95 Prozent für die Selbstversorgung mit Nahrungsmitteln ist nicht erreicht worden", warnt Zhang. 2012 importierte China rund 12 Prozent der konsumierten Lebensmittel, fügte er hinzu.

Zhang glaubt, dass vor allem der schnell zunehmende Sojabohnenimport zum Anstieg der Lebensmittelimporte beigetragen hat.

Einem Bericht der Nachrichtenagentur Xinhua zufolge unterzeichnete China zwischen September 2013 und August 2014 Verträge über den Import von über 25 Millionen Tonnen Sojabohnen aus den USA. Bis Ende des vergangenen Jahres waren bereits 12 Millionen Tonnen nach China geliefert worden.

"Die neue Idee der diesjährigen CEWC liefert eine Antwort auf den Druck durch steigende Lebensmittelimporte, vor allem Importe von Sojabohnen", erklärte Hong Tao, Professor an der School of Economics an der Beijing Technology and Business University.

Tao zufolge handelt es sich bei der Nahrungsmittelsicherheit um ein übergreifendes Konzept, es umfasst die sichere Versorgung mit Getreide, Bohnen und Knollenfrüchten. "Getreide schließt Reis, Weizen und Mais ein, während 'Reserven' sich hauptsächlich auf Reis und Weizen beziehen. Laut Definition der CEWC reicht es aus, die Selbstversorgung von Reis, Weizen und Mais aufrechtzuerhalten", so Hong.

Auch Zheng Fengtian, Professor an der School of Agricultural Economics and Rural Development an der Renmin University of China, begrüßt die Entscheidungen der CEWC. "Dadurch wird die Definition der Nahrungsmittelsicherheit exakter und wissenschaftlicher", erklärte er. Der Ausschluss von Sojabohnen aus der 95-prozentigen Selbstversorgungsquote lasse der Regierung mehr Spielraum, sich auf die Selbstversorgung mit wichtigen Getreidesorten zu konzentrieren.   

Han Jun, stellvertretender Direktor des Entwicklungs- und Forschungszentrums im Staatsrat, schlägt vor, dass die Zentralregierung bei ihren Zielvorgaben zwischen Reservevorräten und dem gesamten Nahrungsmittelangebot unterscheiden solle.

"Sichere Reserven sollten ein Kernziel sein, um eine 100-prozentige Selbstversorgung mit Reis und Weizen sicherzustellen, während die Selbstversorgungsquote für Getreide insgesamt bei über 90 Prozent liegen sollte", erklärte Han. "Ziel ist es, die allgemeine Lebensmittelselbstversorgungsquote bei über 80 Prozent zu halten."

Chinas nationale Nahrungsmittelsicherheit könne gewährleistet werden, solange es seine Selbstversorgung mit Reserven auf über 95 Prozent, bei Öl auf 65 Prozent und bei Sojabohnen auf 30 Prozent halten könne, meint Hong.

Um eine stabile Getreideproduktion aufrechtzuerhalten, hat Chinas Regierung das Ziel ausgegeben, mindestens 120 Millionen Hektar Ackerland zu erhalten, das entspricht  rund 13 Prozent der Gesamtfläche des Landes.

Offiziellen Angaben zufolge ist Chinas landwirtschaftliche Anbaufläche jedoch auf 121 Millionen Hektar geschrumpft, d.h. die Pro-Kopf-Verfügbarkeit von Ackerland beträgt weniger als 0,1 Hektar.

UN-Standards zufolge kann man von einer Krise sprechen, wenn die Pro-Kopf-Verfügbarkeit auf unter 0,05 Hektar sinkt. Zurzeit liegen die Messwerte in mehr als 600 von insgesamt 2000 Landkreisen in China unter diesem Wert.

"Wir können auf keine weiteren Flächen mehr verzichten", sagt Zhang Xiaoshan, Forscher am Institut für ländliche Entwicklung an der CASS.

 

Nachhaltigkeit

Angesichts dieser harten Realität forderte die diesjährige CEWC eine weitere Steigerung der Agrarproduktion. Dies soll auf nachhaltige Weise, d.h. durch einen veränderten Entwicklungsmodus erfolgen. Dazu will man den Schwerpunkt auf einen verbesserten Aufbau der die landwirtschaftiche Infrastruktur und eine schnellere Entwicklung der für die Landwirtschaft nutzbaren Wissenschaften legen.

In der Vergangenheit betrachtete die Regierung die Steigerung der Getreideerträge als Mittel der Wahl zur Erreichung der angestrebten Nahrungsmittelsicherheit. Dies ist jedoch keine nachhaltige Methode. Ein großer Teil der Anbauflächen für verschiedene Ackerpflanzen hat bereits die maximalen Ertragswerte erzielt, heißt es in einer Studie, die von der Chinesischen Akademie der Agrarwissenschaften im vergangenen September 2012 herausgegeben wurde.

"Der exzessive Einsatz von Pestiziden und Düngemitteln führte zu vielen chronischen Problemen wie Land- und Wasserverschmutzung ", erklärte Li Guixiang, stellvertretender Direktor des Instituts für ländliche Entwicklung an der CASS.

Nach einem Bericht der Nachrichtenagentur Xinhua liegt der durchschnittliche Gebrauch von Düngemitteln in der landwirtschaftlichen Produktion in China bei 480 Kilo pro Hektar, 4,1 mal so viel wie im weltweiten Durchschnitt, der aktuelle Nutzwert beträgt aber nur 30 Prozent. Der exzessive Gebrauch von Düngemitteln belastet die Böden.

"Um dieses Problem zu lösen, müssen wir uns von überholten Entwicklungskonzepten befreien und uns sowohl auf Qualität als auch Quantität der Getreideproduktion konzentrieren", erklärte Li.

Xu Xiaoqing, Wissenschaftler an der Forschungsabteilung für Landwirtschaft am Entwicklungs- und Forschungszentrum des Staatsrats, erklärte, dass man die landwirtschaftliche Entwicklung verändern wolle, um moderne Techniken und eine maschinelle Produktion zu integrieren und den Nutzwert von Agrarrohstoffen zu verbessern.

Laut Statistik der Chinesischen Akademie der Wissenschaften besitzt China mehr als 267 Hektar Ackerland mit mittleren und niedrigen Erträgen sowie 667.000 Hektar salzhaltige Böden.

Mit hinreichend modernen Anbaumethoden könnte dieses Land angemessen genutzt werden, erklärte Xu.

Er schlug außerdem vor, die Verwertungsquote von Wasser und Düngemitteln durch die Entwicklung entsprechender Technologien zu verbessern. "Es gibt eine Menge Potenzial, denn die 50-prozentige Nutzungsquote für Wasser in Chinas Agrarproduktion ist sehr viel niedriger als der Durchschnitt von 70 Prozent in den Industrieländern", so Xu.

Angetrieben durch die schnelle Industrialisierung und Urbanisierung ist Chinas Landwirtschaft in eine neue Ära eingetreten und steht vor zahlreichen Problemen, einschließlich höherer Produktionskosten und steigender Nachfrage, so Li, Direktor des Instituts für ländliche Entwicklung an der CASS. "Unter solchen Bedingungen sollte man familienbetriebenen Höfen dabei helfen, zu intensiv wirtschaftenden, spezialisierten Agrarbetrieben großen Maßstabs zu werden", erklärte er. 

Im November letzten Jahres hat die Zentralregierung nach Angaben des Finanzministeriums 805 Millionen Yuan zur Förderung der Industrialisierung der Landwirtschaft verteilt. Die Investitionen zielen darauf ab, neue landwirtschaftliche Managementsysteme und die Industrialisierung wettbewerbsfähiger Produkte zu unterstützen, hieß es aus dem Ministerium.

Unterdessen hob Cheng Biding, stellvertretender Direktor der Regionalen Wirtschaftsvereinigung Chinas, die Verschwendung durch schlechtes Management hervor.

Nach einer Umfrage der Staatlichen Getreideverwaltung aus dem Jahr 2011 verloren chinesische Bauern 8 Prozent ihrer Ernten aufgrund schlechter Lagerung. Das entspricht 200 Millionen Tonnen pro Jahr oder dem Ertag von 4,11 Millionen Hektar Land.

Um dieses Problem zu lösen, erforscht China neue Methoden wie die Einrichtung von "Getreidebanken". Das sind riesige moderne Silos, die den Bauern bei der Lagerung helfen sollen.

"Wir können die Nahrungsmittelsicherheit nur garantieren, wenn wir unsere Ernten bei jedem Produktionsschritt, d.h. Verarbeitung, Transport und Lagerung, erfolgreich managen", erklärte Cheng.