24-12-2013
"Der Chinesische Traum" im Dialog mit der Welt
"Der chinesische Traum" im Dialog mit der Welt
von Zhou Xiaoyan

 Experten trafen sich zum Internationalen Dialog, um über die Bedeutung des chinesischen Traums zu diskutieren. 

Cai Mingzhao, Direktor des Presseamts des Staatsrats

Mustafa Noyan Rona, ein Türke, der seit 30 Jahren in China lebt, hat all seine Träume hier verwirklicht. Seine Träume unterscheiden sich nicht sehr von denen anderer Leute – eine gute Universität besuchen, einen Masterabschluss schaffen und einen guten Job finden.

Im September 1978 begann Rona ein Chinesisch-Studium an der Ankara-Universität in der Türkei. 1982 schloss er sein Studium mit hervorragenden Noten ab und bekam ein Stipendium, um in China zu studieren. Im darauffolgenden Jahr begann er ein Geschichtsstudium an der Wuhan-Universität und schloss es mit einem Master ab. Danach arbeitete Rona viele Jahre als türkischer Botschafter in China, bevor er 1999 Generalbevollmächtigter des Shanghaier Büros der Turkish Garanti Bank wurde.

„Der chinesische Traum ist sowohl ein Traum für die Nation als auch für das Individuum. Für das Land symbolisiert er ein starkes Bedürfnis nach Entwicklung, Verbesserung, Wohlstand und Frieden; für das Individuum bedeutet er Glück, Gesundheit und Wohlstand. Er ist der Motor für die Entwicklung des Landes sowie für das persönliche Streben nach einem besseren Leben", sagte Rona beim „Internationalen Dialog über den chinesischen Traum", der vom 7. bis 8. Dezember in Shanghai stattfand.

Das Seminar konzentrierte sich auf den chinesischen Traum und seine Bedeutung für Chinas Streben nach internationaler Anerkennung und friedlicher Entwicklung. Fast 100 chinesische und ausländische Regierungsbeamte, Experten und Wissenschaftler besuchten die Veranstaltung.

Cai Mingzhao, Direktor des Presseamts des Staatsrats, hielt eine Grundsatzrede, in der er über die starke Anziehungskraft des chinesischen Traums sprach. Seiner Meinung nach beruht sie darauf, die Wünsche von Hunderten von Millionen von Chinesen zu repräsentieren.

„Präsident Xi Jinping hat mit der Forcierung des chinesischen Traums ein neues Kapitel für China aufgeschlagen. Damit inspiriert er die Chinesen, für ein schönes und besseres Leben und ein Wiederaufleben der Nation zu kämpfen", meint Cai.

Xi äußerte erstmals im November 2012 die Idee des „chinesischen Traums", kurz nach Abschluss des 18. Parteitages der KP Chinas. Seitdem ist der Begriff zu einem Schlagwort im In- und Ausland geworden.

„Der chinesische Traum ist deshalb so anziehend, weil die Menschen zuversichtlich sind, dass er wahr werden wird. Die Menschen sind deshalb so zuversichtlich, weil sie einen Weg gefunden haben, der zum Erfolg führt. Der Weg lautet Sozialismus mit chinesischer Prägung. Er beruht auf unserer Erfahrung der letzten dreißig Jahre seit der Reform und Öffnung, auf unserer Erfahrung in den mehr als 60 Jahren seit der Gründung der Volksrepublik sowie den mehr als 170 Jahren seit dem Opiumkrieg in 1840 und der 5000 Jahre alten Geschichte Chinas. Der Weg basiert sowohl auf historischen als auch gegenwärtigen Realitäten", so Cai.

„In den letzten 35 Jahren haben wir auf diesem Weg die Reform- und Öffnungspolitik umgesetzt. Während dieser Zeit hat sich Chinas BPI um das 142-fache und das Einkommen der Stadtbewohner um das 71-fache gesteigert. Der Lebensstandard hat sich drastisch verbessert genau wie die nationalen Streitkräfte. Jetzt sind wir unserem Traum näher als je zuvor", meint Cai.

Definition des Traums

Xi Jinping sprach auf der Abschlussfeier der ersten Sitzung des 12. National Volkskongresses im März 2013 vom „chinesischen Traum". Seitdem hat er zu verschiedenen Anlässen diesen Begriff fallen lassen.

Er betonte, wie wichtig der chinesische Traum für das Wiederaufleben des Riesenreiches sei. Er repräsentiere das Streben nach Wohlstand und Erfolg, das Wiederaufleben der Nation und Zufriedenheit für die Menschen. Nur wenn es dem Land gut gehe, könne es der Nation und den Menschen gut gehen.

„Der chinesische Traum ist letztendlich der Traum der Menschen", so Xi. Er bedeutet bessere Bildung, sichere Arbeit, höheres Einkommen, mehr soziale Sicherheit, bessere Gesundheitsversorgung, verbesserte Wohnbedingungen und eine bessere Umwelt für die Menschen. Er soll unseren Kindern eine bessere Zukunft bieten, damit sie glücklich aufwachsen und später gute Jobs haben können.

Xi betonte weiterhin, dass der chinesische Traum auch ein Traum für Frieden, Entwicklung, Kooperation und gegenseitige Unterstützung sei. Er soll also nicht nur den Chinesen Vorteile bringen, sondern allen Menschen in der Welt.

Für Fang Ning, Direktor am Institut für Politikwissenschaften an der Chinesischen Akademie der Sozialwissenschaften, sind der chinesische und der amerikanische Traum vergleichbar, da beide die Beziehung zwischen Individuum und Gesellschaft beschreiben würden.

„Im Prozess der Industrialisierung stößt jedes Land auf viele Probleme, inklusive sozialer Mobilität, plötzlichem Reichtum und Identität im Wandel. So ist es nicht verwunderlich, dass die Regierung einen kollektiven Wunsch befürwortet, um die Menschen zu inspirieren, für ihre eigenen Ideale und Wünsche zu kämpfen. Dadurch wird nationaler Fortschritt erzielt. Das ist der Traum jedes Landes – und das gilt auch für den chinesischen Traum", erklärte Fang gegenüber der Beijing Rundschau.

„Der wichtigste Aspekt des chinesischen Traums ist sein individueller Ansatz beim Streben nach Reichtum und Erfolg. Das schnelle Wachstum in den letzten Jahren konnte nur erzielt werden, weil jeder Einzelne an ein gemeinsames Ideal glaubte – den chinesischen Traum."

Die Chinesen sollten nicht nur in allgemeinen Worten davon sprechen, sondern das Konzept in detailliert erklären, um leere Phrasen zu vermeiden, meint Robert Lawrence Kuhn, Vorsitzender der Kuhn-Stiftung. Kuhn ist Autor des Buches „Wie chinesische Führer denken" und schrieb eine Biografie über den chinesischen Präsidenten Jiang Zemin.

Robert Lawrence Kuhn, Vorsitzender der Kuhn-Stiftung und Autor des Buches „Wie chinesische Führer denken"

Kuhn empfiehlt, den chinesischen Traum in fünf Kategorien einzuteilen – der kollektive nationale Traum der chinesischen Nation; persönliche und individuelle Träume; der historische chinesische Traum (wie der chinesische Traum sich über die Jahre verändert hat); der globale chinesische Traum (wie der chinesische Traum andere Länder beeinflusst); der antithetische chinesische Traum (die Problemzonen bei der Verwirklichung des Traums).

„Mit Chinas Wachstum werden mehr Güter importiert und mehr Arbeitsplätze geschaffen. Deshalb ist es so gut wie unausweichlich, dass der Chinesische Traum zu globaler Prosperität führen wird", so Kuhn. „Einige jedoch sind besorgt, dass je näher die Erfüllung des Traums rückt, China seinen Traum umso mehr auch anderen Nationen auferlegen wird."

„Auch wenn chinesische Führer wiederholt behauptet haben, dass China niemals eine Hegemonie anstreben würde, egal wie stark das Reich wird, so sind doch viele besorgt", sagt Kuhn.

Kuhn ist der Ansicht, dass die Lösung für dieses Dilemma darin bestehe, andere wissen zu lassen, dass internationale Probleme nur gegen die Verwirklichung des chinesischen Traums wirken könnten. „Unsere heutige Welt ist dermaßen globalisiert, dass China seinen Traum ohne internationale Befürwortung kaum realisieren könnte."

China müsse große Veränderungen in seiner Organisations- und Verwaltungsstruktur vornehmen, meint Martin Jacques, Senior Fellow der London School of Economics and Political Science.

Jacques erwartet jedoch nicht, dass China den Westen nachahmt. „Der chinesische Staat war schon immer anders als ein westlicher Staat. Aber ich erwarte, dass im Bereich Informationsveröffentlichung, Repräsentation und Verantwortung eine Veränderung stattfindet."

„Der chinesische Traum beschränkt sich nicht nur auf China allein. Er spielt eine Rolle für Chinas Transformation als Entwicklungsland und nicht zuletzt für die Transformation der Welt", so Jacques.

Durch das Wiederaufleben der Nation würde der chinesische Traum der ganzen Welt Nutzen bringen; Chinas Erfahrungen könnten anderen Ländern als Vorbild dienen und dabei helfen, Beziehungen zwischen Ländern zu etablieren, die beiden Seiten nutzen.

„Der chinesische Traum wird die globale Landschaft verändern, die in den letzten 200 Jahren der Industrialisierung vor allem von westlichen Ländern geformt wurde", so Jacques.

Die Verwirklichung des Traums geht mit der Bildung einer neuen globalen Landschaft einher, die durch internationale Regeln und Erfahrungen von Entwicklungs- sowie Schwellenländer bestimmt wird, meint Jacques.

Zhou Mingwei, Präsident der China International Publishing Group, erklärte, dass die Auseinandersetzung mit dem chinesischen Traum eine gute Gelegenheit biete, das Land besser kennen zu lernen. Der chinesische Traum sorge außerdem für Gesprächsstoff zwischen China und anderen Ländern.

„Unterschiedliche Menschen haben ein unterschiedliches Verständnis vom chinesischen Traum. Trotz dieser Differenzen wird China niemals seinen Dialog mit der Welt verändern, niemals seine Vorsätze zur Verwirklichung des Traums ändern und niemals seine außenpolitischen Strategien im Hinblick auf Frieden, Harmonie, Kooperation und wechselseitig profitablen Beziehungen verändern", so Zhou.

 

Verwirklichung des Traums

Kenneth Lieberthal, leitender Wissenschaftler an der Brookings Institution, erklärte, dass die Beschlüsse von der 3. Plenarsitzung des 18. ZK der KPC insgesamt sechs Bereiche abdecken: die Schere zwischen Stadt und Land verkleinern; Umweltprobleme lösen; Chinas Entwicklungsmodell verändern, um den Konsum zu steigern und eine innovative und effiziente Wirtschaft aufzubauen; die Regierungseffizienz steigern, damit notwendige Maßnahmen zur Bekämpfung von sozialen Problemen (wie z.B. die Alterung der Gesellschaft) durchgesetzt werden können; staatliche Intervention auf das Marktgeschehen einschränken; inländische soziale Stabilität fördern.

China sollte mehr leitende Gruppen zur Vertiefung der Reform einrichten und potenzielle Innovationen von Einzelpersonen fördern, um den chinesischen Traum zu verwirklichen, meint Zhang Xiaoshan, Professor am Institut für ländliche Entwicklung der Chinesischen Akademie der Sozialwissenschaften.

„Der chinesische Traum ist ein kontinuierlicher Prozess. So sind z.B. die Veränderungen in den letzten 30 Jahren ein Teil davon. Die Verwirklichung des Traums kann in viele Phasen eingeteilt werden. Der chinesische Traum sollte nie enden und als Impuls für die Entwicklung der Zukunft dienen."

„Für das Individuum gilt das gleiche. Sogar mit 80 oder 90 Jahren kann man Träume haben", erzählt Rona der Beijing Rundschau. „Einer meiner jetzigen Träume wäre z.B. die Mitgliedschaft im Shanghaier Komitee der Politischen Konsultativkonferenz des Chinesischen Volks. Außerdem hoffe ich, dass Chinas Finanzmarkt für ausländisches Kapital und ausländische Banken weiter geöffnet werden wird."