11-08-2013
BR-Berichte
Mehr Marktorientierung: Reformen im Schienengüterverkehr
von Lan Xinzhen

Besserer Service und niedrigere Preise in einer der letzten Monopol-Industrien Chinas

 

Mehr Waren liefern: Arbeiter beladen am Bahnhof von Xinyang in der Provinz Heinan einen Güterwaggon. Die Reformen in Chinas Schienengüterverkehr sollen für einen bequemeren Frachtservice und niedrigere Preise sorgen.  Xiao Yijiu

Am 26. Juni um 16 Uhr fuhr der Güterzug Nr. 82410 vom Bahnhof Dahongmen in Beijing in Richtung Chengdu (Provinz Sichuan) ab. Es war eine besondere Fahrt, denn es war der erste Frachtzug der Beijinger Eisenbahndirektion im Anschluss an die Reform des Schienengüterverkehrs Mitte Juni, deren Ziel eine größere Marktorientierung war. Zuvor gab es keine direkte Güterzugverbindung zwischen beiden Städten.

 Die neue direkte Verbindung nach Chengdu habe man im Anschluss an Kundenbefragungen eingerichtet, erklärte Yang Chunlei, stellvertretender Direktor des Frachtzentrums der Eisenbahndirektion von Beijing. Neu sind auch mehr Güterwaggons, um der Nachfrage gerecht zu werden, und eine schnellere Güterabfertigung.

 Der Schienengüterverkehr ist eine der letzten Monopolindustrien in China. Laut China Railway Corp. (CR) soll die Reform des Schienenverkehrs in diesem Bereich beginnen. Ziel seien mehr Marktorientierung und Effizienz, hieß es. Es soll ein modernes „Tür-zuTür"-Logistik-Netzwerk entstehen.

 Die Reform ist die erste der im März gegründeten CR. Die Veränderungen seien von großer Bedeutung, das Unternehmen bewege sich auf eine vollständig am Markt orientierte Reform zu, meint Zhao Jian, Professor an der School of Economics and Management an der Beijing Jiatong University.

 Wu Yanxia, Vertriebsleiterin bei der Beijing Hongsheng Shunda Transport Co. Ltd., kommt fast jeden Tag zum Frachtzentrum der Beijinger Eisenbahndirektion am Bahnhof Dahongmen. 

 "Seit kurzem gibt es weniger Formalitäten bei der Güterzustellung und die Bahn will nötigenfalls auch, je nach Kundenwunsch und Frachtvolumen, die Zahl der Waggons erhöhen", erklärte sie.

 Vorher habe sie eine ganze Reihe von Formalitäten an verschiedenen Schaltern durchlaufen müssen, um ihre Güter abfertigen und in Waggons laden zu lassen. Jetzt geschehe dies alles mit einem Schlag an einem einzigen Schalter. Was noch wichtiger ist: Die Mindestfracht von 60 Tonnen wurde abgeschafft. Diese Vorschrift hatte den Gütertransport verlangsamt.

 Die Güterabfertigung ist zudem nicht mehr nur vor Ort, sondern auch per Telefon und Internet möglich. Das sei flexibler und bequemer, fügt Yang hinzu.

 In einer Pressemitteilung der CR hieß es, man wolle ein transparenteres System vor allem bei der Preisgestaltung schaffen. Frachtbesitzer hatten sich lange über verwirrende und unberechenbare Preisregelungen beklagt.

 

Ein entscheidender Schritt

Vor der Reform habe man sich wenig um die Bedürfnisse der Frachteigner gekümmert, so Zhao. Nun werde die Branche marktorientierter, lege mehr Wert auf Energieeinsparungen und einen verbesserten Umweltschutz.

Vor der Umstrukturierung des Eisenbahnministeriums und der Gründung der CR hatten Kunden wiederholt das alte Konzept des Schienengüterverkehrs kritisiert. Zu wenig effizient, die Güterabfertigung und das Beladen der Waggons seien zu umständlich, hieß es. Wettbewerbsfähigkeit und Wirtschaftlichkeit litten enorm.

"Die Reform des Schienengüterverkehrs voranzutreiben, ist entscheidend für eine schnellere Entwicklung der Eisenbahnindustrie. Sie ist auch dringend nötig, um die Rentabilität zu erhöhen", sagt Zhao.

Seiner Einschätzung zufolgestehen Reformen bei der CR ganz oben auf der Liste. Die tiefgreifenden Veränderungen würden ein größeres Transportvolumen, niedrigere Preise und einen wetterunabhängigen Service möglich machen. Die CR könne durch den Wettbewerb am Markt zu einem modernen Unternehmen werden.

Laut Bericht des ehemaligen Bahnministeriums vom Juli 2012 war der Kundenservice das Stiefkind im Schienengüterverkehr. Das Management machte es unmöglich, Marketingpläne in Abstimmung mit Kundenwünschen zu formulieren.

Solange es keine Veränderungen gibt, werden Schienentransporteure zwangsweise Kunden verlieren, wenn der Wettbewerb auf dem Transportmarkt heftiger wird.

Sich an die Nachfrage am Markt anzupassen und maximale Profite zu erwirtschaften, ist zu einem Hauptanliegen der Reform geworden.

Er „hoffe, sicherstellen zu können, dass Gewinnziele auch unter den neuen Reformen aufrechterhalten werden", erklärte Sheng Guangzu, Geschäftsführer der CR, bei einer Konferenz am 20. Mai.

 

Auswirkungen

Die Reform des Frachtverkehrs werde die Logistikindustrie des Landes verändern, erklärte Shao Zhonglin, stellvertretender Generalsekretär der China Express Association gegenüber den Medien.

 Speditionen übernehmen in China normalerweise den Boden- und Lufttransport, so Shao. Der Schienentransport macht nur einen kleinen Anteil aus. Speditionen fragen sich nun, ob die Reformen Lösungen für folgende Probleme vorsieht: Der Schienentransport muss die Nachfrage der Zustellfirmen befriedigen können, Waren zu jeder Tageszeit liefern und dafür sorgen, dass sie bequem abgeholt werden können.

 Bei den Reformmaßnahmen wurden diese Probleme mitberücksichtigt. Die CR bietet seit kurzem einen Express-Service in Hochgeschwindigkeitszügen an. Kleine Pakete werden mit dem ersten Hochgeschwindigkeitszug des Tages transportiert und kommen am selben Tag oder am Morgen des Folgetags an. Verglichen mit Langstreckentransporten per LKW kann der Schienenverkehr die Logistikkosten senken und zu niedrigeren Preisen für die Verbraucher führen. Außerdem glaubt Shao, würden Straßen- und Schienentransport eher zusammenarbeiten als direkt miteinander zu konkurrieren, um einen zwischen Schiene und Straße koordinierten Transportservice anbieten zu können, der beiden Industriesparten nützt.

 

Probleme

Wie bei Reformen in anderen Industriezweigen auch werden die Veränderungen einen komplexen Interessenwettstreit mit sich bringen, ist Zhao überzeugt.

 Gegenwärtig gibt es 18 lokale Eisenbahndirektionen in China. Alle hängen bei Zugabfertigung und Einfahrergebnissen stark von der CR ab und verfügen über keinerlei Eigentum. Da sie keine Zusagen zu Preisen und Servicequalität machen können, sind sie keine echten Teilnehmer am Markt.

 Die Reform des Schienengüterverkehrs sollte zunächst einmal die Marktposition der Transporteure klären, meint Zhao. Er schlägt eine Organisationsstruktur mit der CR als Holding und die Reorganisation der 18 lokalen Eisenbahndirektionen in drei regionale Bahnunternehmen vor, die so zu echten Wettbewerbern würden.

Der Widerstand verschiedener Interessengruppen sollte dabei nicht unterschätzt werden, so Zhao. "Die Reform des Schienengüterverkehrs hat gerade erst begonnen, und es ist noch ein langer Weg bis zu einer völligen Marktorientierung."