Konzertierte Aktion gegen Verschwendung und Korruption beginnt innerhalb der Parteiführung
Information aus erster Hand: Die Parteifunktionäre Chen Chuanming (l.) und Zheng Xuerong (r.) hören sich am 26. Juni in Yuxi (Provinz Yuannan) die Sorgen von Bai Lianying, einer sehbehinderten Seniorin in einem abgelegenen Dorf, an.
Lin Yiguang
Seit dem Machtwechsel beim 18. Parteitag der KP Chinas im vergangenen November engagiert sich die neue Parteiführung im Kampf gegen die Korruption, für eine größere Nähe zum Volk und eine wirtschaftlichere Regierung, um die Zufriedenheit in der Bevölkerung zu erhöhen.
Jüngste Maßnahme war ein Treffen der Parteispitze. Mit Kritik und Selbstkritik wollte sie im Kampf gegen Bürokratie, Genusssucht und Verschwendung mit gutem Beispiel vorangehen.
Vom 22. bis 25. Juni traf sich das 25-köpfige Politbüro des ZK unter Vorsitz seines Generalsekretärs, Staatspräsident Xi Jinping, um die Verbindung der Parteimitglieder zum Volk zu verbessern – auch das ein wichtiger Teil der aktuellen Kampagne.
Selbstkritik gehört zu den Traditionen der KPCh, die als kleine Gruppe von 50 Idealisten begann und in den letzten 92 Jahren zu einer Partei mit 80 Millionen Mitgliedern anwuchs.
Vorbildliche Rolle
Das jüngste Treffen des Politbüros fand direkt im Anschluss an eine wichtige Telefonkonferenz am 18. Juni statt und bildete den Startschuss für die einjährige Berichtigung übler Praktiken. Dazu zählen Bürokratie, Genusssucht und Verschwendung.
"Hauptziel der Kampagne ist eine bessere Arbeit der Parteimitglieder ", erklärte Xi auf der Konferenz. Er forderte sie außerdem auf, die „Massenlinie" zu befolgen, um dem Volk wieder näher zu sein.
Die "Massenlinie" ist ein politisches Konzept der KPCh aus der Zeit vor 1949. Parteimitglieder sollten demnach Kontakte zum gewöhnlichen Volk aufbauen, ihr eigenes Verhalten reflektieren und jegliches Fehlverhalten korrigieren.
Die Erziehungskampagne begann am 1. Juli und fordert von den Parteimitgliedern, „in den Spiegel zu schauen, ihre Kleidung zu richten, ein Bad zu nehmen und nach Lösungen zu suchen."
Man habe vor allem Parteiorgane und Funktionäre auf oder über Kreisvorsteherebene im Visier, so Xi.
Die Mitglieder des Politbüros sollten „sich selbst korrekt verhalten, bevor sie dies von anderen verlangen, und nichts tun, was sie nicht auch von anderen fordern würden", hieß es in einer Stellungnahme nach dem Treffen.
Das Politbüro soll bei der Verbesserung des Arbeitsstils der Partei eine Führungsrolle übernehmen, hieß es weiter.
Chinas Führungsspitze hat ihre Arbeitsweise bereits zum Positiven verändert und damit die Aufmerksamkeit der Medien auf sich gezogen.
Am 29. November fand die erste gemeinsame Unternehmung des Ständigen Ausschusses des Politbüros statt, der Besuch einer Ausstellung im Chinesischen Nationalmuseum in Beijing über Chinas Entwicklung seit 1840. Mehrere Mitglieder des Politbüros kamen zu spät, berichtete die Beijing Times. Das ist ungewöhnlich, da die Wagen wichtiger Politiker meist mit Polizeieskorte fahren oder Verkehrsumleitungen für freie Durchfahrt sorgen. An diesem Morgen steckten die Politiker auf dem Weg zum Museum jedoch im Stau fest.
Auch auf der Inspektionsreise von Xi Jinping in die südchinesische Provinz Guangdong im Dezember verzichtete man nach Angaben der Polizei von Shenzhen auf Straßensperren. Ein Mikroblogger schildert sein Treffen mit Xis Wagenkolonne auf Weibo; der Minibus des Staatschefs hatte durchsichtige Fenster und keine Vorhänge, schrieb er.
In seiner Stellungnahme vom 25. Juni lobte das Politbüro die Effizienz der „Acht-Punkte-Regel". Sie wurde von der neuen Parteiführung im Dezember eingeführt, um Bürokratie und Formalismus zu bekämpfen. Zu den acht Maßnahmen zählen die Vereinfachung von Treffen und Reden, standardisierte Auslandsbesuche von Spitzenpolitikern sowie eine bessere Berichterstattung über die politische Arbeit und die Sparmaßnahmen der Regierung.
Die Zentrale Disziplinkontrollkommission meldete am 31. Mai, dass insgesamt 2290 Personen wegen Verstößen gegen die "Acht-Punkte"-Regel bestraft wurden, landesweit wurden 2665 solcher Verstöße untersucht.
Die Partei werde gegen übertriebene Vorsorgeleistungen für Kader vorgehen, indem sie Sozialversicherungsansprüche standardisiert, so das Politbüro.
Regierungen auf allen Ebenen wurden angewiesen, die Funktionärsansprüche auf Büros, Wohnraum, Autos, Sekretäre, öffentliche Empfänge, Wachpersonal, Sozialleistungen und Ferien zu normieren, um sicherzustellen, dass niemand in unangemessener Weise profitiert oder Geschenke annimmt bzw. offeriert.
Auf der Sitzung wurde außerdem ein besseres Bewertungssystem für die Leistung der Funktionäre gefordert.
Das Politbüro versprach, Parteimitglieder daran zu hindern, Beziehungen spielen zu lassen, um Positionen oder Beförderungen zu ergattern.
Auf der Konferenz wurden wichtige Aspekte für eine bessere Arbeit der Parteimitglieder definiert. Gefordert sind mehr Effizienz beim Theoriestudium, beim Verfassen von Artikeln sowie auf Konferenzen. Ausgaben für Auslandsbesuche, Anschaffung von Dienstwagen und deren Betriebskosten sowie dienstliche Empfänge sollen kontrolliert werden und es sollen Maßnahmen gegen die Erpressung von Bestechungsgeldern sowie die Annahme wertvoller Mitgliedskarten oder Prepaid-Geschenkkarten ergriffen werden.
Laut Stellungnahme des CCDI vom 28. Juni haben alle Mitarbeiter von Chinas Disziplinkontroll- und Überwachungsorganen geltend gemacht, Mitgliedskarten, die sie zuvor als Geschenk erhalten hatten, weggeworfen zu haben.
Auch so genannte "Face-Raising"-Projekte sollen abgeschafft werden, da sie in kurzsichtiger Weise nur dazu dienten, die Referenzen eines Funktionärs aufzupolieren.
Ebenso will man unnötige Feierlichkeiten, Foren oder internationale Konferenzen reduzieren, das gilt ebenso für den Bau protziger Regierungsgebäude.
Laut Bericht des Staatsrats zur Haushaltsbilanz der Zentralregierung für das Jahr 2012 vom 27. Juni gab die Regierung im vergangenen Jahr 7,43 Milliarden Yuan für Auslandsbesuche, Anschaffung von Dienstwagen und deren Betriebskosten sowie dienstliche Empfänge aus, 20 Prozent weniger als 2011.
Im März erklärte Premier Li Keqiang auf einer Pressekonferenz, dass die Regierung während seiner Amtszeit nicht in die öffentlichen Kassen greifen werde, um neue Büros, Hallen oder Gästehäuser zum eigenen Nutzen zu errichten.
Er sicherte ebenso zu, dass die Anzahl der Regierungsangestellten und die Ausgaben der Regierung für Auslandsbesuche, Anschaffung von Dienstwagen und deren Betriebskosten sowie dienstliche Empfänge reduziert würden.
Vorschriften müssten folgen
Analysten meinen, das jüngste Treffen des Politbüros sei sowohl eine Möglichkeit für die Parteispitze, gemeinsam "in den Spiegel zu schauen und die Kleidung zu richten", als auch ein Aufruf an die mehr als 80 Millionen Parteimitglieder, ihre Arbeit zu verbessern.
Viele der auf der Konferenz formulierten Ziele und Aufgaben seien eine Erweiterung der „Acht-Punkte-Regel", sagt Wang Yukai, Professor an der Chinese Academy of Governance. So hieß es beispielsweise, dass sämtliche Beamte, die gegen Parteivorschriften verstoßen, bestraft werden sollen. Wang glaubt, dass dieses Statement ein deutliches Signal gegen zu viel Privilegien setzt. „Ob Privilegien in Frage gestellt werden, ist der Schlüssel zum Erfolg der Kampagne für eine bessere Arbeit der Parteimitglieder", so Wang.
Die Luxushäuser und Autos der Funktionäre hätten zu vielen Klagen in der Öffentlichkeit geführt, erklärte Dai Yanjun, Professor an der Parteischule des Zentralkomitees. Die Haltung der Parteiführung zur Abschaffung exzessiver Privilegien könnte Vorbildcharakter haben.
Die Forderungen, die beim jüngsten Treffen des Politbüros an Parteimitglieder gestellt wurden, fallen in die Kategorie der moralischen Erziehung. Wichtiger wäre aber ihre Umsetzung in konkrete Vorschriften, meint Dai.
"Konkrete Regeln sind unerlässlich, da sie der Regierungsspitze klare Grenzen für die tägliche Arbeit und den Alltag setzen und der Öffentlichkeit ein Kontrollinstrument an die Hand geben ", erklärte er.
Das Politbüro hat zudem versprochen, einen Sanktionsmechanismus zu schaffen, der gut arbeitende Funktionäre befördert und für Fehlverhalten Verwarnungen oder Bestrafungen vorsieht. Ein bedeutsamer Schritt, meinen Experten.
"Fehlverhalten bei der Beförderung zu korrigieren, ist entscheidend für eine umfassende moralische Verbesserung der Parteimitglieder", so Dai. Die beförderten Funktionäre seien ein positives Beispiel für alle anderen Parteimitglieder und Funktionäre. „Die Leute werden ihren Arbeitsstil nachahmen. Wenn ein führender Politiker sich korrupt verhält und einen Funktionär befördert, weil er von ihm Bestechungsgelder erhalten hat, kann diese Entscheidung ernsthafte Folgen und Verluste nach sich ziehen", erklärt Dai.
In der Geschichte der KPCh seien immer dann Kampagnen zum Arbeitsstil ins Leben gerufen worden, wenn die Partei mit neuen Situationen und Herausforderungen konfrontiert war, sagt Yao Huan, Professor an der Parteischule des Parteikomitees von Beijing.
In der Vergangenheit seien solche Erziehungskampagnen nach dem Prinzip der „Massenlinie" oft gescheitert. Auf einen guten Start folgte ein unbefriedigendes Ende. Vielversprechend sei aber, dass das Politbüro dieses Mal aus vergangenen Misserfolgen gelernt und ein Drei-Schritte-Programm initiiert habe. Das Programm nennt zunächst optimale Ergebnisse, identifiziert dann auffällige Probleme und prüft am Schluss Maßnahmen zur Umsetzung.
"Diese Kampagnen könnten großen Erfolg haben, wenn die Vorschriften zur moralischen Erziehung der Parteimitglieder als auch zur Schließung von Regulierungslücken perfektioniert würden", meint Yao.
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