08-03-2013
Der Traum Chinas
China kämpft gegen den Mega-Smog
von Yin Pumin

Weniger Feuerwerk, strengere Abgasnormen

 

 

 

Stadt unter einer Rauchglocke: Das Neujahrsfeuerwerk sorgte in Beijing für noch stärkere Luftverschmutzung als sonst.

 

Wabernder Smog versetzte den Feierlichkeiten zum Laternen-Festival am 24. Februar einen Dämpfer. Dichter Nebel, der einen Großteil Nord- und Ostchinas bedeckte und die Sichtweite auf weniger als einen Kilometer verringerte, machte das Ganze noch schlimmer. Das Laternenfest wird traditionellerweise am 15. Tag des ersten Monats nach chinesischen Mondkalender gefeiert und beendet das Frühlingsfest, das in diesem Jahr auf den 10. Februar fiel.

Seit Anfang diesen Jahres haben die Chinesen unter langen Smogphasen  gelitten. Im Januar gab es 25 Smog-Tage, 13 mehr als im gleichen Zeitraum der letzten zehn Jahre durchschnittlich gezählt wurden.

Offiziellen Angaben zufolge lag die durchschnittliche Menge von PM2,5-Feinstaubpartikeln im Januar bei 180 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft, rund 30 Prozent höher als in den Jahren 2009 bis 2011. PM2,5 bezeichnet Feinstaubpartikel, deren Durchmesser 2,5 Mikrometer oder weniger beträgt. Sie sind extrem schädlich für die Atemwegsorgane und das Herzkreislaufsystem. Das gilt besonders für Kinder und ältere Menschen.

Forschungen der Chinesischen Akademie der Wissenschaften (CAS) wiesen außerdem eine große Menge organischer Stickstoffverbindungen im Smog von Beijing und nahegelegenen Städten nach. Diese chemischen Substanzen sollen auch beim Londoner Smog von 1952 und dem photochemischen Smog in Los Angeles in den 1940er und 1950er Jahren eine erhebliche Rolle gespielt haben.

Angesichts der ernsten Lage sind Behörden und Bevölkerung nun aktiv geworden.

 

Ein „grüneres" Fest

Zum diesjährigen Frühlingsfest verzichtete Xu Xilang erstmals auf Feuerwerk. In den acht Jahren zuvor, seit der Aufhebung des Beijinger Feuerwerksverbots im Jahr 2005, hatte der 36-jährige Beijinger jedes Jahr mehr als 1000 Yuan (123 Euro) für Böller und Raketen ausgegeben.

„In der Vergangenheit gab es nicht so viele Tage mit Smog. Ich hoffe, mein Verhalten kann ein wenig zur Lösung des Problems beitragen", erklärte er.

Chinesen läuten das neue Jahr immer mit einer Unmenge an Feuerwerk ein. Der Brauch verlangt, dass Lärm und Lichter böse Geister und Unglück vertreiben.

Der Feuerwerksspaß bringt aber immer auch einen Anstieg der Luftverschmutzung sowie zahlreiche Unfälle mit sich, Explosionen und Brände inklusive.

Nach Angaben des Ministeriums für Umweltschutz schnellten während des einwöchigen Frühlingsfestes vom 9. bis 15. Februar die PM2,5-Werte in vielen Städten in die Höhe, ein Beleg dafür, dass das Feuerwerk zur Verschlechterung der Luftqualität beiträgt.

Von 74 Städten, die eine umfassende Überwachung der Luftqualität durchführten und Ende 2012 ihre täglichen Berichte veröffentlichten, verzeichneten 42,7 Prozent während des Frühlingsfestes auffällig hohe Messwerte.

Der höchste Tagesdurchschnittswert lag bei 426 Mikrogramm pro Kubikmeter, fast 5,7 mal so viel wie der Landesstandard von 75 Mikrogramm, meldete das Ministerium.

Glücklicherweise erkannten noch mehr Menschen die Tragweite des Problems und versuchten, das Frühlingsfest auf umweltfreundlichere Art zu feiern, indem sie die Menge der Raketen und Knaller reduzierten.

Infolgedessen ging der Verkauf von Feuerwerk im ganzen Land beträchtlich zurück.

In Beijing wurden laut Statistik des Amts für Feuerwerk vom 9. bis 14. Februar 313.000 Kartons Feuerwerk verkauft, 45 Prozent weniger als im vergangenen Jahr, als noch 564.000 Kartons über die Ladentische gingen.

Die Beijing Times zitiert einen Sprecher der Beijing Fireworks Co., deren Verkäufe nach eigenen Angaben um 30 Prozent einbrachen. Ein Feuerwerksverkäufer in Taiyuan (Provinz Shanxi) berichtete über ähnliche Einbußen.

Automatisch verringerte sich auch die Müllmenge nach dem Feuerwerk. Laut offizieller Statistik beseitigten die Müllmänner in Beijing während des Frühlingsfestes 5283 Tonnen Feuerwerksabfall, 332 Tonnen weniger als im vergangenen Jahr. In Shanghai reduzierte sich der Feuerwerksabfall nach Angaben der städtischen Müllabfuhr von 970 Tonnen im Jahr 2012 auf 700 Tonnen.

Neben ganz normalen Bürgern nutzten auch Regierungsbeamte die Gelegenheit, um für umweltfreundliches Verhalten zu werben. Die Stadtregierung von Beijing verschickte Textmitteilungen mit der Bitte, in diesem Jahr weniger Feuerwerk abzubrennen. Sie gab außerdem einen „Feuerwerks-Index" heraus, der darüber informierte, ob die aktuellen Wetterbedingungen für Feuerwerk geeignet sei.

Beijing reduzierte die Zahl der lizenzierten Feuerwerksläden außerdem von 1429 im vergangenen Jahr auf 1337. 750.000 Kartons Raketen und Knaller wurden dort in diesem Jahr verkauft, 2012 waren es noch 810.000.

 

 

Nebel von Menschenhand gemacht: Dichter Smog bedeckt am 17. Februar den Kreis Yongqing in der Provinz Hebei.

 

Die jährliche Feuerwerks-Show in Guangzhou (Provinz Guangdong) fiel aus, um die Luftverschmutzung und Regierungsausgaben zu verringern. Die Show kostete im vergangenen Jahr 10 Millionen Yuan (1,23 Millionen Euro), das waren fast zehn Prozent des jährlichen Haushaltsbudgets.

Einige Städte wie Luoyang und Zhengzhou (Provinz Henan) sowie Haikou (Provinz Hainan) sagten ihre üblichen Feuerwerksshows zum Laternenfest am 24. Februar ganz ab.

Während brennbares Feuerwerk allmählich weniger benutzt wird, steigt die Beliebtheit von elektronischem Feuerwerk. Es besteht aus einer Glühbirne und einem Lautsprecher im „Detonator", um Explosionen nachzuahmen. Es imitiert traditionelles Feuerwerk, ohne die Luft zu verschmutzen oder Müll zu hinterlassen.

Nach Angaben eines Händlers nahm der Verkauf dieser Art Feuerwerk zu. Es ist bereits seit zehn Jahren auf dem Markt, war aber bislang nicht sonderlich beliebt. Das änderte sich in diesem Jahr, in dem der Smog im Januar mehr als 30 Städte in Zentral- und Ostchina einhüllte und zum weniger exzessiven Gebrauch von brennbarem Feuerwerk aufgerufen wurde.

Die Zahlen von Tabao.com, Chinas größtem Online-Shop, zeigen, dass der Umsatz von elektronischem Feuerwerk in der Woche vor den Ferien zum Frühlingsfest um 271,3 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum anstieg.

„Feuerwerk ist eine chinesische Neujahrs-Tradition. Wir sollten sicherstellen, dass diese Tradition weiterlebt", meint Gao Wei, Volkskunde-Experte und Direktor der Beijinger Gesellschaft für Geschichte und Geographie.

„Elektronisches Feuerwerk und andere Alternativen sind eine gute Idee, sie halten die Tradition auf umweltfreundliche Weise aufrecht", sagt Gao. Seiner Ansicht nach sollte die Regierung mehr professionelle Feuerwerksvorführungen organisieren und vom öffentlichen Verkauf von Feuerwerk abraten, um das Unfallrisiko zu verringern.  

 

Emissionen verringern

 

Obwohl viele Chinesen darüber diskutiert haben, das die Feuerwerkstradition angesichts der Luftverschmutzung problematisch ist, sind viele der Ansicht, dass man tiefliegende Probleme bewältigen müsse, um den Smog zu verringern.

Nach Angaben der CAS wurde die lange Smog-Periode in den vergangenen zwei Monaten durch eine Kombination von intensiver Kohleverbrennung, Autoabgasen,  und einer speziellen Inversions-Wetterlage über geographisch niedrig gelegenen Städten verursacht. 

Von diesen Faktoren wird den Autoabgasen ein Viertel der PM2,5-Ausstöße in Beijing zugeschrieben, der Kohleverbrennung 20 Prozent. Die CAS fordert daher eine Abgasreduzierung für Dieselfahrzeuge und eine Verbesserung der Kraftstoffqualität.

Angesichts der dringenden Forderung nach besserem Kraftstoff und umweltfreundlicheren Fahrzeugen erhöhte Beijing seine Autoabgasnormen am 1. Februar auf die Nationale Abgasnorm V und hat damit landesweit die strengsten Richtwerte. Nach der Nationalen Abgasnorm V darf Benzin nicht mehr als 10 ppm Schwefel enthalten.

Verglichen mit vorherigen Abgasnormen werde die neue Variante die Emissionen von Stickstoffmonoxid um 40 Prozent reduzieren, die Konzentration von PM2,5-Feinstaubpartikeln werde folglich sinken, sagt Li Kunsheng, Leiter des Straßenverkehrsamts.

Angesichts mehr als 5,2 Millionen registrierter Autos in der Stadt, deren Zahl sich bis 2015 wohl auf 6 Millionen erhöhen wird, sei die Einführung strengerer Abgasnormen wichtig, so Li.

Die Verbesserung der Benzin- und Dieselqualität sowie die Förderung strengerer Abgasnormen seien die effizientesten und wirtschaftlichsten Methoden, um die Luftqualität zu verbessern, meint Hao Jiming, Professor an der School of Environment der Tsinghua-Universität.

Auch wenn Beijing nun die strengsten Kraftstoffnormen im ganzen Land bewilligt hat, warnen Experten davor, dass die schlechte Dieselqualität in den Nachbarstädten die Bemühungen zur Luftverbesserung torpedieren wird.

In China gelten je nach Region unterschiedliche Kraftstoffnormen. In Shanghai und der Provinz Jiangsu beispielsweise gilt weiter die Kraftstoffnorm IV, die den Schwefelgehalt auf 50 ppm begrenzt.

Der Staatsrat, Chinas Kabinett, verabschiedete am 6. Februar einen Zeitplan zur Verbesserung der Kraftstoffqualität. Demnach soll die Abgasnorm V bis Ende 2017 landesweit für Autobenzin und Diesel eingeführt werden.