11-01-2013
Chinas Traum und die Welt
China öffnet sich der EU
von Liu Zuokui

 

 

China ist bereit, seine Investitionen in Mittel- und Osteuropa zu verstärken.

Unterstützung von höchster Stelle: Chinas Ministerpräsident Wen Jiabao bei seiner Rede vor dem Business-Forum für China, Mittel- und Osteuropa in Warschau im April 2012. (WANG YE) 

Die stärkeren Bindungen zwischen China sowie Mittel- und Osteuropa (Central and Eastern Europe, CEE) waren im vergangenen Jahr ein Höhepunkt der Beziehungen zwischen China und der EU. Auf seiner Europareise im April 2012 präsentierte Chinas Ministerpräsident Wen Jiabao zwölf Vorschläge zur Förderung der Freundschaft und Zusammenarbeit mit Mittel- und Osteuropa. Am 6. September fand in Beijing die Eröffnungskonferenz des Kooperationssekretariats für China sowie Mittel- und Osteuropa statt. Mit der schnell wachsenden Zusammenarbeit in Wirtschaft und Handel haben umfangreiche chinesische Investitionen in Mittel- und Osteuropa die weitere Entwicklung der bilateralen Beziehungen gefördert.

Bei einem Treffen des Kooperationssekretariats am 19. Dezember in Beijing erklärte Chinas Vize-Außenminister und Generalsekretär des Sekretariats, Song Tao, dass China sowie Mittel- und Osteuropa ihre noch in den Kinderschuhen steckende Zusammenarbeit 2013 weiter ausweiten, den Austausch auf höchster Ebene beibehalten sowie neue Initiativen, die künftige Entwicklungen berücksichtigen, ins Leben rufen sollten.

Im kommenden Jahr ist damit zu rechnen, dass chinesische Investoren die Gelegenheit ergreifen, in Mittel- und Osteuropa mehr wirtschaftliche Präsenz zu zeigen.

 

Einmalige Chance

Griechenlands Schuldenkrise hat in der Eurozone für anhaltende Unruhe gesorgt und großen Einfluss auf die wirtschaftliche Entwicklung in Mittel- und Osteuropa ausgeübt. Mitten in dieser schwierigen Situation bietet die Region China aber auch eine „einmalige Chance".

Die Schuldenkrise hat das Investitionsklima in Mittel- und Osteuropa verändert. Im Globalen Investitions-Bericht 2012 der UN-Konferenz für Handel und Entwicklung (UN Conference on Trade and Development, UNCTAD) heißt es, dass viele Länder vor dem Hintergrund der anhaltenden wirtschaftlichen Unsicherheit in Europa, der andauernden Instabilität der weltweiten Finanzmärkte und der Konjunkturabschwächung in den meisten Schwellenländern ausländische Direktinvestitionen als Methode zur Förderung des Wirtschaftswachstums gewählt und das Anlageumfeld für ausländische Investoren einladender gestaltet hätten. 

Vor allem Länder in Mittel- und Osteuropa nutzen die Investitionsförderung als Mittel zur Ankurbelung ihres Wachstums. Ausländische Investoren zeigen daher ein wachsendes Interesse an dieser Region. Eine Umfrage der UNCTAD unter multinationalen Unternehmen ergab, dass die neuen EU-12-Länder (10 Länder in Mittel- und Osteuropa sowie Zypern und Malta) mittlerweile zu den Top-Investitionszielen der Welt gehören.

Nach der Schuldenkrise kämpften Euroländer wie Griechenland und Italien darum, ihre Investitionen in Mittel- und Osteuropa aufrechtzuerhalten. Das führte zu einer großen Anzahl an schlecht verwalteten Anlagen und bot ausländischen Investoren die Möglichkeit zum Einstieg. Gleichzeitig beeinträchtige die überschwappende Krise in der Eurozone das Wirtschaftswachstum und die soziale Stabilität der Länder Mittel- und Osteuropas. Orientierten sie sich bei Investitionen bislang hauptsächlich in Richtung Westen, schauen sie nun nach Ost und West und suchen eine engere Zusammenarbeit mit Ländern wie Russland und China, um ihr Wachstum zu fördern.  Angesichts guter Investitionsgrundlagen und reichhaltiger Devisenreserven wetteifern Mittel- und Osteuropa nun um Investitionen aus China.

Hervorzuheben bleibt, dass der Hauptfaktor für die Veränderungen im Anlageumfeld Mittel- und Osteuropas die europäische Schuldenkrise ist. Daher wird der Fortgang der Krise auch die chinesischen Investitionen direkt beeinflussen. Die Krise stellt keine grundlegende Herausforderung für das System der Eurozone dar, sie ist nur eine strukturelle Angelegenheit. Obwohl sie schon eine Weile anhält, wird sich die Situation wohl durch interne Strukturkorrekturen in naher Zukunft entschärfen. Sobald sich die Lage verbessert, werden erneut EU-Länder die Interaktion mit und die Kontrolle über die mittel- und osteuropäischen Länder übernehmen und Investitionsmöglichkeiten für andere Länder werden allmählich schwinden.

China sollte das meiste aus seinen Möglichkeiten machen, bevor es zu spät ist. Investitionen in Mittel- und Osteuropa helfen bei der Verbesserung der Exportprodukte und dem Ausbau seiner Anlagewertschöpfungskette. Die europäische Schuldenkrise hat die Realwirtschaft der EU-Länder schrumpfen lassen und zu einer sinkenden Importnachfrage geführt. Diese Entwicklungen haben von den chinesischen EU-Exporten einen deutlichen Tribut gefordert. Seit Mitte 2010 sinkt deren Wachstumsrate kontinuierlich. Schlimmer noch, 2012 verzeichnete man sogar ein Minus-Wachstum, die Exporte in die EU nahmen nach Angaben des Handelsministeriums um 1,8 Prozent, 0,8 und 5,6 Prozent in den ersten drei Quartalen bzw. im Vorjahresvergleich ab.

Ursache für das langsamere Wachstum von Chinas Exporten sind abnehmende Wettbewerbsvorteile. Die Wettbewerbsfähigkeit arbeitsintensiver Exporte aus China ließ auf dem EU-Markt schon seit längerer Zeit nach, selbst ein Wettbewerbsvorteil durch kapitalintensive Maschinen- und Maschinenzubehörexporte ist mittlerweile kaum mehr vorhanden. Um sich diesem Abwärtstrend zu widersetzen, kann China nicht darauf warten, dass sich die EU-Wirtschaft erholt, um seine Verluste auszugleichen. Stattdessen sollte es vor allem die Wettbewerbsfähigkeit seiner EU-Exporte verbessern und seine Produkte auf der Wertschöpfungskette weiter nach oben positionieren. Die Verbesserung der Exportproduktion durch mehr Investitionen in Europa zu beschleunigen, ist eine neue Methode, negatives Wachstum auf Chinas größtem Exportmarkt auszugleichen und gleichzeitig das eigene Wachstum anzukurbeln.

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