20-09-2012
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Warum lernt Japan nicht von Deutschland?
von Yao Li, Korrespondent der Tageszeitung Guangming Ribao in Paris

Weil Japan die USA vor einer Weile gleichermaßen mit offener als auch verdeckter Unterstützung verleitet haben soll, eskaliert der Disput um die Diaoyu-Inseln immer mehr. In diesem empfindlichen Moment beschloss die japanische Regierung, die Diaoyu-Inseln zu "verstaatlichen". Momentan entwickelt sich die Situation in Richtung erneuter Anspannungen, die sehr einfach in gefährlichen Ausartungen eskalieren könnten.

Ein Problem ist die Tatsache, dass Japan noch nicht hinreichend historische Fakten akzeptieren will, was von einigen Ländern nach dem Zweiten Weltkrieg als provokativ empfunden wurde. Die Frage, die China sich jetzt stellt, ist, wieso Japan die in der Konferenz von Jalta und der Konferenz von Potsdam festgelegten Artikel scheinbar auf die Probe stellen will. Es könnte viele Gründe dafür geben: Der Aufstieg konservativer Kräfte in Japan, womöglich das Missverstehen von Chinas friedlichem Wachstum durch diese, oder auch eine Machtverschiebung zwischen China und Japan, die letztere Partei in eher angespannter Stimmung hinterlässt. Andere Beobachtungen von mir hingegen führen zu weiteren Annahmen: Japan beharre darauf, den "falschen" Weg zu gehen, sodass Fehler der Vergangenheit wiederholt würden.

Einer dieser zwei Gründe ist, dass die Politiker in Japan der Nachkriegszeit anders als die deutschen agierten. Im Vergleich zu Deutschland war die Reflexion über vergangene Aggression und Untaten nicht gleichermaßen gründlich und ließ ein Fehlen von Schuldbewusstsein anmerken. Konrad Adenauer, Helmut Schmidt, Helmut Kohl, selbst Angela Merkel, all diese Politiker waren mutig genug, den Tatsachen ins Gesicht zu schauen und die Fehler der Geschichte einzugestehen. Manch einem ist noch im Gedächtnis, wie Willy Brandt vor dem jüdischem Grab kniete, für das die Nationalsozialisten verantwortlich waren, voll Reue für die Verbrechen der damaligen Zeit. Auch wenn dies vor einigen Jahrzehnten passierte, viele folgende deutsche Politiker übernahmen diese ehrliche, bekennende Mentalität ihres Landsmannes. Eben weil Deutschland derart respektvoll mit seiner Vergangenheit umging, weil Deutschland seine Geschichte konfrontiert, wandelte sich die öffentliche Meinung über das Land allmählich vom nationalsozialistischen Aggressor hin zu einem, das entschlossen ist, sich mit dem Rest Europas zu versöhnen und nie wieder Krieg zu führen. Auch wenn es immer noch einige Gruppen von Ultrarechten gibt, so gelten dennoch alles andere als Mainstream und halten sich weitestgehend verborgen. Aber genau diese Handvoll von Rechtsextremisten - anzutreffen auch im eigenen Land - ist es, die dafür sorgen kann, dass Europas Meinung über Deutschland selbst von der restlichen Welt, zu einer schlechten wird. Also versuchte Deutschland nach dem Krieg stetig, in die EU aufgenommen zu werden, und bemühte sich aktiv, Europa zu vereinen.

An diesem Punkt ist Japan noch nicht angekommen. Was die Kriegsverbrechen Japans angeht, wurde von dem Land nicht dieselbe Menge an Reue und Aufrichtigkeit gezeigt wie von Deutschland. Es gab durchaus einige japanische Politiker, die ehrliche Entschuldigungen äußerten. In manchen Fällen mag dies nur eine Geste gewesen sein, um temporäre Situationen zu beschwichtigen. Die vergangenen Jahre gedachten einige Politiker den Millionen von gefallenen Soldaten am Yasukuni-Schrein, was vielen Menschen ein Dorn im Auge ist. Weil manche Politiker einer ganzen Generation gar nicht oder nur mäßig ihrer Geschichte gegenübertreten wollen, ist es keine einfache Sache für das Land Japan, seine Vergangenheit im richtigen Licht zu betrachten. Es ist schwierig, den Nachbarn so ins Antlitz zu blicken, so die ehemaligen Kriegsgegner zu konfrontieren. Mit der Zeit wird man eine Lehre aus dem in der Vergangenheit vergossenem Blut ziehen, solange diese nicht passiert und man auf dieser Basis Probleme wie die Diaoyu-Inseln behandelt, wird man schlichtwegs weiter auf dem falschen Pfad wandern.

Der zweite Grund wäre, dass man international nur wenig auf die kleineren militaristischen Gruppen in Japan achtet, beziehungsweise von außen nicht genug Druck auf selbige ausübt. Während sich Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg erholte, war die öffentliche Meinung im Westen immer von lautstarker Auflehnung geprägt und kein bisschen barmherzig. In ein wenig Zeit konnte man sich abzeichnende nationalsozialistische Tendenzen feststellen, was mit überwältigender Verurteilung und Kritik kommentiert wurde. Schnell wurden die Entwicklungen im Keim erstickt, sodass eine Situation erst gar nicht aufkommen konnte. Seltsam ist, dass diese "Mainstream-Meinung" über das im Zweiten Weltkrieg besiegte Japan deutlich schwächer ausfällt und der Aufstieg militaristischer Gruppen mit Gleichgültigkeit oder sogar einem blinden Auge gekontert wird. Auch fallen nur selten kritische Worte über diejenigen, die sich unehrlich und ohne Bedauern ihrer Geschichte gegenüber zeigen. In den 20 Jahren, in denen ich mich in Europa aufhielt, habe ich nur äußerst selten Berichte darüber lesen können. Im Gegenteil wurden chinesische Protestbestrebungen gegenüber japanischen Provokationen gezielt auseinandergepflückt und hemmungslos verfälscht. Das soll dazu geführt haben, dass Japan nun meint, von außen Unterstützung zu haben und sich im sicheren Glauben befindet, diese auch fortan zu bekommen. Sehr viele westliche Medien berichten über die Diaoyu-Inseln-Frage, ohne Kritik an Japan zu üben und beschuldigen stattdessen China der übertriebenen Reaktion.

Bei der angespannten und feindseligen Situation, in der sich China und Japan derzeit befinden, sollen japanische Politiker nach deutschem Vorbild handeln beobachten, wie andere Länder nach dem Zweiten Weltkrieg ihre Lektion gelernt haben. Nach dem Aufstehen in der Früh sich erst einmal rasieren, an Deutschland denken und dann noch mal im Spiegel betrachten. Davon könne China, Asien, die ganze Welt, insbesondere Japan selbst grenzenlos profitieren. (Quelle: german.china.org.cn)