11-09-2012
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Hu und Deng treffen mit Willy Brandt zusammen

Am 29. Mai 1984 sagte Hu Yaobang, Generalsekretär des ZK der KP Chinas, auf dem Bankett zu Ehren des Vorsitzenden der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD) Brandt und der von ihm geleiteten Delegation, die Kommunistische Partei Chinas sei bereit, mit allen Sozialistischen Parteien, Sozialdemokratischen Parteien und Labourparteien, die gewillt seien, mit ihr Verbindungen aufzunehmen, verschiedene Formen des freundschaftlichen Verkehrs nach den Prinzipien der Unabhängigkeit und Selbständigkeit, vollständiger Gleichberechtigung, gegenseitiger Achtung und gegenseitiger Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten zu entfalten.

Brandt und seine Delegation besuchten vom 28. Mai bis 3. Juni China. Unter den Mitgliedern der Delegation befanden sich Hans-Jürgen Weschnewski, Präsidiumsmitglied, Schatzmeister und Vorsitzender des Ausschusses für die Beziehungen mit dem Ausland und Entwicklungspolitik der SPD, und Egon Bahr, Präsidiumsmitglied der SPD. Es ist die zweite Delegation der Sozialdemokratischen Parteien aus Westouropa, die auf Einladung der KPCh China besuchte. Die erste war die politische Delegation der Sozialdemokratischen Partei Frankreichs unter deren Führer Francois Mitterrand, die im Februar 1981 China besuchte.

Im Jahre 1972, als Brandt Bundeskanzler war, wurden die diplomatischen Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und China aufgenommen.

Auf dem Bankett am 30. Mai, das Günther Schödel, Botschafter der BRD in China, für den Chinabesuch von Brandt gegeben hat, sagte Hu Yaobang: ,,Die Dinge in der Welt sind nicht ganz gleich. Warum sollte man fordern, daß jeder das Gleiche denken muß? Unser Kontakt zeigt, daß wir über unsere ideogolischen Differenzen hinausgehen und nach Gemeinsamkeiten suchen können. Wir diskutieren und fördern dies. Die auf dieser Grundlage entwickelte Freundschaft ist voller Lebenskraft."

Generalsekretär Hu Yaobang (2, v. r.) im Gespräch mit dem SPD-Vorsitzenden Willy Brandt (2. v. l.)

Er sagte weiter. China sei der Ansicht, jedes Land, sei es groß oder klein, habe seine Stärken und Schwächen. Die Großmächte dürften sich nicht anderen gegenüber als Herr aufspielen. Die deutsche Nation sei eine große Nation, die für die Menschheit große Revolutionäre, Wissenschaftler, Denker, Schriftsteller und Künstler hervorgebracht hat. Das chinesische Volk will von den Vorteilen der deutschen Nation lernen.

Während seines Aufenthaltes in Beijing haben Hu Yaobang und Brandt einen Meinungsaustausch über Probleme von gemeinsamem Interesse, die Erhaltung des Weltfriedens, die Entwicklung der Länder der Dritten Welt und die bilateralen Beziehungen geführt.

Hu sagte, die Basis der chinesischen Außenpolitik sei die Bekämpfung des Hegemonismus und Erhaltung des Weltfriedens. ,,Wir bekämpfen den Hegemonismus, aber wir wollen nicht in eine Spannung mit den Supermächten eintreten. Wir hoffen auch, daß sich die Beziehungen zwischen den beiden Supermächten entspannen können. Die Verschärfung der Rivalität zwischen ihnen kann nicht nur den Völkern anderer Länder sondern auch ihren eigenen Völkern Schaden zufügen."

Weiter stellte er fest, das chinesische Volk werde mit den Völkern Europas und der übrigen Welt gemeinsam für die Entspannung der internationalen Lage, Beendigung des Wettrüstens und Verhütung des nuklearen Krieges unermüdlich kämpfen.

Brandt sagte, in der heutigen Welt bedeute der Frieden nicht alles, aber wenn es keinen Frieden gebe, könne man nichts machen. Auch wenn kein großer Krieg ausbreche, könne derartige Aufrüstung und Kriegsvorbereitung die Menschheit zum Tod führen. Tausende und abertausende Menschen würden von Hunger bedroht und das Wettrüsten stände in direkter Verbindung mit der Hungersnot in der Welt.

Er befürwortete, die Verbindungen der entwickelten Nation mit der Dritten Welt zu entwickeln, und sprach sich dagegen aus, die Konflikte zwischen dem Osten und dem Westen mit den Nord-Süd-Beziehungen zu verbinden.

Er vertrat die Auffassung, daß die Haupthindernisse bei der Entwicklung der Nord-Süd-Kooperation vor allem in dem mangelnden gegenseitigen Verständnis liege. Einige Industrieländer verstünden nicht, daß sie aus der Entwicklung der Länder der Dritten Welt auch Nutzen ziehen könnten. Manche Länder meinten sogar, daß die Entwicklung der Nord-Süd-Kooperation mit ihnen nichts zu tun habe, sondern nur Sache der alten Kolonialisten sei. Dann seien auch die Differenzen unter den Entwicklungsländern zu groß, und ihre Flexibilität sei zu klein.

Am 30. Mai traf Vorsitzender Brandt mit Deng Xiaoping, Vorsitzenden der Beraterkommission beim ZK der KP Chinas, zusammen. Am selben Tag hielt er im Beijinger Internationalen Klub eine Rede über die Friedensfrage. Während seines Aufenthaltes in Shanghai hielt Brandt an der Tongji-Universität einen Vortrag über die Nord-Süd-Beziehungen.

Auf einer Pressekonferenz am 31. Mai sagte Brandt: ,,Durch diesen Besuch wurde unsere Auffassung verstärkt: China ist eine Großmacht, ein wichtiger Staat, den irgendein Land nicht als eine politische Karte betrachten kann. China mit seiner Öffnungspolitik bildet einen wichtigen und stabilen Faktor in der Weltpolitik."

Auf die Entwicklung der Beziehungen zwischen der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands und der KP Chinas eingehend, sagte er: ,,Während der Gespräche haben wir in einigen substantiellen Problemen gleiche Ansichten erzielt. Die beiden Seiten stimmten überein, Informationen und Dokumente auszutauschen und hochrangige Leiter jährlich einmal zum gegenseitigen Besuchen zu entsenden."

Vorsitzender Brandt lud Generalsekretär Hu Yaobang zum Besuch der Bundesrepublik Deutschland ein. Hu nahm diese Einladung ein.