Saxophonist Yampal auf dem Kulturfestival Beijing, 2009
Der deutsche Saxophonist „Yampal" alias Thomas Nennstiel erhielt seine Ausbildung in klassischer Musik in Essen und Wien, später wechselte er zum Jazz und studierte bei Jerry Bergonzi in Boston und Werner Pöhlert in Deutschland. Als Solosaxophonist tourte er quer durch Europa, 2009 folgten Auftritte in China. Bei seinen Konzerten in Beijing überraschte der in Essen geborene Musiker das Publikum, als er chinesische Volkslieder zum Besten gab - auf eine ungewöhnliche Art und Weise. Im Interview mit der Beijing Rundschau spricht Yampal über seinen Faible für China und Chinese-Reggae.
Ihre musikalische Entwicklung führte Sie von der klassischen Musik über Jazz, zu Latin, Reggae, Ska und kühnen Experimenten. So finden sich in manchen Ihrer Reggae-Nummern Melodien aus chinesischen Volksliedern wieder. Wo sind Sie denn auf diese Lieder gestoßen?
Vorausschicken muss ich, dass ich schon immer ein großes Interesse an China hatte, sei es am Chan-Buddhismus, an der Politik (ich war noch sehr jung, da hatte ich schon die Mao-Aussprüche!), der Architektur, den wunderschönen Landschaften oder den Schriftzeichen – obwohl ich gestehen muss, dass ich erst vor drei Jahren begonnen habe, Chinesisch zu lernen und gerade einmal 1000 Zeichen kann – und durch das Internet bekam ich dann auch Zugang zu chinesischer Musik.
Was war es, das Sie an der chinesischen Musik gereizt hat, weshalb wählten Sie die Lieder für ihre Kompositionen aus und ließen sie mit Reggae verschmelzen?
Bei manchen Musikstücken fiel mir plötzlich auf: Wenn man einige rhythmische Aspekte verstärkt, dann bekommt das Stück einen Reggae Groove oder wird zum Ska. Das funktioniert natürlich nur bei wenigen Stücken. Was ich nicht möchte: mit Gewalt die Stücke so hinzubiegen, bis es passt! Dafür sind die Originale zu schön. Inzwischen machen mich chinesische Freunde auf Stücke aufmerksam, wenn sie das Gefühl haben, dass sie zu meiner Arbeit passen könnten.
Können Sie Chinese-Reggae kurz beschreiben?
Hm, schwierig. Aus westlicher Sicht kann man sagen, es klingt wie Reggae, mit ungewöhnlichen Melodien. Aus chinesischer Sicht klingt es vermutlich wie chinesische Musik mit einem ungewöhnlichen Rhythmus und ungewöhnlicher Instrumentierung.
2009 sind Sie in China aufgetreten. Wie reagierte das chinesische Publikum, als es Lieder wie „Zai na yaoyuan de difang" („An einem fernen Ort), ein altbekanntes Liebeslied aus Qinghai, und „Xintian you", ein nordwestchinesisches Volkslied, im Reggae-Gewand präsentiert bekam?
Zuerst mal erstaunt. Dann erfreut, als sie merkten, dass sie sich nicht getäuscht haben, sondern es wirklich das Lied ist, das sie kennen.
Gab es Leute, die Ihren Adaptionen kritisch begegneten?
In China – nein. Und auch in Europa, egal ob auf einem Reggaefestival oder dem berühmten Opernball in Wien, es hat den Leuten gefallen. Ich erinnere mich an einen Gast auf dem Opernball, der eigentlich überhaupt keine Saxophonmusik mag (das hat er mir hinterher erzählt), aber vom Tibet Reggae „Qingzang Gaoyuan" („Das Qinghai-Tibet Plateau") derart fasziniert war, dass er sogar eine CD kaufte.
Momentan sind Sie als Solosaxophonist unterwegs. Sie selbst haben aber einmal gesagt, einige ihrer Kompositionen würden geradezu nach einem Sänger oder einer Sängerin schreien. Gibt es denn chinesische Sänger, mit denen sie gerne zusammenarbeiten würden?
Eher mit einer Sängerin. Ich denke da an ein Stück, das ich im Shanghai-Stil der 20er oder 30er Jahre geschrieben habe, also kein Reggae. Es ist eher an der Grenze zwischen Jazz und Chanson angesiedelt - mit Streichern und Guzheng in der Begleitung. „Name Jinzhang" heißt es als Instrumentalstück und „Qipan" („Hoffen") als Gesangsstück. Eine chinesische Freundin hat nämlich einen Text dazu geschrieben. Da fehlt mir noch eine Sängerin.
Bekommt man in Deutschland etwas von der zeitgenössischen chinesischen Musik mit?
Wenig, beziehungsweise nur in bestimmten intellektuellen und künstlerischen Kreisen. Da muss noch viel getan werden in Sachen Promotion.
Wie steht es umgekehrt in China um den Reggae?
Er ist in China nicht so populär wie zum Beispiel Jazz oder bei jüngeren Leuten der Punk. Aber es gibt in Beijing immerhin die „Together Bar", und in der Gegend um den Houhai habe ich in verschiedenen Bars Reggae gehört.
Womit haben Sie sich in letzter Zeit beschäftigt und wie geht es weiter mit Yampal?
Ich spiele regelmäßig auf Veranstaltungen der Kölner Chinafreunde, wie dem Laternenfest oder dem Mondfest, für die Chinesische Studentenvereinigung in Köln und auf anderen deutsch-chinesischen Veranstaltungen, z.B. bei „Peking-Oper meets Reggae", wo ich zusammen mit den Pekingoper-Künstlern Wen Lei und Zhang Le aufgetreten bin.
In letzter Zeit war es mir sehr wichtig, den Tibet Reggae fertig zu stellen und ordentlich aufzunehmen. Und für die Zukunft gilt: Stücke suchen, arrangieren, komponieren und Konzerte geben. Und das Wichtigste ist, ich möchte noch mal nach China.
Na dann viel Erfolg und danke für das Gespräch!
Das Interview führte Hannah Seidl |