30-12-2011
Internationale Politik 2011
Chinesisch-Deutsche Beziehungen im Jahre 2011: Die Bilanz ist positiv
von Meng Hong
Die rund 20 geschlossenen Abkommen im Rahmen der ersten chinesisch-deutschen Regierungskonsultationen reflektieren jedoch die weiterhin zentrale Bedeutung der bilateralen Wirtschaftsbeziehungen für beide Länder. Schließlich beziehen sich mehr als die Hälfte der Abkommen auf diesen Bereich. Deutschland wird dadurch in den kommenden fünf Jahren wohl der wichtigste europäische Wirtschaftspartner Chinas bleiben können. Gemäß der im Anschluss an die ersten Regierungskonsultationen veröffentlichten Pressemitteilung sollte sich das chinesisch-deutsche Handelsvolumen bis zum Jahr 2015 von gegenwärtig mehr als 140 Milliarden US-Dollar auf 280 Milliarden steigern. Bereits im Vorjahr hat China die USA überholt und gilt seitdem als der wichtigste deutsche Exportmarkt außerhalb Europas. Seit Jahren ist China für Deutschland das größte Lieferland. Mit der neuen Zielsetzung der Handelsvolumen sollte zugleich der bisher stets beklagte Investitionsprotektionismus überwunden werden.

Die geschlossenen Verträge zeigen zudem einen gewissen Wandel in der Setzung der inhaltlichen Schwerpunkte der künftigen bilateralen Zusammenarbeit im wirtschaftlichen Bereich. Im Rahmen der Regierungskonsultationen wurden nämlich Verträge zwischen den chinesischen und deutschen Ministerien zu Elektromobilität, Normung, Bauwesen und Biowissenschaft sowie zur Förderung gegenseitiger Investitionen abgeschlossen. Zur Förderung einer stärkeren Zusammenarbeit chinesischer und deutscher Mittelständler wird die chinesische Seite künftig ein Kreditprogramm von zwei Milliarden Euro bereitstellen. Deutschland gilt bisher als der zehntgrößte ausländische Investor in China. 2010 betrugen die deutschen Direktinvestitionen in China 933 Millionen US-Dollar und in den ersten zehn Monaten 2011 sogar 998 Millionen US-Dollar. Die Investitionen aus Deutschland fließen vor allem in die chemische Industrie, den Automobilbau sowie den Maschinen- und Anlagenbau. Bereits mehr als 7000 deutsche Unternehmen haben sich inzwischen in China niedergelassen, dazu zählen vor allem VW und Siemens, aber auch BASF, die dieses Jahr einen Vertrag über Investitionen in Chongqing in Höhe von 860 Millionen Euro abgeschlossen haben, die ab 2014 wirksam werden sollen.

Im Bereich Kultur- und Wissenschaftsaustausch ist im Jahr 2011 – nach den dreijährigen Veranstaltungen "Deutschland und China – Gemeinsam in Bewegung" von 2008 bis 2010 und dem "Deutsch-Chinesischen Wissenschaftsjahr 2009/2010" – ein besonderer Höhepunkt hervorzuheben. Am 1. April ist die bisher größte Ausstellung beider Länder, „Die Kunst der Aufklärung", unter der gemeinsamen Schirmherrschaft von Staatspräsident Hu Jintao und Bundespräsident Christian Wulff im neu eröffneten, von deutschen Architekten gestalteten Chinesischen Nationalmuseum feierlich eröffnet worden, und zwar gemeinsam von Staatsrätin Liu Yandong und dem deutschen Außenminister Guido Westerwelle. Im Mittelpunkt der Ausstellung stehen die Ideen der europäischen Aufklärung, die eine nachhaltige Wirkung auf das Kunstschaffen und die geistige wie gesellschaftliche Entwicklung in Deutschland ausgeübt haben, obwohl sie selbst keine eigene künstlerische Strömung begründeten und im Westen der Begriff "Kunst der Aufklärung" auch nie als kunstgeschichtliche Klassifizierung Eingang fand. Auf 2700 Quadratmetern werden ein Jahr lang insgesamt 579 Exponate aus drei renommierten deutschen Museen gezeigt. In der Ausstellung sind nicht nur Graphik und Malerei vertreten, sondern auch Bildhauerei, Mode und kostbare wissenschaftliche Instrumente. Untergliedert ist die Ausstellung in neun Abteilungen, wobei der Einfluss Chinas auf die europäische Aufklärung in einer eigenständigen Abteilung berücksichtigt wird. Begleitet wird die Ausstellung von einer Reihe von Vortrags- und Diskussionsveranstaltungen unter dem Titel "Aufklärung im Dialog", wozu u.a. Wissenschaftler, Studierende und Medienvertreter eingeladen sind. Die umfassende Ausstellung bietet chinesischen Bürgern eine gute Gelegenheit, mittels Kunstwerke auf die Spur der geistigen Entwicklung im fernen Deutschland zu kommen und sich damit ein besseres Verständnis für das als Land der Ideen gewürdigte fremde Land in Europa zu verschaffen.

Zum 40-jährigen Jubiläum der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen der VR China und Österreich hat der chinesische Staatspräsident Hu Jintao Ende Oktober in der Alpenrepublik einen dreitägigen Staatsbesuch abgestattet, bevor er weiter zur Teilnahme am G20-Treffen nach Cannes reiste. Neben den politischen Gesprächen mit dem österreichischen Bundespräsidenten und dem Bundeskanzler wurde der Kultur besondere Aufmerksamkeit geschenkt. Hu besuchte eigens Salzburg, die Geburtsstadt Mozarts.

2012 folgt das Jubiläum der 40 Jahre diplomatischer Beziehungen zwischen der VR China und der Bundesrepublik. China wird als Partnerstaat und Gastland der Hannover Messe 2012 in Erscheinung treten. In verschiedenen deutschen Städten wird zudem das "Chinesische Kulturjahr" veranstaltet. Es wird weitgehend von der chinesischen Seite abhängen, ob es gelingt, das Land aus interkultureller Sicht als modernes und vielfältiges, sich infolge der kontinuierlichen Durchführung der Öffnungs- und Reformpolitik rasant entwickelndes Reich der Mitte dem deutschen Publikum anschaulich zu präsentieren. Denn nur ein tief gehendes Verständnis und Vertrauen sowie ständiges gegenseitiges Lernen können die umfassenden strategischen Partnerschaften zwischen China und Deutschland langfristig auf einer gleichberechtigten Ebene aufrecht erhalten und zum gegenseitigen Nutzen beitragen. Darauf sollte und kann man wohl auch gespannt sein im kommenden Jahr des Drachen.

 

Die Autorin ist stellvertretende Leiterin des Deutschland-Forschungszentrums der Renmin-U niversität in Beijing.

 

 

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