20-10-2011
60 Jahre friedliche Befreiung Tibets
Tibetischer B-boy hat nix zu dissen
von Tao Xiyi

Ein junger Mann bringt die Hip-Hop-Kultur nach Tibet

Unter der Menschenmenge, die sich auf den Jokhang-Tempel im Zentrum von Lhasa zubewegt, sticht ein junger Mann hervor, der mit seinem schwarzen T-Shirt und den Jeans so gar nicht zu den Pilgern in ihren traditionellen Gewändern mit Gebetsmühlen in Händen zu passen scheint. Aber auch er betet andächtig vor den bunten Gebetsfahnen. Er ist Tibeter, 27 Jahre alt und heißt Sonam Tseten.  

Wie viele junge Tibeter hat auch Sonam Tseten außerhalb des Autonomen Gebiets studiert und ist multikulturell bewandert. Talentiert ist er obendrein: Er ist gut in tibetischer Musik und Tanz und gilt bereits seit seiner Mittelschulzeit als aufsteigender Stern am Hip-Hop-Himmel.

Im Juli 2003 hat Sonam Tseten zusammen mit seinen Freunden die "Dynasty of Tibet Dancing Crow" (Wuzang Wangchao) gegründet, die erste Hip-Hop-Tanzgruppe im stockkonservativen Tibet. Alle Mitglieder sind Tibeter und gut in der Szene vernetzt, 2006 haben sie in einem landesweiten Wettbewerb den zweiten Platz belegt.

Wenn sie nicht auf der Bühne standen, brachten sie Kindern die moves bei. Die Eltern der Kleinen waren zunächst skeptisch: Die Hip Hopper wirkten doch arg unseriös mit ihrem modernistischen Getue in exotischen Klamotten! Die heilsame Wirkung der beats auf ihre missratenen Kinder war jedoch unmittelbar zu spüren: Weniger Surfen im Internet, steigende Unlust an Computerspielen und merklicher Fortschritt in Sachen Leibeserziehung, sozialer Interaktion und Teamgeist. Was will man mehr auf dem Dach der Welt? Der Zuspruch der Erziehungsberechtigten gab Sonam Tseten mächtig Auftrieb bei seinem Plan, den Hip-Hop in Tibet gesellschaftsfähig zu machen.  

Nach seinem Studienabschluss kehrte er nach Tibet zurück und handelte mit lokalen Produkten, verlor aber nie sein Tanz-Projekt aus den Augen. 2008 meldete er die Tanzgruppe als Gewerbe an, ein Meilenstein in der Geschichte des tibetanischen Hip-Hop. Im Jahr darauf begannen sie mit der Veranstaltung von Hip-Hop Wettbewerben, die Wohltätigkeitsveranstaltung „Dancers Come Back" war eine davon.

Die Sache mit der Wohltätigkeit hätte auch ins Auge gehen können: Die B-boys hatten null Erfahrung in Bühnenbau, Licht- und Sounddesign. Geld natürlich auch keins. Macht nix, sagte sich Sonam Tseten und lud zum Tanz. Und von überall her strömten die Hip-Hopper und brachten praktischerweise gleich ihre Eltern mit: das erhöhte zwar nicht gerade ihre street credibility, beflügelte aber den Absatz der Eintrittskarten, deren Verkaufserlös in Wohltätigkeitsprojekte floss. 

Schmallippige Bedenkenträger wittern dennoch den Untergang der traditionellen Kultur. Sonam Tseten aber gibt Entwarnung und meint treuherzig: "Der Zauber des Hip-Hop hat die Menschen angesteckt und steht überhaupt nicht in Konkurrenz zur alten Kultur! Im Gegenteil: Er ist doch eine Auffrischung des Blutes, dass durch unser aller Adern fließt!"

Gesagt, getan, damit die Symbiose aus Gegenwart und Vergangenheit auch recht augenfällig wird, steckte Sonam Tseten die Tänzer in traditionelle Gewänder und ließ Stilelemente tibetischer Kunst und sogar Architektur in die Powermoves einfließen: „Das bringt frischen Wind in den Hip-Hop und bewahrt zugleich die kulturelle Identität der Tibeter", sagt er mit einem Augenzwinkern. Klar, denn so kennt man den braven Tibeter ja auch aus dem chinesischen Fernsehen: Stets zu rustikalen Späßen aufgelegt, Klampfen und Geigen in der Hand frisch aufspielend und gar traditionell durchs Bild hippend und hoppend! Im Grunde also im Hochland nichts Neues ...

 

Cool man!: Sonam Tseten (links) und Konsorten studieren am 18. Juni Breaks in einem Studio in Lhasa, der Hauptstadt des Autonomen Gebiets Tibet ein. (TAO XIYI)

 

Fest verwurzelt in der Tradition: Sonam Tseten betet am 15. Juli bei einem buddhistischen Fest vor dem Jokhang Tempel in Lhasa.

 

Segenswünsche: Sonam Tseten und seine Bitch am 15. Juli beim Kauf eines thangka in Seidenstickereiausführung, das einem Freund als Segenswunsch überreicht werden soll. (TAO XIYI)

 

Memorabilia: Bilder erzählen die Geschichte des Hip-Hop in Tibet und die Erfolgsgeschichte von Sonam Tseten. (TAO XIYI)

 

Turn on! Sonam Tseten mixt sich am 15. Juli auf dem iPad einen musikalischen Cocktail. (TAO XIYI)

 

Yo Alter, was geht ab?: Sonam Tseten (rechts) begrüßt einen Partner am 6. August vor den Proben für den 3. Dancers Come Back, der großen Breakdance Battle zugunsten wohltätiger Zwecke. (TAO XIYI)

 

Alles klar?: Sonam Tseten macht am 5. August den Soundcheck für das Mega-Event in Sachen Charity(TAO XIYI)

 

9. RoboCops: Auftritt beim Dancers Come Back Battle am 6. August (TAO XIYI)

 

Blinzeln verboten!: Die Dynasty of Tibet Dancing Crow als Hupfdohle auf der Brakdance Battle vom 6. August. (TAO XIYI)

 

Relax: Sonam Tseten (mitte), im Kreise seiner Hip Hopper nach dem Ende der Breakdance Battle vom 6. August. (TAO XIYI)

 

Musik ab! Soundcheck am 6. August hinter der Bühne. (TAO XIYI)