30-09-2011
Die Revolution von 1911 und Sun Yat-sen
Die Revolution von 1911 und Sun Yat-sen
von Zhang Haipeng

Neue Versuche

Interessanterweise sprach er in der Folgezeit bei verschiedenen Anlässen über die Perspektiven für die Entwicklung des Sozialismus. Mehrmals charakterisierte er das von ihm befürwortete Volkswohl als Sozialismus und fand dafür treffende Erläuterungen. Im Juli 1912 hielt er in Shanghai vor den Vertretern der chinesischen Sozialpartei eine lange Rede über den Sozialismus. Noch bemerkenswerter war, daß er fast nach jeder Niederlage zu diesem Thema zurückkehrte. Während der Reorganisierung der Kuomintang betonte er immer wieder, daß der Sozialismus und der Kommunismus Ergebnis der Entwicklung der chinesischen Geschichte sei. Diese Worte sind in seinen gesammelten Werken nachzulesen.

Im September 1924 beschloß Sun Yat-sen, den Nordfeldzug durchzuführen. Hier bei der Vereidigung von Armeeinheiten Fotos: Xinhua-Nachrichtenagentur

Sun Yat-sen stammte aus einer Bauernfamilie. Als Kind half er bei der Landarbeit und empfand tiefe Sympathie für die Werktätigen. Er war in Europa und in den USA gewesen, wo er den Kampf zwischen Arbeitern und Unternehmern in den entwickelten kapitalistischen Ländern sowie einen Aufschwung der sozialistischen Bewegung erlebt hatte. Seine Hoffnung zielte darauf, die Übelstände bourgeoiser Autokratie vermeiden und die Lebensbedingungen der Bevölkerung verbessern zu können. Er war nicht bereit, einer Handvoll von Menschen bei der Erweiterung ihrer eigenen Macht zu helfen. Er glaubte, jede Regierung könnte eines Tages gestürzt werden, ebenso jeder Kapitalist. In seinem letzten Lebensabschnitt befürwortete er ,,Jedem Pflüger sein Feld" und ,,Kapitalbeschränkung" als eine Möglichkeit für den nichtkapitalistischen Weg in China. Zwischen den Ansichten Sun Yat-sens und dem wissenschaftlichen Sozialismus bestand dem Wesen nach ein Unterschied. Trotzdem verehrte er Marx und den Marxismus, von dem seine Ideologie in bestimmtem Maße zweifellos beeinflußt war. Der Kommunismus sei das höchste Ideal der Menschheit und die oberste Etappe des Sozialismus und Volkswohl bedeute Sozialismus und Kommunismus, stellte er fest. Die chinesische Gesellschaft werde sich in Zukunft zum Kommunismus entwickeln. Die Oktoberrevolution in Rußland bezeichnete er als Vorbild für China und hoffte, daß es keine bürgerliche Republik wie Großbritannien und die USA, sondern seine Volksrepublik wie Sowjetrußland werde.

Nach der Revolution von 1911 hatten die Militärmachthaber des Nordens und die Koumintang-Regierung das soziale und politische Ideal Sun Yat-sens nicht verwirklicht und auch gar nicht beabsichtigt. Nachdem die Kommunistische Partei Chinas im Jahre 1949 an die Macht gekommen war, konnte China die Fesseln der halbkolonialen und halbfeudalen Gesellschaft sprengen, die Ideen Sun Yat-sens ,,Jedem Pflüger sein Feld" und ,,Kapitalbeschränkung" realisieren und das Modernisierungsprogramm in Angriff nehmen. Der bekannte amerikanische Wissenschaftler für die chinesische Geschichte der Neuzeit C.M. Wilber schrieb in seinem Buch ,,Sun Yat-sen — Patriot mit einem hohen Ideal": ,,Der Traum Sun Yat-sens, China zu befreien, wurde erst nach fünfzig Jahren schrittweise verwirklicht". Die Sehnsucht Sun Yat-sens nach Sozialismus ist keine Illusion mehr, sondern bereits Realität. Nach 40jährigem Versuch und Kampf des Volkes hat das sozialistische System in China bereits Wurzeln geschlagen. Hätte Sun Yat-sen dies noch erleben können, wäre er auch besonders hocherfreut über die großen Erfolge gewesen, die China heute bei der Reform und Öffnung und bei der sozialistischen Modernisierung erzielt.

Der Autor ist Forschungsrat und stellvertretender Leiter des Instituts für die Geschichte der Neuzeit an der Chinesischen Akademie der Sozialwissenschaften.

(Quelle: Beijing Rundschau Nr. 41, 1991)

 

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