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Sun Yat-sen, seine Frau und ihre japanische Freundin (links) 1915 in Tokio Foto: Xinhua-Nachrichtenagentur
Ziel und Ergebnis
Historiker betrachteten den Wuchang-Aufstand im Oktober 1911, die Gründung der provisorischen Republik China in Nanjing im Januar 1912 und den Rücktritt des Qing-Kaisers im Februar 1912 als charakteristische Merkmale der Revolution von 1911. Tatsächlich ging ihr aber ein langwieriger Prozeß voller Windungen voraus.
Im November 1894 hatte Sun Yat-sen in Honolulu die ,,Vereinigung zur Erneuerung Chinas" als die erste bürgerliche revolutionäre Organisation gegen die Qing-Dynastie gegründet. Ihren Hauptsitz richtete die Vereinigung im Februar 1895 in Hong Kong ein. Der Schwur lautete: ,,Vertreibung der Mandschuren, Wiedergeburt Chinas, Gründung einer vereinigten Regierung". Daraus ging hervor, daß sie nach dem Vorbild der USA eine nationale und demokratische bürgerliche Revolution anstrebte. Im August 1905 gründeten Sun Yat-sen und Huang Xing unter den chinesischen Studenten in Tokio die Tong Meng Hui (Revolutionäre Liga) als die erste bürgerliche Partei Chinas. Auf ihrem Banner schrieb sie: ,,Vertreibung der Mandschuren, Wiedergeburt Chinas, Gründung einer Republik, Ausgleich der Bodenrechte". Im Organ der Liga ,,Minbao" gab Sun Yat-sen 1906 eine Erklärung zu diesem Schwur ab und entwickelte die Drei Volksprinzipien: Nationalismus, Demokratie und Volkswohl. Nationalismus bedeutete Sturz der Qing-Dynastie, Demokratie die Gründung einer demokratischen Republik und Volkswohl den Ausgleich der Bodenrechte und die Entwicklung der kapitalistischen Wirtschaft. Später sagte Sun Yat-sen mehrmals, daß seine Drei Volksprinzipien und die politischen Grundsätze des amerikanischen Präsidenten Lincoln ,,Regierung des Volkes durch das Volk für das Volk" gleichbedeutend seien.
Warum kam es zur Revolution von 1911? Um diese Frage zu beantworten, muß man Chinas Verhältnisse seit Mitte des 19. Jahrhunderts analysieren. Nach dem Opiumkrieg 1840, den Großbritannien gegen China entfesselte, verwandelte sich China von einem unabhängigen Feudalstaat in einen halbkolonialen Staat mit beträchtlich eingeschränkter Souveränität. Die Vereinten Truppen Englands und Frankreichs drangen zwischen 1856 und 1860 in China ein. Von 1884 bis 1885 zwang Frankreich China einen Krieg auf. Die Korruption der Qing-Regierung trat noch stärker zutage. Japan, ein kleines Land im Osten, entfesselte zwischen 1894 und 1895 einen Aggressionskrieg gegen China. Nach jedem Krieg erpreßten die Invasoren von diesem Land immer wieder neue Privilegien. China verfiel von Tag zu Tag in ein halbkoloniale und halbfeudale Gesellschaft.
Gegen Ende des 19. Jahrhunderts war es als Land mit hoher Zivilisation und einer langen Geschichte unter der feudalen Diktatur und der korrupten Herrschaft der Qing-Dynastie völlig heruntergekommen und von einer Zerstücklung durch die imperialistischen Mächte bedroht. Großbritannien, das als erster Eroberer in China eindrang, zwang die Qing-Regierung, Hong Kong und Kowloon abzutreten und ,,Neue Territorien" sowie Weihaiwei zu verpachten, und erklärte das Einzugsgebiet des Jangtse als seine Einflußsphäre. Rußland annektierte im nordöstlichen und nordwestlichen Gebiet Chinas ein Territorium von mehr als einer Million Quadratkilometern, ,,pachtete" Lüshun und Dalian mit Gewalt und erklärte das Gebiet nördlich der Großen Mauer zu seiner Einflußsphäre. Frankreich erzwang die Kontrolle über die Guangzhou-Bucht und machte Guangdong, Guangxi und Yunnan zu seiner Einflußsphäre. Deutschland unterwarf die Jiaozhou-Bucht (einschließlich Qingdaos) seinem Diktat und bestand auf Shandong als seine Einflußsphäre. Nach dem chinesisch-japanischen Krieg von 1894 hielt Japan Chinas Provinz Taiwan besetzt und erklärte die Provinz Fujian zu seiner Einflußspähre. Damals wurde Tibet, das schon längst unter der Verwaltung der chinesischen Zentralregierung stand, auch zu einem Streitobjekt zwischen Großbritannien und Rußland. Die imperialistischen Staaten errichteten in China noch Handelshäfen, legten hier viel Kapital zur Errichtung von Fabriken an und kontrollierten dadurch die Lebensader der Wirtschaft. Im August 1900 brach in Nordchina eine patriotische Bauernbewegung gegen den Imperialismus aus. Unter dem Vorwand, ihre Botschaften zu schützen, setzten acht imperialistische Länder über 100 000 Soldaten als verbündete Streitkräfte nach China in Marsch, um den Widerstand des chinesischen Volkes zu unterdrükken. Überall in den eroberten Städten Nordchinas wie Tianjin und Beijing haben sie gebrandschatzt, getötet und geplündert. Im September 1901 zwangen elf Mächte die Qing-Regierung, den Vertrag von 1901 zu unterzeichnen. Sie erpreßten 980 Millionen Tael Silber ,,Schadenersatz". Davon galten 530 Millionen als Zinsen. Das bedeutete, daß jeder der 450 Millionen zählenden chinesischen Bürger ein Tael Silber zahlen mußte, was einer Strafe der ganzen Nation gleichkam. Aber nicht nur das. Sie wollten vor allem die Teilnahme des chinesischen Volkes an der antiimperialistischen Bewegung für immer unterbinden, stationierten deshalb ihre Truppen in mehr als zehn Orten zwischen Beijing und dem Shanhaiguan-Paß und schufen damit einen Präzedenzfall für die Stationierung ausländischer Truppen in China. Das von ausländischen Truppen geschützte Botschaftsgebiet Dongjiao Minxiang entstand so als fremde Machtdomäne neben der chinesischen Regierung im eigenen Land.
Vor diesem geschichtlichen Hintergrund sahen sich die Fortschrittskräfte gezwungen, nach einem Weg zur Rettung des Landes und des Volkes zu suchen. Aus diesem Grunde wurde in den 50er und 60er Jahren des 19. Jahrhunderts die Taipingtiangou-Revolution der südchinesischen Bauern unter Führung von Hong Xiuquan eingeleitet. Einige chinesische Intellektuellen der Oberschicht hatten 1898 die ,,Reformbewegung" in Gang gesetzt. 1900 versuchten die Bauern im Norden Chinas, durch radikale Mittel der Fremdenfeindlichkeit eine Lösung zu finden. Aber alle diese Anstrengungen sind gescheitert.
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