Für eine Prognose, ob chinesische Markenprodukte wirklich davon profitieren, wenn sie von ausländischen Konzernen übernommen werden, ist es noch zu früh.
Die Nestlé Gruppe gab am 11. Juli bekannt, dass sie für 1, 7 Milliarden US Dollar 60 Prozent der Anteile an Hsu Fu Chi International Ltd, erwarb.
die Kasse von Hus Fu Chi in einem Supermarkt cnsphoto
Am 11. Juli gab die Nestlé Gruppe bekannt, dass sie für 1,7 Milliarden US-Dollar 60 Prozent der Anteile an Hsu Fu Chi International Ltd, einen bekannten chinesischen Hersteller von Süßigkeiten, erworben hat. Es ist dies der 35. Fall einer Übernahme chinesischer Marken durch ausländisches Kapital und die zweite Übernahme durch Nestlé in China in diesem Jahr. Am 18. April hatte der Weltkonzern mit Sitz in der Schweiz bereits 60 Prozent der Anteile von Yinlu erworben, einem anderen bekannten chinesischen Lebensmittelhersteller.
Nach der Bekanntgabe der Übernahme von Hsu Fu Chi durch ein ausländisches Unternehmen ist in der Öffentlichkeit Bedauern darüber geäußert worden, dass eine weitere chinesische Marke vom Markt verschwinden wird.
Die Erfahrungen, die in der Branche bislang mit Fusionen und Übernahmen gemacht wurden, geben wenig Anlass zu Optimismus. Schon eine ganze Reihe von chinesischen Traditionsbetrieben sind nach der Übernahme durch ausländische Unternehmen praktisch vom Markt verschwunden, darunter die Kosmetikhersteller Maxam, Mininurse sowie Power 28, eine Anfang der 90er Jahre sehr bekannte Marke für chemische Produkte. Der Marktanteil von Zhonghua-Dentifrice ist nach der Übernahme immer kleiner geworden. Robust, eine berühmte Getränkemarke, trat nach Übernahme durch ein ausländisches Unternehmen schrittweise in den Hintergrund.
Der stellvertretende Generalsekretär der Handelskammer für Elektronische Produkte, Lu Renbo, sagt, dass sich die meisten chinesischen Unternehmen nicht bewusst seien, dass nach einer Übernahme die eigenen Markennamen vom Markt verschwinden werden. Ein multinationales Unternehmen will durch die Übernahme des lokalen Betriebes sofort auf die vorhandenen Produktionskapazitäten und Distributionskanäle zugreifen. Der Wert einer Marke spielt dabei keine Rolle. Der Konzern sei nicht dazu verpflichtet, den Markennamen zu erhalten.
Glück oder Unglück?
Nach Angaben von Hsu Fu Chi belief sich im vergangenen Jahr der Umsatz auf 4,31 Milliarden Yuan (ca. 475 Millionen Euro) und der Nettogewinn auf 602,2 Millionen Yuan (66,4 Millionen Euro), was einem Wachstum von 14 bzw. 31 Prozent im Jahresvergleich entsprach. Das Unternehmen ist in Sachen Süßigkeiten Marktführer in China. Warum wurde die Marke verkauft? Hsu Fu Chi gibt dazu keine Erklärung ab.
Betrachtet man die Sache allein unter dem Aspekt des Kaufpreises, so haben die Inhaber von Hsu Fu Chi nach Expertenmeinung zweifellos ein gutes Geschäft gemacht. Das Problem von Hsu Fu Chi liegt darin, dass sich seit Jahren nahezu unverändert alle Produkte auf die Bereiche Bonbons und Kuchen konzentrieren. In dieser Sparte nimmt die Konkurrenz erheblich zu, während die Auffrischung und Erneuerung der Produktpalette bei Hsu Fu Chi viel zu langsam erfolgt. Ihre Fähigkeiten im Bereich Forschung und Entwicklung sind unzureichend; der Versuch, hochwertige Produkte im Schokoladensortiment zu lancieren, ist gescheitert. Abhilfe schafft hier vielleicht die bekannt leistungsfähige R&D Sparte von Nestlé, die Hsu Fu Chi neuen Auftrieb geben kann. Der Verkauf ist zu einem guten Preis erfolgt, zusätzlich winkt den Aktionären eine Prämie in Höhe von 24,7 Prozent des durchschnittlichen Aktienwertes der letzten 180 Tage.
Für eine Prognose, ob Hsu Fu Chi durch die Übernahme einen neuen Aufschwung nehmen wird oder nicht, ist es noch zu früh. Nach Wang Wei, Vorsitzender der China Mergers and Acquisitions Association, sei der Markenwert von Hsu Fu Chi unbezahlbar, die Auswirkung der Übernahme auf die Branche sei jedenfalls schwer abzuschätzen.
Eine Übernahme kann die Geschwindigkeit der Entwicklung der Branche beschleunigen, zugleich aber besteht das Risiko, dass ein ausländisches Unternehmen durch die Übernahme einen Industriezweig vollständig unter seine Kontrolle bringt und inländische Unternehmen jeglichen Einfluss auf das Marktgeschehen verlieren.
Auf dem chinesischen Kapitalmarkt rechnet Wang in den nächsten zwei Jahren verstärkt mit Übernahmen durch ausländische Unternehmen. Er sieht darin eine konkrete Bedrohung für die wirtschaftliche Integrität des Landes. Durch die überlegene Technik der meisten ausländischen Konzerne lassen sich für chinesische Firmen nur schwer Fortschritte in Sachen Produktionstechnologie erzielen.
Schutz chinesischer Marken
Peng Guangyi, Generaldirektor der Peking Tea Corp, erinnert an die traditionsreiche Teemarke Jinghua. In ihren besten Tagen hielt Jinghua in Beijing einen Marktanteil von 80 Prozent und erzielte einen Jahresumsatz von 300 Millionen Yuan ( 46,6 Millionen US-Dollar).
Im Jahr 1999 wurde die Teemarke von Unilever gekauft. Acht Jahre später ist Jinghua fast verschwunden. Im Jahr 2007 kaufte Peking Tea Corp nach Verhandlungen mit Unilever den Markennamen zurück, um einen Relaunch des Produkts zu wagen.
„Wir glaubten, dass ein ausländisches Unternehmen die Jinghua-Marke weiterentwickeln würde, am Ende aber ist das nicht geschehen", sagt Peng.
Unter allen von ausländischen Firmen übernommenen chinesischen Unternehmen stehen Traditionsmarken vor den größten Herausforderungen, meint Peng. Unter dem Druck der Öffentlichkeit ist das Handelsministerium bei der Erteilung von Genehmigungen für die Übernahme traditionsreicher Marken durch ausländische Unternehmen besonders vorsichtig geworden.
Nach Einschätzung der China General Chamber of Commerce (CGCC) werden nur Unternehmen mit einer Geschichte von mehr als fünfzig Jahren, die über besondere chinesische Eigenschaften oder den ausgeprägten Charakter einer regionalen Kultur, einen hohen wirtschaftlichen und kulturellen Wert und einen guten Ruf verfügen, als Traditionsunternehmen anerkannt. Laut Statistik gibt es derzeit landesweit 1600 Traditionsmarken.
Beim Eintritt in einen neuen Markt wird ein multinationales Unternehmen den Traditionsmarken besondere Aufmerksamkeit widmen. Da China keine festgelegten Normen zur Beurteilung bekannter Marken hat, konnten einige dieser Marken zu niedrigem Preis verkauft oder gar durch feindliche Übernahmen erworben werden.
Die am 9. August 2006 erlassenen Bestimmungen über Fusionen und Übernahmen inländischer Unternehmen durch ausländische Investoren sehen vor, dass der Eigentumswechsel bei Traditionsmarken nur mit einer Genehmigung des Handelsministeriums erfolgen kann. In den vergangenen drei Jahren sind ein Drittel solcher Übernahmen gebilligt worden.
Schwierige Entscheidung
Die Zukunftsaussichten der Traditionsmarken sind keineswegs rosig. 70 Prozent der 1600 Unternehmen kämpfen ums Überleben, 20 Prozent sind in die Verlustzone geraten oder stehen kurz vor dem Bankrott. Lediglich zehn Prozent werfen Gewinne ab.
Die Hauptursache für diese Probleme liegt im Mangel an Kapital. Dies erklärt auch, warum heimische Unternehmen leicht durch ihre viel kapitalkräftigeren internationalen Partner erworben werden können.
„Viele traditionsreiche Unternehmen warten nicht länger auf eine Übernahme, sie gehen an die Börse, um dort direkt Kapital zu akquirieren", sagt An Huimin, stellvertretender Vorsitzender der CGCC und zugleich Direktor des Komitees für Chinas Traditionsmarken.
Bis jetzt sind 41 Traditionsunternehmen börsennotiert. "Nestlé, mit einer Geschichte von 114 Jahren, ist eine internationale Traditionsmarke. Chinesische Traditionsunternehmen könnten es Nestlé gleichtun", sagt An. Nach seiner Meinung stehen viele traditionsreiche Unternehmen vor dem Problem der Erneuerung ihrer Entwicklungsstruktur. Bei der Übertragung chinesischen Kulturerbes in die Gegenwart müssten moderne Managementmethoden angewandt und Vertrautheit mit dem Auslandsmarkt geschaffen werden.
Nicht alle raten zum Börsengang. Jiang Junxian, der ehemalige Präsident der China Quanjude (Group) Co. Ltd, sagt, dass eine Kapitalisierung über den Aktienmarkt manche Risiken für ein Unternehmen berge. Für viele Betriebe stehe die Überlebensfrage im Vordergrund, aber überleben könne ein Unternehmen nur, wenn es seine Betriebsgeheimnisse und speziellen Rezepturen bewahren könne. Ein Börsengang aber ist in aller Regel mit weitgehenden Offenlegungen verbunden. Durch Aktienhandel verändert sich die Besitzstruktur eines Unternehmens, außerdem müssen Managementstrategien grundlegend revidiert werden. Der Entschluss, an die Börse zu gehen, sollte daher nur nach reiflicher Überlegung gefällt werden.
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