20-07-2011
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Céring Dorjee: Bergsteiger aus Leidenschaft
von Zeng Wenhui

 

Ein einfaches Hemd im tibetischen Stil, ein von der Höhensonne gegerbtes Gesicht mit strahlenden Augen und auf dem Kopf schon ein paar graue Haare, das ist der 51-jährige tibetische Bergsteiger Céring Dorjee, Parteimitglied und Leiter des Bergsteigerteams des Autonomen Gebiets Tibet. Er und seine Männer sind das weltweit erste Team, das alle 14 Achttausender bestiegen hat. International bekannt ist er als Bergsteiger, der über die größte Erfahrung am Berg verfügt und die meisten Gipfel gestürmt hat. Zu seinen Ehrennamen zählen „Habicht des Schneegebirges" und „Erster, der den Qomolangma (Mount Everest) überquert hat".

 

Aller Anfang ist schwer

Céring Dorjee wurde 1960 in Xigazê als Nachfahre von Leibeigenen geboren. Als er neunzehn war, entdeckt er seine Leidenschaft fürs Bergsteigen.

Der Beijing Rundschau erzählt er, dass er anfangs ein ganz normaler Landwirt gewesen sei. Eine Gruppe chinesischer Höhenbergsteiger warb ihn für eine Himalaya-Expedition als Träger an. Nach einem Monat gründlicher Vorbereitung für den Aufstieg in Höhen, die ihm zuvor unvertraut waren, transportierte er die Ausrüstung für Basis- und Höhenlager in zuvor festgelegte Zonen: "Ich trug Instrumente und Vorräte für das Team bis zu einer Höhe von 6000 oder 7000 Meter. Anschließend stieg ich wieder ab. Höher hinaus kam ich damals nicht."

Langsam wuchs sein Interesse am Bergsteigen. 1988 fassten China, Japan und Nepal den Plan, verschiedene Seilschaften von beiden Seiten (Norden und Süden) auf den Gipfel des Qomolangma steigen zu lassen. Wegen seiner erwiesenen Begabung und guten Kondition wurde Dorjee als Teilnehmer ausgewählt. Er erreichte als erster des Teams von Norden aus den Gipfel. Er blieb ohne Sauerstoffflaschen 99 Minuten auf dem Gipfel, was einem neuen Weltrekord entsprach. Durch den Abstieg nach Süden machte sich Dorjee einen Namen als "Erster, der den Qomolangama überquert hat".  Die Landwirtschaft hing er an den Nagel und lebte fortan als berufsmäßiger Alpinist.

 

Unfälle und Verletzungen

Um die Dreißig ist das beste Alter für bergsteigerische Höchstleistungen. Céring Dorjee war eine Ausnahmebegabung und machte große Fortschritte. Da wurde er von einem Unfall aus der Bahn geworfen.

Im Herbst 1991 stieg das Team auf den Namjagbarwa. Dorjee führte die Seilschaft an, aber als sie in 7400 Meter Höhe eine schmale Eisrinne erreichten, wurden sie von Triebschnee heimgesucht, der von heftigem Wind über den Bergkamm geweht wurde. Der Schnee lagerte sich in der Eisrinne ab. Dorjee befahl dem Team hinter ihm den sofortigen Abstieg und sicherte dabei das Seil. Als sich endlich alle Mitglieder der Mannschaft in Sicherheit gebracht hatten, war Dorjee mehr als eine Stunde im Schnee gestanden, der sich bereits auf 1,60 Meter angehäuft hatte. Er konnte sich selbst im letzten Moment retten, zwei Zehen aber mussten später wegen Erfrierung amputiert werden.

Auch bei anderer Gelegenheit trat er als Lebensretter in Erscheinung. Im Frühjahr 1990 begleitete er ein Team belgischer Bergsteiger zum Shishapangma. Beim Abstieg vom Gipfel rutschte der Leiter der Expedition aus und stürzte einen Abhang hinunter, dabei zog er ein Mitglied der Seilschaft mit sich. In diesem kritischen Moment rammte Dorjee seinen Eispickel mit dem Sicherungsseil in den Schnee: „Hätte ich nicht sofort reagiert, wären wir fünf heute nicht mehr auf der Welt!", erinnert sich Dorjee.

Der Verlust zweier Zehen tat Dorjees weiterer Karriere keinen Abbruch. 1992 kehrte er in sein Team zurück, das gemeinsam mit einer Bergsteigergruppe aus Japan ein weiteres Mal den Namjagbarwa bestieg.

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