Nach schmerzlichen Niederlagen in dem Versuch, die Revolution durch Angriffe auf die Städte zum Sieg zu führen, entwickelte die KPCh die Strategie der Revolution in den Landgebieten und später aus diesen Basen in die Städte. Bei einem Besuch in der Provinz Jiangxi auf den Spuren der chinesischen Revolution kam ich in der Stadt Ganzhou mit einem seit langem dort lebenden etwa gleichaltrigen Parkbesucher ins Gespräch. Ich fragte nach der Bedeutung der Stadt für die chinesische Revolution. Mein Gesprächspartner kannte mich nicht, aber er antwortete unumwunden: die Komintern hatte Li De (Otto Braun) als Militärberater nach China geschickt, er hatte die Aufgabe, die Städte zu erobern, und erteilte den Befehl, Ganzhou einzunehmen. Dabei erlitt die Revolution eine Niederlage. Nicht zuletzt das führte zur Korrektur der Strategie der KPCh. Sie ging fortan den revolutionären Weg über die Landgebiete, wozu die Konferenz von Zun Yi entsprechende Beschlüsse fasste. Mein Gesprächspartner nahm meine Darlegungen, dass ich deutscher Kommunist bin, der Otto Braun persönlich kennen gelernt hat und meine Meinung, dass Otto Braun ein aufrichtiger, mutiger Kommunist war, jedoch als Berater für die chinesische Revolution nicht vorbereitet und auch fehlerhaft instruiert gewesen ist, in diesem kurzen, sehr solidarischen Gespräch interessiert zur Kenntnis.
Zu den wichtigsten theoretischen Erkenntnissen der KPCh gehört die von Mao Zedong formulierte Theorie der neudemokratischen Revolution. Die Notwendigkeit, die antifeudalistische bürgerlich-demokratische Revolution konsequent zu Ende zu führen, ist unbestritten. Aber eine Ausbeuterordnung durch die nächst höhere Stufe der Ausbeuterordnung zu ersetzen beinhaltet zugleich die Beibehaltung der Grundsubstanz der Ausbeutergesellschaft. Das betrifft nicht zuletzt auch die revolutionären Prozesse in einem halbfeudalen-halbkolonialen Land.
Hier sei die Frage aufgeworfen, ob je eine bürgerlich-demokratische Revolution ihre Mission tatsächlich erfüllt hat. Die Bourgeoisie ist nicht in der Lage und nicht gewillt, die bürgerlich-demokratische Revolution wirklich zu Ende zu führen. In jeder kapitalistischen, bürgerlichen Gesellschaft ist mehr oder weniger ein feudalistischer, adliger Bestand vorhanden. Er war ja Vorgänger der kapitalistischen Herrschaft. Das trifft noch mehr auf eine ehemals halbfeudale, halbkoloniale Gesellschaft zu. Die neudemokratische Revolution ist ein, vielleicht der Weg für den Übergang zum Sozialismus aus Bedingungen vorkapitalistischer, halbkolonialer und halbkapitalistischer Gesellschaften. Die chinesischen Erfahrungen beweisen, dass der Übergang von der Neuen Demokratie zum Sozialismus die führende Rolle der Arbeiterklasse und ihrer marxistisch-leninistischen Partei, eine breite Einheitsfront, die auch die Bildung anderer Parteien, die bis heute in der VR China eine geachtete Rolle spielen, beinhaltet. Dies erfordert die allmähliche Veränderung der Produktionsverhältnisse – die Beseitigung der feudalistischen politischen Verhältnisse und der Eigentumsverhältnisse, die politische und wirtschaftliche Entmachtung der Kompradorenbourgeoisie, die Abschaffung der politischen Herrschaftsformen der imperialistischen Staaten und die schrittweise Vergesellschaftung des kolonialen Eigentums. Die in diesem Prozess gesammelten Erfahrungen der KPCh sind von großem Wert für die Weiterentwicklungen der marxistischen Theorie. Zu den bedeutenden theoretischen Entwicklungen des Marxismus durch die KPCh gehört zweifellos die Theorie über die Widersprüche, die Unterscheidung von antagonistischen und nicht antagonistischen Widersprüchen und die sich daraus ergebenden unterschiedlichen Lösungsmethoden. Diese theoretische Erkenntnis ist von grundlegender Bedeutung sowohl für die Ausarbeitung der Strategie und Taktik im revolutionären Kampf als auch für die Steuerung gesellschaftlicher Prozesse nach dem Sieg der Revolution.
Der Weg der chinesischen Revolution nach dem Sieg im Kampf gegen die japanischen Aggressoren im Zweiten Weltkrieg, der das chinesische Volk 35 Millionen Opfer kostete, und dem darauf folgenden wiederum opferreichen Bürgerkrieg gegen die Tschiang Kaischek-Diktatur führte zur Gründung der Volksrepublik China am 1. Oktober 1949. Der Sieg der Revolution des chinesischen Volkes war der Wendepunkt in der chinesischen Geschichte und gleichzeitig das wichtigste historische Ereignis nach der sozialistischen Oktoberrevolution und dem Sieg über den Faschismus im Zweiten Weltkrieg.
Der Übergang von der Neudemokratischen Revolution zur sozialistischen Umgestaltung in den 1950er Jahren, die sich auf neuer Grundlage entwickelnde Zusammenarbeit mit der UdSSR und den neu entstandenen sozialistischen Staaten führten zu guten Ergebnissen. Aber bald stellten sich Ungeduld und erneute linke Fehler ein. Die Politik des „Großen Sprunges" und der „Volkskommunen" führte zu gesellschaftlichen Verwerfungen, zu Rückschlägen und einer Krisensituation, die schließlich in der „Kulturrevolution" kulminierte. Kämpfe innerhalb der KPCh führten zu einer tragischen Situation und zur Schwächung des sozialistischen Systems.
Die mit der Politik der Reformen und der Öffnung nach außen, der Konzentration auf die sozialistische Modernisierung, auf die Priorität der wirtschaftlichen Entwicklung zum Wohle des Volkes ausgearbeitete und schrittweise in die Praxis umgesetzte Strategie der KPCh ab Dezember 1978 hat für China Wege in die Zukunft gezeigt. Die Formulierungen vom Sozialismus chinesischer Prägung beziehen sich auf die Entwicklung des eigenen Landes, sie beinhalten keinen Anspruch auf Allgemeingültigkeit, aber sie sollten international als nachdenkenswerte Wegweiser verstanden werden.
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