21-06-2011
Porträt
Mit dem Impfkoffer von Tür zu Tür
von Jin Duoyou

Eigentlich wollte Li Chunyan Kindergärtnerin werden, heute aber hat sie ihre Berufung in ihrer Arbeit als Landärztin gefunden. Die 34-Jährige praktiziert in einem kleinen Dorf der Miao-Nationalität in der südwestchinesischen Provinz Guizhou. Anfangs kämpfte die junge Frau mit vielen Widrigkeiten, musste um Vertrauen werben und lebte am Existenzminimum. Heute engagiert sie sich auch politisch und setzt sich dafür ein, dass in Zukunft noch mehr junge Ärzte ihrem Beispiel folgen.

 

Mit dem Impfkoffer im Dorf Datang (Quelle: Xinhua)

Das kleine Bergdorf Datang liegt in der südwestchinesischen Provinz Guizhou, über 400 Kilometer von der Provinzhauptstadt Guiyang entfernt. Ein Meer aus traditionellen Pfahlbauten schmiegt sich harmonisch ins Landschaftsbild der bewaldeten Wipfel. Es ist ein Dorf der Miao-Nationalität, eine der 55 nationalen Minderheiten Chinas. Rund 500 Haushalte hat der Ort – und seit 2000 eine engagierte Ärztin. Li Chunyan, 34 Jahre alt und selbst eine Miao, kam vor elf Jahren nach Datang. Seither kümmert sich die junge Ärztin um die Gesundheitsversorgung der Einwohner.

Reich lässt es sich wahrlich nicht werden mit der Arbeit in Datang. Durchschnittlich 200 Yuan verdient Li im Monat, umgerechnet etwa 21 Euro. Allerdings betreibt sie Landwirtschaft im Nebenerwerb, so dass sie sich selbst mit Lebensmitteln versorgen kann. An ein Gehalt in der Stadt kommt diese Summe bei weitem nicht heran. Manchmal kauft Li von den Einkünften aus eigener Tasche noch Medikamente für bedürftige Einwohner, die sich die Arzneien nicht leisten können. Viele hätten angesichts der widrigen Umstände sicher längst das Handtuch geworfen. Nicht so Li Chunyan. Durch ihre aufopferungsvolle Arbeit hat sie allmählich das Vertrauen der Einwohner gewonnen. Im März 2005 wurde sie dank ihrer ausgezeichneten Arbeit in die KP Chinas aufgenommen.

Eigentlich wollte sie Erzieherin werden

Auch Li Hanming, der Vater der 34-Jährigen, ist Arzt. Bis zu seinem Ruhestand leitete er eine Klinik in der Gemeinde Yongli, zu der Datang administrativ gehört. Anfangs beabsichtigte Li nicht, in die Fußstapfen ihres Vaters zu treten. Nachdem sie 1996 mit 19 Jahren die Mittelschule absolviert hatte, wollte sie eine Ausbildung zur Erzieherin machen und später im Kindergarten arbeiten. Der Vater war nicht einverstanden. Seine Tochter sollte wie er Medizin studieren und Ärztin werden, fand er.

Li lenkte ein, bewarb sich zweimal für die Aufnahme an einer der beiden medizinischen Fachschulen in Guizhou, beide Male vergeblich. Die Konkurrenz war groß, ihre Abschlussnoten eher mäßig. Li hatte schon fast aufgegeben. Dann erfuhr sie von einem Stipendienprogramm der Amity-Stiftung zur Ausbildung von Landärzten. Mit Hilfe des Förderprogramms machte Li von 1997 bis 2000 eine Ausbildung an der Medizinischen Fachschule Liping.

Dass sie nach dem Abschluss in Datang als Ärztin arbeiten wollte, stand für Li schnell fest. Im Jahr 2000 zog die frischgebackene Ärztin, mittlerweile verheiratet, gemeinsam mit ihrem Mann Meng Fanbin nach Datang. Als Meng um Lis Hand angehalten hatte, stellte Li nur eine Bedingung: Meng sollte ihr helfen, eine Praxis in Datang aufzubauen. Das Ehepaar kratzte all seine Ersparnisse zusammen und eröffnete schließlich mit der finanziellen Unterstützung der Schwiegereltern mit einem Startkapital von nur 2000 Yuan (umgerechnet rund 215 Euro) eine kleine Praxis in ihrem Privathaus. „Du wirst die einzige Ärztin in Datang sein. Egal was passiert, du darfst die Leute hier nicht im Stich lassen", erinnert sich Li an die Worte ihres Vaters an ihrem Hochzeitstag.

 

Kein Empfang mit offenen Armen

Anfangs wurde die junge Ärztin in der Dorfgemeinde nicht mit offenen Armen empfangen. Viele Einwohner waren skeptisch und mieden die kleine Praxis. Sie trauten der jungen Ärztin, die nicht die traditionelle Tracht der Miao trug, nicht. Sie besuchten im Krankheitsfall stattdessen lieber weiterhin traditionelle Heiler.

Die Situation änderte sich erst im Sommer 2001. Ein Dorfbewohner hatte bei einer Feier deutlich über den Durst getrunken und wurde bewusstlos mit einer Alkoholvergiftung aufgefunden. Die Familie rief einen traditionellen Heiler, dessen Behandlung aber blieb erfolglos. Einige Angehörige hielten den Bewusstlosen bereits für tot, begannen gar, die Beerdigungsformalitäten in die Wege zu leiten. Zum Glück erinnerte sich ein junges Familienmitglied, dass Li Chunyan  Krankheiten behandelte. Li verabreichte eine Infusion und rettete den Mann. Die Geschichte verbreitete sich rasch. Immer mehr Menschen kamen daraufhin in Lis Praxis, um sich behandeln zu lassen.

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