05-05-2011
Aktuelles
Alles neu in Luobo und Guangyuan
von Wuyanfei und Cheng Jian

Das Dorf Luobozhai

Das Minshan-Gebirge  ist in frisches Frühlingsgrün getaucht. Rings um das Dorf Luobozhai, in dem Angehörige der Qiang-Nationalität wohnen, blühen die Kirschbäume, ihre Zweige wiegen sich in der kühlen Brise. Der Duft der Blüten liegt in der Luft. Das Dorf Luobozhai liegt mehr als 2000 Meter über dem Meeresspiegel, deswegen kommt die Kirschblüte hier ein bisschen später als in der Ebene. Nach dem verheerenden Erdbeben vom 12. Mai 2008 wurden auf den Terrassenfeldern, wo man früher Getreide anbaute, Kirschbäume gepflanzt. Die Kirschen gedeihen im Sonnenschein der Gebirgshöhe ausgezeichnet und werfen mehr Gewinn ab. Über den Absatz brauchen sich die Bauern keine Gedanken zu machen, so lange das Interesse der Öffentlichkeit an dem ehemaligen Katastrophengebiet des Erdbebens von Wenchuan anhält. Die Kirschen sind sehr gefragt in den Supermärkten der Städte, denn wer will es sich nehmen lassen, durch den Kauf von Spezialitäten aus dem Erdbebengebiet einen kleinen Beitrag zum Wiederaufbau zu leisten? Schock und Chaos nach der Katastrophe sind der Frage gewichen, wie man die Region wieder aufbauen soll.

Das Dorf Luobozhai, bekannt als das schöne Dorf der Qiang-Nationalität, soll nach Angaben des Dorfkomitees eine Touristenattraktion und ein Gebiet für ökologischen Landbau werden. Schon früher wurde das Dorf gelegentlich von Wanderern und Outdoor-Freaks besucht. Damals gab es hier aber noch so gut wie keine Übernachtungsmöglichkeiten: weder Pensionen noch die Vermietung von Gästezimmern durch die Ortsansässigen. Das Dorf Luobozhai erfreute sich zwar eines guten Namen unter Rucksacktouristen, konnte aber nicht auf Einkünfte durch Tourismus setzen. Beim Wiederaufbau nach dem Erdbeben wollte man nicht nur den alten Ortskern möglichst original erhalten, sondern hat zudem etwa 500 Meter vom alten Dorf neue Häuser errichtet, die nicht nur den Dörflern eine komfortablere Wohnstatt bietet, sondern auch Unterbringungsmöglichkeiten für Touristen einschließt.    

Wang Baoquan hat hier dank staatlicher Subventionen sowie Spendengeldern ein zweistöckiges Haus für seine Familie gebaut. Der Kirschbauer hat eigens drei Gästezimmer bei der Planung mit berücksichtigt, um sich so eine neue Einkommensquelle zu eröffnen. Die Touristensaison dauert vom Frühjahr bis in den Herbst. Der Parteisekretär des Dorfkomitees, Ma Qianguo, erzählt: „Zu Spitzenzeiten sind hundert bis zweihundert Autos von auswärts im Dorf. Manchmal müssen sie sogar am Ortsrand warten, weil gar nicht genug Platz in den Gassen ist! Es gibt wirklich einen regen Zulauf bei uns."

Angesichts der Begeisterung der Touristen für die Kultur der Qiang haben nun auch Hausfrauen des Dorfes Luobo damit begonnen, ihre Stickereien auf den Markt zu bringen. Wie die frischen Kirschen erfreuen sich auch diese Handarbeiten wachsender Beliebtheit. Ein Paar bestickte Damenschuhe kosten bereits mehr als 600 Yuan (63 EUR).

Die alte Kultur der Qiang-Nationalität ist der wertvollste Besitz des Dorfes, sagt Ma Qianguo. Deswegen hat man beim Wiederaufbau große Sorgfalt darauf verwendet, die Neubauten dem traditionellen Baustil der Qiang-Nationalität anzugleichen. Anders als das alte Dorf, dessen Gebäude meist aus Holz bestanden, ist das neue Dorf aus Stahlbeton- und Ziegelbauten errichtet, die als erdbebensicher gelten.

Trotz des Wiederaufbaus in den vergangenen drei Jahren gibt es große Engpässe bei der Bettenzahl. Nach Auskunft von Ma kann eine Familie maximal fünf bis sechs Touristen in Gästezimmer aufnehmen. „Wenn eine größere Touristengruppe eintrifft, können wir diese einfach noch nicht unterbringen." Dennoch wolle er den Wiederaufbau des Dorfes bedächtig betreiben und nichts forcieren. 

Wie Ma Qianguo aus Luobozhai hat sich auch der Sekretär des Stadtkomitees der Stadt Guangyuan, Luo Qiang, für einen langsamen aber langfristig effektiveren Wiederaufbau entschieden. Die Stadtregierung will im Zuge des Wiederaufbaus aus dem wirtschaftlich rückständigen Guanyuan eine emissionsarme Industriestadt machen: „Bei einer Dienstreise in eine der Küstenprovinzen sagte mir ein Bürgermeister, dass seine Stadt in den vergangenen Jahren 15 Milliarden Yuan zur Sanierung von Umweltschäden aufwenden musste. Das hat mich schockiert. Der Teufelskreis aus Aufbau, Verschmutzung und Sanierung muss in Guangyuan durchbrochen werden."

Vor dem Erdbeben befand sich Guangyuan noch in der Anfangsphase der Industrialisierung. Dies ist ein großer Vorteil für die Entwicklung der Stadt in Richtung CO2-Armut, denn „es hier gibt es keine Altlasten", so Luo. Außerdem ist Guangyuan reich an sauberen Energienträgern wie Erdgas, Wind- und Wasserkraft. Auf dem Lande hat sich die Nutzung von Biogas sehr schnell verbreitet. All dies bildet eine ideale Grundlage für die emissionsarme Entwicklungsstrategie Guangyuans. Beim Wiederaufbau hat die Stadt besonderen Wert darauf gelegt, saubere Energien, umweltfreundliche Materialien sowie die neuesten Umweltschutztechnologien einzusetzen, um Umweltbelastungen von Anfang an zu vermeiden.

Statt Kohle will Guangyuan Erd- und Biogas zu den Hauptenergieträgern machen. Über die Hälfte der Betriebe und Haushalte in Guangyuan sind nun mit Erdgas versorgt, dadurch werden jährlich 40 Tonnen weniger CO2 in die Luft abgegeben. Im Zuge des dreijährigen intensiven Wiederaufbaus hat sich die Wirtschaft der Stadt gut erholt, ohne dabei die Umwelt exzessiv zu belasten. 2010 wurde Guangyuan als emissionsarme Stadt Chinas ausgezeichnet. Der Vize-Bürgermeister von Guangyuan, Ma Hua, sagt, dass trotz der vielfältigen Herausforderungen, die sich beim Aufbau einer emissionsarmen Stadt ergäben, seine Stadt diese Entwicklungsstrategie fortsetzen wolle, denn so könne es eine Vorbildfunktion für weite Gebiete Zentral- und Westchinas erlangen, die einen großen Nachholbedarf in Sachen Wirtschaftsentwicklung hätten.