15-04-2011
Kultur 2011
Alte Schätze im neuen Haus
von Yu Lintao

Chinesisches Nationalmuseum in Beijing eröffnet

 

(Links) Bronzeglocken aus der Frühlings- und Herbstperiode (770-476 v.Chr.). Sie wurden 1955 in der Provinz Anhui ausgegraben.

(Rechts) Ritualbronzen und Lebensmittelbehälter aus der Frühlings- und Herbstperiode (770-476 v.Chr.). Sie wurden 1955 in der Provinz Anhui entdeckt.

Nach vier Jahren des Umbaus und der Erweiterung der Ausstellungsfläche ist das Chinesische Nationalmuseum (NMC) am 1. März 2011 eröffnet worden. Das Museum ist auf der baulichen Grundlage des bisherigen „Museums der chinesischen Geschichte" und des „Museums der chinesischen Revolution" von ursprünglich 65 000 Quadratmetern auf  191 900 Quadratmeter erweitert worden. Das vom deutschen Architekturbüro Gerkan, Marg und Partner neugestaltete Gebäude ist nach Angaben der Homepage des Nationalmuseums nunmehr das größte Museum der Welt.

Neues Innenleben

Aber nicht nur die Größenverhältnisse wurden neu geordnet, auch das Innenleben des Hauses hat sich radikal gewandelt. Tradition und Moderne gehen eine gelungene Symbiose ein. Von West nach Ost erstrecken sich drei Haupthallen. Der Zugang zur Westhalle wird durch sieben Bronzetore gestaltet, deren durchbrochene Muster auf die Verzierungen von antiken Ritualbronzen anspielen. Von hier gelangen die Besucher durch eine 330 Meter lange und 220 Meter breite Wandelhalle, die nach Norden ausgerichtet ist, in den Ausstellungsbereich. Die Wandelhalle verbindet als gigantischer Korridor alle drei Hallen miteinander.

Die 2000 Quadratmeter große Haupthalle soll für Eröffnungszeremonien wichtiger Ausstellungen genutzt werden. Sie wird zu beiden Seiten von Vorhallen flankiert.  

Die gesamte Ausstellungsfläche des Museums beträgt nun 65 000 Quadratmeter und unterteilt sich in 49 Räume, die jeweils 800 bis 2000 Quadratmeter groß sind. Darunter befinden sich Räume, die für Kunstausstellungen reserviert sind, die von Museen aus dem Ausland veranstaltet werden.

Die klimatisierten Magazinräume des Museums sind mehr als 30 000 Quadratmeter groß und können über 1,2 Millionen Artefakte aufnehmen. Feuer- und Erdbebensicherheit des Gebäudes entsprechen ebenso dem neuesten Stand der Technik wie der Schutz vor Wassereinbrüchen und Blitzschlag sowie der Verunreinigung durch mit Schadstoffen belastete Luft.

Im zweiten Stockwerk des Museums befinden sich zur Nutzung durch die Besucher Geräte zur interaktiven Kommunikation und computergestützte Begleitprogramme zu den jeweiligen Ausstellungen.

Das neue Museum verfügt über einen Theatersaal mit 800 Sitzplätzen, einem 600 Quadratmeter großen Multimediaraum und einen Vortragssaal mit 300 Sitzplätzen. Im Multimediaraum stehen den Besuchern Apparaturen zur eingehenden Betrachtung nationaler Kunstschätze zur Verfügung.

Eine besondere Neuerung ist die Bepflanzung des 20 000 Quadratmeter großen Daches mit Grünpflanzen, die größte Dachfläche, die bislang in Beijing in dieser Weise genutzt wird. Nach Auskunft eines Gebäudetechnikers des Nationalmuseums trägt diese Grünfläche nicht nur zur Verbesserung der Stadtluft bei, sondern dient auch der Verlängerung der Lebensdauer der zum Bau des Museums verwendeten Materialien. Grüne Technologie kam auch sonst beim Bau des Gebäudes zur Anwendung: so sind etwa die Außenfenster des Gebäudes mit UV-Filtern ausgestattet und die Oberlichter in der Haupthalle dienen zugleich der Belüftung des Gebäudes.

Eine Teebar und ein Café befinden sich in der Wandelhalle, Buchstände und Verkaufstische stehen auf allen Stockwerken des Gebäudes zur Verfügung.

Gegenwärtig befinden sich über 1,06 Millionen Objekte im Besitz des Museums. Vor dem Umbau des Hauses waren es nur rund 650 000 Gegenstände gewesen. Erst im Februar haben das Kulturministerium und das Staatliche Büro für Denmalschutz rund 400 000 kunst- und kulturgeschichtliche Objekte dem Museum überantwortet, so Lu Zhangshen, der Direktor des Museums: "Dies war ein beispielloser Vorgang. Diese Gegenstände, darunter Jadearbeiten, Porzellan und Buddhastatuen, sind von unschätzbarem Wert. Dies zeigt die Bedeutung, welche die Zentralregierung der Bewahrung und der Präsentation des Kulturerbes der Nation beimisst."

Es gibt eigene Ausstellungshallen für Altchinesische Kunst wie Ritualbronzen, Buddhafiguren, Porzellan, Malerei, Kalligraphie, Möbel und Münzen.

"Das Museum präsentiert Geschichte und Kultur des chinesischen Volkes von den ersten Spuren des Menschen durch die verschiedenen Dynastien hindurch bis in die Gegenwart", sagt Dong Qi, der stellvertretende Direktor des Hauses.

Die Dauerausstellungen sind dem Publikum kostenlos zugänglich, bei einigen Sonderausstellungen wird zur Deckung zusätzlicher Kosten eine moderate Eintrittsgebühr erhoben.

"Zur Bewahrung der Atmosphäre des Museums und aus Sicherheitsgründen werden wir den täglichen Zugang zu den Räumen des Museums limitieren. Anderenfalls würde es zur Überfüllung kommen, worunter der Genuss der Ausstellungen durch die Besucher leiden würde. Zu viele Besucher erschweren zudem die Bewachung der Ausstellungsobjekte", sagt Lu.

Die Zahl der Besucher ist gegenwärtig auf 8000 pro Tag begrenzt. Die Besucher können kostenlose Eintrittskarten am Nord- und Westeingang des Museums erhalten. Außer montags ist das Museum täglich von 9.00 Uhr bis 17.00 Uhr geöffnet.

Man geht von acht bis zehn Millionen Besuchern pro Jahr aus. Nach Direktor Lu versteht sich sein Haus nicht nur als öffentliche Stätte, sondern auch als ein wichtiger Ort des Kultur- und Kunstgenusses.

Ausstellungen

Eine Ausstellung über die Geschichte des alten Chinas ist als Dauerausstellung konzipiert. Diese Ausstellung, die sich noch in der Aufbauphase befindet, soll sich über zehn Räume erstrecken. Nahezu 3000 äußerst wertvolle Artefakte von der Steinzeit bis zur Blüte der Ming- und Qing-Dynastien (1368-1911) geben einen Einblick in die vieltausendjährige Geschichte der chinesischen Kultur.

Am 27. März wurden sechs Ausstellungen eröffnet, darunter die Räume, die antike Bronzekunst aus China beherbergen, Buddhafiguren und Porzellan sowie Kunstausstellungen mit Werken von zeitgenössischen Künstlern wie Pan Tianshou (1898-1971), Li Keran (1907-1989) und Huang Zhou (1925-1997).

Die Bronzesammlung des Museums umfasst 103 Stücke, die einen Überblick über die Entwicklung der Bronzekunst in China bieten.

Das wichtigste Stück dieser Sammlung ist der dreifüßige Houmuwu, ein rechteckiges Bronzegefäß aus der späten Shang-Zeit (1400-1100 v. Chr.), das in Anyang in der zentralchinesischen Provinz Henan ausgegraben wurde. Ursprünglich als Simuwu bezeichnet, hat die Ritualbronze ein Gewicht von 832,84 Kilo und ist damit das größte und schwerste Bronzegefäß der Welt. Seit dem Ende der Olympischen Spiele in Beijing im Jahr 2008 wird das Objekt zum ersten Mal wieder in der Öffentlichkeit präsentiert.

Nach Ansicht von Archäologen hatte das Houmuwu im alten China einen Sonderstatus: Es wurde als Ritualbronze bei wichtigen Zeremonien verwendet und war ein bedeutendes Herrschaftssymbol. Das Objekt vermittelt zugleich einen guten Eindruck vom hohem Stand der Bronzegießerei in dieser frühen Phase der chinesischen Geschichte.

Weitere Staatsschätze, wie der Große Dreifuß, ein Bronzegefäß aus der frühen Westlichen Zhou-Zeit (1046-771 v.Chr.) und der Zilong Dreifuß, ein rundes Bronzegefäß aus der Shang-Zeit, sind ebenfalls in der Ausstellung zu sehen. Der Große Dreifuß ist das größte Bronzegefäß aus der Westlichen Zhou-Zeit. Es ist einen Meter hoch und wiegt 153,5 Kilo. Berühmt ist das Gefäß wegen seiner Inschrift auf der Innenwand, die aus 291 frühen chinesischen Schriftzeichen besteht.

 

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