29-12-2010
Sonderberichterstattung
Das Jahr 2011 in den Augen der Ökonomen
von Jin Duoyou

Im Mittelpunkt der jüngsten Sitzung der Zentralregierung in Beijing zu Fragen der Wirtschaft standen Themen wie Umbau des Wachstumsmodells, Dämpfung der Inflation, Aufbau eines Sozialversicherungssystem sowie die Ausweitung der Wirtschaftsreform. Sicher ist es für ein so großes Land wie China keine leichte Aufgabe, alle diese Aufgaben zu koordinieren, insbesondere vor dem Hintergrund der noch nicht überwunden Finanzkrise. Wie wird die Wirtschaftslage im Jahr 2011 aussehen? Kann das Land einen goldenen Mittelweg zwischen Dämpfung der Inflation und qualitativem Wachstum einschlagen? Zu diesen Fragen hat Jin Duoyou von der Beijing Review Experten aus Wirtschaft und Industrie interviewt.

 

Teng Tai, Chefanalyst des Wertpapierhändlers Minsheng Securities

Teng meint, dass der chinesischen Wirtschaft im Jahr 2011 eine „weiche Landung" gelingt, was sich in einem stabilen Wachstum, einer gedämpften Inflation und einem beschleunigten Umbau der Wirtschaftsstruktur niederschlagen wird.

Der Ökonom prognostiziert ein Absinken der Wachstumsrate des Bruttoinlandsprodukts um bis zu 1,5 Prozentpunkte gegenüber 2010 auf 8,6 bis 9 Prozent. Das verlangsamte Wachstum sei vor allem auf drei Punkte zurückzuführen: Erstens, die Produktionskapazität der Industrie hat sich schneller erholt als der Markt, was zu erhöhten Lagerbeständen geführt hat. Vor diesem Hintergrund ist mit einem reduzierten Wachstum der Industrie in China zu rechnen.

Zweitens, die Investitionen der Regierung in Festkapitalanlagen werden gegenüber 2010 zurückgehen. Der gigantische Investmentplan des Staates in Höhe von vier Billionen Yuan ist in den Jahren 2009 und 2010 fast vollständig realisiert worden. Für das Jahr 2011 gibt es auf Regierungsebene nur den sozialen Wohnungsbau als Schlüsselprojekt für staatliche Investitionen.

Drittens, die Exporte Chinas haben sich 2010 gegenüber dem Vorjahr um mehr als 30 Prozent gesteigert. Das hohe Tempo wird sich aber angesichts des schwacher werdenden Weltmarktes im neuen Jahr nicht halten lassen. Die Wachstumsrate bei Exporten wird nach Meinung von Teng Tai auf 10 bis 15 Prozent fallen.

Auch Fan Gang, Mitglied des Ausschusses für Währungspolitik der chinesischen Zentralbank, hält im Jahr 2011 ein Wachstumstempo von 8 bis 9 Prozent nicht nur für möglich, sondern auch für vernünftig. „Die Wachstumsrate könnte 2011 leicht runtergehen, aber diese Drosselung verhilft dem Land zu einem kontinuierlichen und gesunden Wachstum."

 

Su Buchao, Immobilienmarkt-Analyst

Anders als 2009 und 2010 werden die Immobilienpreise im neuen Jahr nicht explodieren, meint Su Buchao. Die Immobiliensteuer wird 2010 zum Hauptthema. Nach Su ist die Einführung einer Immobiliensteuer in China immer wahrscheinlicher, auch wenn hierzulande der Boden kein privates Eigentum ist. Die Ankündigung dieser neuen Steuer wird zunächst zu einer Belebung des Marktes führen, da sich viele von Wohnungen trennen werden, die sie als Spekulationsobjekte angeschafft hatten. Durch die Erhöhung des Angebots wird es anschließend zu einem Preissturz kommen. Das bedeutet aber nicht, dass der gesamte chinesische Immobilienmarkt der Steuer wegen in Mitleidenschaft gezogen wird. Dank der Planung zum Ausbau der Städte rings um Beijing werden 13 Mittelstädte wie Langfang, Chengde und Zhuozhou attraktive Ziele für Anleger und Spekulanten. Die Immobilienpreise werden in dieser Region stark anziehen.  

 

Ding Yuan, Professor für Buchhaltung an der China-Europa Industrie- und Handelsakademie

 

„Kapital fließt immer dorthin, wo die Wirtschaft wächst." Diese Eigenschaft des Kapital wird nach Meinung von Ding Yuan dazu führen, dass 2011 noch mehr internationales Kapital in Schwellenländer wie China fließen wird. Vor diesem Hintergrund zeigt er sich optimistisch hinsichtlich der Aussichten des chinesischen Aktienmarktes im kommenden Jahr. Es sei zwar eher unwahrscheinlich, dass der Markt im Jahr 2011 so euphorisch aufsteigt wie 2006 und 2007, als sich der Index innerhalb eines Jahres von 1000 Punkten auf 6000 Punkte gesteigert hatte, aber in den kommenden drei Jahren werde sich der chinesische Aktienmarkt überdurchschnittlich entwickeln. Weniger günstig fällt die Prognose des von der Akademie für Sozialwissenschaften veröffentlichten Blaubuchs aus: der Aktienmarkt Chinas wird wegen der Straffung der Geldpolitik auf einem relativ niedrigen Niveau verharren.

 

 

Chen Fengying, Leiterin des Forschungsinstituts für Weltwirtschaft der Akademie für internationale Beziehungen

Ende des Jahres werden wieder viele Städte vom Hunger nach Öl heimgesucht. Vor vielen Tankstellen warten dann lange Schlange von Kraftfahrzeugen. Dies wird im Jahr 2011 aber anders sein, meint die Chefin des Forschungsinstituts für Weltwirtschaft. Der Grund dafür ist, dass sich die Wirtschaft in den jungen Industrienationen nicht mehr so stark erholen werde wie es im Jahr 2010 der Fall gewesen sei, was zu einem Rückgang der Nachfrage nach Erdöl führen werde. Das Angebot von Rohöl auf dem Weltmarkt bleibe stabil. Zudem hat China seine Zusammenarbeit mit Erdölexporteuren wie Russland, Brasilien, den Ölländer im Nahen Osten sowie Afrika enger gestaltet. Im 12. Fünfjahresplan investiert China zudem verstärkt in neue Energien. Nach dem Entwicklungsplan für neue Energien wird China von 2011 bis 2020 in die Bereiche Kernenergie, Wasserkraft sowie Kohlevergasung fünf Billionen Yuan fließen lassen.

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