28-12-2010
Sonderberichterstattung
Internationale Beziehungen und globale Sicherheit im Jahr 2010
von Li Qingyan

 

 

Trotz der im Allgemeinen stabilen internationalen Lage haben sich bedeutende Veränderungen in den zwischenstaatlichen Beziehungen ergeben. Die USA, Russland und die EU haben umfassende Korrekturen in ihrer Außenpolitik vorgenommen. In der Nachkrisenzeit weist das Gefüge der internationalen Beziehungen relativ ausgeglichene Machtverhältnisse auf, die von breitgefächerten Sicherheitsmechanismen flankiert werden.

 

USA baut Position in asiatisch-pazifischer Region aus

Mit der rasanten Wirtschaftsentwicklung in der asiatisch-pazifischen Region und dem Aufschwung der Schwellenländer wächst die Bedeutung dieser Region auf der politischen Weltbühne. Entsprechend hat die Regierung von US-Präsident Barack Obama ihre globale Strategie angepasst und ihr Hauptaugenmerk auf den asiatisch-pazifischen Raum verlegt. In Fragen von Diplomatie, Militär und Wirtschaft sind die USA stark in der Region engagiert. In Nordostasien bauen die USA ihre Beziehungen mit Südkorea und Japan aus, was einer Festigung der amerikanisch-japanischen und der amerikanisch-südkoreanischen Allianz dient. Seit 2010 haben viele hochrangige Politiker (darunter auch US-Präsident Obama) sowie ranghohe Militärs Japan besucht, vor allem um die amerikanisch-japanischen Beziehungen zu reparieren, die wegen des Streits um die Nutzung des Luftwaffenstützpunkts Futenma in der Präfektur Okinawa in die Krise geraten waren. Die US-Regierung bekannte jedoch, dass sie in jedem Fall Japan verteidigen werde.

Indem er die japanisch-amerikanischen Beziehungen ins Zentrum seiner Bemühungen stellte, hat der japanische Ministerpräsident Kan Naoto, der seit Juni 2010 im Amt ist, einen realistischen Ansatz für seine Außenpolitik gewählt. Er macht seine klare Unterstützung des amerikanischen Engagements in Asien deutlich. Durch den Torpedo-Angriff auf das südkoreanische Kriegsschiff „Cheonan" und den nordkoreanischen Granatenangriff auf die Yeonpyeong-Insel im nordkoreanisch-südkoreanischen Grenzgebiet haben die bilateralen Beziehungen zwischen den USA und Südkorea eine dramatische Belebung erfahren. Topdiplomaten und hohe Militärs haben am 21. Juli erstmals „Zwei plus Zwei" Sicherheitskonsultationen in Seoul durchgeführt, um das Militärbündnis zu bekräftigen. In der Folge wurden Zahl und Umfang der gemeinsamen Militärmanöver vergrößert und für eine Dreierallianz zwischen den USA, Südkorea und Japan geworben, mit der der „Bedrohung" aus Nordkorea begegnet werden soll.

In Südostasien fördert die US-Regierung die Zusammenarbeit zwischen den ASEAN-Staaten und hat zudem damit begonnen, mit einer Reihe von ASEAN-Ländern, darunter Indonesien und Vietnam, neue Allianzen zu schmieden. Ferner hat die US-Regierung 187 Millionen US-Dollar in die „Lower Mekong Initiative" investiert und sich durch die Unterstützung des Mekong-Komitees in den Streit um den Zugriff auf die Wasserressourcen des Mekong eingeschaltet.

Die Vereinigten Staaten nahmen an den Verhandlungen über die Trans-Pacific Partnership (TPP) teil und förderten nach Kräften deren Erweiterung nach Ostasien. Im Mittelpunkt der Initiative steht die Schaffung einer Freihandelszone zwischen dem amerikanischen und dem asiatischen Kontinent. Es scheint, als wollten die USA die TPP als Plattform nutzen, um die wirtschaftliche Integration der asiatisch-pazifischen Region zu dominieren.

In Südasien versucht die US-Regierung, so bald wie möglich den Kampf gegen den Terror in Afghanistan zu beenden. Es wurden sowohl politische wie auch militärische Maßnahmen gegen die Taliban ergriffen, gleichzeitig aber die Regierung von Hamid Karzai darin bestärkt, das Gespräch mit den Islamisten zu suchen und in Friedensverhandlungen einzutreten. Die USA bauten ihre Anti-Terror-Kooperation mit Pakistan aus und verbesserten ihre Beziehungen zu Indien. Anlässlich seines Indien-Besuchs im November bezeichnete US-Präsident Obama die amerikanisch-indischen Beziehungen als "strategische Partnerschaft" im 21. Jahrhundert. Er kündigte an, Indien in seinem Bemühen zu unterstützen, ein ständiges Mitglied des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen zu werden. Mit einem Wort: Die USA betrachten Indien als einen wichtigen Partner in ihrer globalen Strategie.

 

Russland will Beziehungen zum Westen verbessern

Nach einer kritischen Revision seiner in den letzten zwanzig Jahren verfolgten Strategie der Wirtschaftsentwicklung hat Russland die Nachteile seines einseitig auf den Handel mit Rohstoffen basierenden Entwicklungsmodells erkannt. Nun wird der Versuch unternommen, eine auf Innovation beruhende Wirtschaft zu fördern und Modernisierungsziele zu erreichen. Auch die Außenpolitik wird nun daran gemessen, inwiefern sie geeignet ist, die Modernisierung voranzubringen. Das hat zu einem bedeutenden Richtungswechsel geführt. Die Verbesserung der Beziehungen zum Westen genießen nun höchste Priorität, aber auch die Bedeutung der asiatisch-pazifischen Region wächst für die russische Diplomatie.

Russland hat die Beziehungen zu den Vereinigten Staaten verbessert, nicht zuletzt durch eine Änderung seiner Haltung gegenüber dem iranischen Atomprogramm. Bei den Verhandlungen zur atomaren Abrüstung haben Russland und die USA einen Durchbruch erzielt und einen neuen Vertrag zur Reduzierung von Atomwaffen unterzeichnet. Noch bedeutsamer scheint nach siebzehn langen Jahren der Abschluss der Verhandlungen über einen Beitritt Russlands zur Welthandelsorganisation (WTO) zu sein.

Die Beziehungen zu Europa wurden ebenfalls verbessert. Auf dem Russland-EU-Gipfel im Juni schlug der russische Präsident Dmitri Medwedew eine "Russisch-Europäische Modernisierungspartnerschaft" vor, die sich auf die Stärkung der wirtschaftlichen Zusammenarbeit konzentrieren soll. Zudem ist Russland damit einverstanden, mit der NATO bei der Entwicklung eines europäischen Raketenabwehrsystems zusammenzuarbeiten. Eine wachsende Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit der NATO in Afghanistan wurde ebenfalls festgestellt.

Neben der Verbesserung der Beziehungen zum Westen rangierten die Beziehungen zum asiatisch-pazifischen Raum – Heimat vieler Schwellenländer – erstmals vor denen zur Gemeinschaft Unabhängiger Staaten. Russland hat eine Reihe von Maßnahmen ergriffen, um seine Präsenz in dieser Region zu erhöhen. Dazu zählt die weitere Konsolidierung seiner strategischen Partnerschaft mit China. Gemeinsam mit den Vereinigten Staaten wurde Russland zum Teilnehmerland des Ostasiengipfels 2010. Die Beziehungen zu seinen traditionellen Partnern in der Region – Indien und Vietnam – wurden weiter ausgebaut. Mit Indien veranstaltete Russland ein großes Militärmanöver. Mit Vietnam unterzeichnete Russland das erste Nuklearabkommen im Wert von über vier Milliarden Euro.

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