30-11-2010
Einführung
Aufgeschoben ist hoffentlich nicht aufgehoben
von Matthias Mersch

Die Weltklimakonferenz tagt vom 29. November bis 10. Dezember im mexikanischen Badeort Cancún. Was ist zu erwarten?

 

Lang waren die Gesichter nach den armseligen Ergebnissen der Klimakonferenz vor einem Jahr in Kopenhagen. Ein Jahr vor dem Auslaufen der Bestimmungen des Kyoto-Protokolls ist eine verbindlich geregelte Verpflichtung der Konferenzteilnehmer zur Reduktion von Treibhausgasen noch immer in weiter Ferne. Niemand erwartet, dass in Mexiko ein neues Abkommen aus dem Hut gezogen wird. Was man in Kopenhagen nicht geschafft hat, nimmt man sich diesmal gar nicht erst vor. Bescheidenheit ist angesagt: man verhandelt über den Schutz der Urwälder, über den Transfer moderner Energie- und Umwelttechnik in die Entwicklungsländer und wie man mit Geld die Folgen des Klimawandels vielleicht wird auffangen können. Und Geld wird nötig sein, Geld, das den Börsenspielern und Gelddruckern in Europa und Amerika hoffentlich nicht ausgehen wird: ab dem Jahr 2020 werden jährlich 100 Millionen US-Dollar benötigt.

Den für amerikanische Verhältnisse ehrgeizigen Klimaschutzplänen von Präsident Obama haben die Wähler in den USA eine Absage erteilt. Die populäre Tea-Party seiner innenpolitischen Gegner leugnet sogar, dass überhaupt ein von Menschen geschaffenes Klimaproblem existiert. Eine Führungsrolle der USA wird es auf der Konferenz von Cancún also nicht geben. Die könnte vielleicht China übernehmen, wenn es sich dazu verpflichten würde, mit gutem Beispiel voranzugehen und substanziellere Reduktionsziele nicht nur zu verkünden, sondern sich ihnen auch in einem Rahmenwerk vertraglich zu unterwerfen.

Dafür spräche zweierlei: mit jedem Tag der Untätigkeit wächst der finanzielle Aufwand, der zur Reparatur des Klimas geleistet werden muss. Seit letztem Jahr in Kopenhagen – so hat die Internationale Energieagentur (IEA) in Paris ausgerechnet – sei der weltweite Klimaschutz um eine Billion US-Dollar teurer geworden.

China erlebt mittlerweile jedes Jahr Dürre und Überschwemmungen. Das Klima ist grenzenlos, und inzwischen verlässlich in seiner Unberechenbarkeit. China hat die USA vom ersten Platz bei der Produktion von Treibhausgasen verdrängt, ein Rekord, der einmal nicht Anlass zum Jubel ist. Von einer intakten Umwelt und stabilen klimatischen Bedingungen profitierte nicht nur der Riese China, sondern auch die Zwerge in Karibik und Pazifik: ihnen steht im Wortsinne das Wasser bald bis zum Halse. Diese Staaten sind zwar klein und wirtschaftlich alles andere als Global Player, aber sie sind zahlreich und liefern somit eine wertvolle Anzahl Stimmen in der UN-Vollversammlung. Wer von einer multipolaren Weltordnung träumt, tut gut daran, den Spiegel der Ozeane nicht weiter ansteigen zu lassen.

Aber es winkt nicht nur politischer Gewinn. Die Verwirklichung eines Traums ist greifbar. Der Traum der Menschen, die den Umgang mit Geld schätzen: das Richtige, Nützliche, Zukunftsweisende zu tun und dabei auch noch reich zu werden! Paradiesische Zustände, erreichbar ohne Askese und Verzichterlebnisse, gleichsam mit der selbstverliebten Eleganz eines Eiskunstläufers, der beständig seine Kreise zieht und die eine oder andere Pirouette dreht. Statt Idealismus ist Geschäftssinn gefragt.

Siemens-Chef Peter Löscher ist ein Manager im Glück. Der Umsatz seines Konzerns bei grünen Produkten ist von 2007 bis 2010 von 17 auf 28 Milliarden Euro gestiegen. Bis 2014 sind 40 Milliarden anvisiert: „Erst kürzlich hat ein Energieversorger aus Florida sechs der effizientesten und größten Siemens-Gasturbinen der Welt gekauft. Er spart durch den weitaus geringen Rohstoffverbrauch über den Lebenszyklus eine Milliarde US-Dollar netto ein. Das ist grün und rechnet sich."

Merke: Zum lieben Geld drängt nicht nur alles, am lieben Geld hängt auch alles: die Rettung der Welt inklusive!