03-11-2010
Sonderberichterstattung
Gemeinsam gegen einen „Krieg der Wechselkurse"
von Lan Xinzhen

 

Auf dem G20-Gipfeltreffen in Seoul sollten alle Parteien ein  rationales Wechselkursregime errichten, um einen „Krieg der Wechselkurse" zu verhindern.

 

Auf dem G20-Gipfeltreffen am 11. November in Seoul wird die Ordnung der Wechselkurse eines der wichtigsten Themen sein. Denn die Weltwirtschaft sieht sich dem Risiko eines „Kriegs der Wechselkurse" ausgesetzt.

Da die Wirtschaft in den entwickelten Ländern derzeit nur langsam wächst, während die Schwellenländer ein rasantes Wachstum verzeichnen, liegt das Hauptaugenmerk der Regierungen der USA, Europas und Japans auf einer Stimulierung der Wirtschaft. Zur Überwindung der Finanzkrise wurde auf Konjunkturpakete gesetzt, aber diese Maßnahme stößt angesichts unausgeglichener Staatshaushalte und hoher Verschuldung immer deutlicher an seine Grenzen. Der Spielraum für Geldpolitik ist eingeschränkt, in dieser Lage greifen die Industriestaaten zur Währungspolitik, um die Wirtschaft anzukurbeln. Man hofft darauf, durch Abwertung der eigenen Währung oder durch Ausüben von Druck auf die Schwellenländer zugunsten einer Aufwertung ihrer Währungen, die eigene Exportwirtschaft zu fördern und somit das Wirtschaftswachstum anzukurbeln.

Zu diesem Zweck haben vor kurzem die Zentralbanken der Vereinigten Staaten, Europas und Japans eine neue Runde der Lockerung der Währungspolitik angekündigt.

Die Schwellenländer leiden nach der Finanzkrise unter großem Inflationsdruck, da ihre Realwirtschaft schnell wächst. Die Währungspolitik der Industrieländer übt  einen großen Aufwertungsdruck auf die Schwellenländer aus.

Aus der Angst vor einer Aufwertung der eigenen Währung, die der Wettbewerbsfähigkeit der Exportindustrie schaden würde, haben sich die Schwellenländer mehrheitlich dafür entschieden, auf dem Devisenmarkt zu intervenieren. Brasilien, Indien, Südkorea, Thailand, Malaysia, Singapur, Russland, Kolumbien und Peru haben sich in dieser Richtung bewegt. Dies hat Kritik der Industriestaaten provoziert, die von Währungsmanipulation sprechen. Die Schwellenländer klagen hingegen, dass die entwickelten Länder, allen voran die USA, mit ihrer lockeren Geldpolitik die Abwertung der eigenen Währung herbeiführen. Dies erinnert an den „Wechselkurskrieg" in den dreißigen Jahren des vergangenen Jahrhunderts, der erheblich zur großen Weltwirtschaftskrise beigetragen hatte.

Auf dem G20-Gipfeltreffen in Seoul sollten daher alle Parteien eine rationale Ordnung der Wechselkurse anstreben, damit eine Neuauflage des „Wechselkurskrieges" verhindert werden kann.

 

Streit um Wechselkurse schadet der Weltwirtschaft

 

Zwar haben Konfrontationen in Sachen Wechselkurse inzwischen zugenommen, aber  die Zeichen der Zeit stehen noch keineswegs auf „Krieg". Zhou Yu, Leiter des Forschungszentrum für internationale Finanz- und Währungsfragen am Zentrum für Weltwirtschaft an der Shanghaier Akademie für Sozialwissenschaften, sagt, dass alle Parteien gemeinsam danach streben sollten, einen „Krieg der Wechselkurse" zu vermeiden, da dies katastrophale Folgen für die Weltwirtschaft haben würde.

Zhou Yu sagt, dass ein Wechselkurskrieg vor allem das globale Inflationsrisiko erhöhen würde. Andere Länder würden die USA nachahmen, eine lockere Geldpolitik zu betreiben. Ein derartiger Herdentrieb führte zu erhöhter Liquidität und würde entsprechend die Inflation anheizen. Da der Dollar die weltweit wichtigste Währung ist, kann eine Abwertung des Dollars Preissteigerungen bei Rohstoffen, Rohöl und Agrarprodukten verursachen, was zu Kostenexplosion und Inflation führen würde. In der zweiten Hälfte des Jahres 2010 hat eine Abwertung des Dollars bereits Preissteigerungen von rund 50 Prozent bei Weizen, Mais und Baumwollen verursacht.

Ein „Wechselkurskrieg" würde die Stabilität des internationalen Währungssystems schädigen und die Gefahr eines „Handelskriegs" heraufbeschwören. Nach Stand der Dinge wird es den Industrieländern nicht möglich sein, durch eine Abwertung ihre Exporte zu steigern, da viele Schwellenländer auf den internationalen Finanzmärkten intervenieren werden. Um die Schwellenländer zu einer Aufwertung zu bewegen, wird mit protektionistischen Maßnahmen gedroht. Sollten die Schwellenländer diesem Druck nicht nachgeben, droht ein Wechselkurskrieg, der zu einem Handelskrieg eskalieren kann.

Ein Wechselkurskrieg würde auch die Wirtschaft von Schwellenländern bedrohen. Die Geldpolitik der USA könnte zu einem starken Kapitalfluss in die Schwellenländern führen, denn dort sind die Rendite weitaus größer als in den Industriestaaten. Wenn die Schwellenländer die Aufwertung ihrer eigenen Währungen gegenüber dem US-Dollar akzeptierten, würde ihr Außenhandel Schaden nehmen. Wenn sie durch währungspolitische Maßnahmen die Aufwertung der eigenen Währung gegen den US-Dollar verhindern, wird es zu Inflation und Spekulationsblasen kommen. Wenn die USA in Zukunft die Zinsen erhöhen, könnten die großen Kapitalabflüsse eine Finanzkrise in den Schwellenländern auslösen.

Der Wechselkurskrieg in den dreißiger Jahren des letzten Jahrhunderts hat zu einer langanhaltenden Depression der Weltwirtschaft, vor allem der US-Wirtschaft, geführt. Zhou Yu geht allerdings davon aus, dass Politiker und Wirtschaftswissenschaftler heute klüger sind als damals, und einen Krieg der Wechselkurse unter allen Umständen vermeiden werden.  

 

Starke Aufwertung des RMB löst keine Probleme

In der aktuellen Wechselkursdebatte haben die Industriestaaten vor allem China im Visier. Sie beschweren sich darüber, dass China seine Währung unterbewerte, was dem Land einen riesigen Handelsüberschuss eintrage, während die Gewinne der US-Unternehmen aus dem Exportgeschäft schrumpften und sich zugleich die Arbeitslosigkeit in den USA erhöhe. Dies behindere einen Erholung der amerikanischen Wirtschaft.

Wang Yuanlong, Ökonom am Forschungsinstitut Tianda, sagt, dass das Ungleichgewicht im chinesisch-amerikanischen Handel mehrere Gründe habe. Der chinesische Handelsüberschuss beruhe zunächst auf der Arbeitsteilung zwischen den USA und China. 80 Prozent des amerikanischen Bruttoinlandsprodukts im Gesamtwert von 14 Billionen US-Dollar werden vom Dienstleistungssektor erwirtschaftet und nur 11 Prozent vom industriellen Sektor, während in China die Industrie zu 60 Prozent zum BIP beiträgt. Weniger als ein Viertel der amerikanischen Exporte nach China betreffen Industriegüter, zu mehr als drei Vierteln bestehen die Exporte aus Dienstleistungen. Die Vereinigten Staaten exportieren jedes Jahr Dienstleistungen im Wert von rund 20 Milliarden US-Dollar nach China. Insgesamt gibt es 50 000 US-Unternehmen in China, darunter Banken, Versicherungen, Wirtschaftsprüfungsfirmen und Rechtsanwaltskanzleien, die einen Umsatz von 220 Milliarden US-Dollar generieren.

Ein anderer wichtiger Grund für das Ungleichgewicht liegt in den unterschiedlichen Methoden der Erstellung der Außenhandelsstatistiken. Die Statistiken der USA geben das Handelsdefizit mit China stark verzerrt wieder. Das hat vier Ursachen: Erstens werden Ein- und Ausfuhr nach unterschiedlichen Methoden berechnet, wobei die Importe überbewertet werden, während die Exporte unterschätzt werden. Zweitens rechnen die USA Importe von chinesischen Waren aus Drittländern als Einfuhren aus China, während die Exporte von US-Waren über Hongkong nach China in der Statistik nicht als Exporte nach China erscheinen. So kommt es zu einer übertriebenen Darstellung des Defizits im Chinahandel. Drittens erfassen die US-Statistiken nur den Warenhandel mit China, während das Dienstleistungsgeschäft unberücksichtigt bleibt. Viertens werden die chinesischen Waren, die über die USA in die Karibik und nach Lateinamerika exportiert werden, als Einfuhren in die Vereinigten Staaten deklariert.

Seit Beginn der Reform des RMB-Wechselkursregimes im Juli 2005 ist der RMB gegenüber dem US-Dollar tatsächlich schon um 23,5 Prozent aufgewertet worden. Betrachtet man den Zeitraum von Januar 1994 bis Juli dieses Jahres, so hat sich der effektive Wechselkurs des RMB gegenüber dem US-Dollar sogar um 55,2 Prozent verbessert. Der Handelsüberschuss zwischen China und den USA hat sich aber dadurch keineswegs reduziert, sondern ist immer größer geworden. Eine noch stärkere Aufwertung des RMB ist für China aber unvorstellbar, weil China sowohl die Verantwortung einer Großmacht, als auch die Belastbarkeit der eigenen Wirtschaft bedenken muss.

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