Zur Frage von Chinas Verantwortung für den Außenhandelsüberschuss meint Liu Haiquan, der Leiter der Zentralen Stabsstelle des chinesischen Handelsministeriums: „China strebt nicht mit aller Kraft einen Überschuss im Außenhandel an. Der zu große Überschuss ist nicht gut für eine nachhaltige Entwicklung der chinesischen Wirtschaft."
Liu sagt, Statistiken hätten gezeigt, dass Chinas Außenhandelsüberschuss erst seit 1994 andauert. Von 1994 bis 2005 aber war der Umfang des Überschusses nicht groß gewesen. In den meisten Jahren bewegte sich der Überschuss um Werte unter drei Prozent des Bruttoinlandproduktes (BIP). Erst seit 2005 ist der Überschuss rasch angewachsen. Im Jahr 2008 betrug er 298 Milliarden US-Dollar, was 6,9 Prozent des BIP jenes Jahres entsprach.
Im Vergleich zu den anderen führenden Handelsnationen ist Chinas Überschuss nicht besonders groß. Seit 1952 hat Deutschland einen Außenhandelsüberschuss aufzuweisen, dessen Höchststand einem Wert von acht Prozent des BIP entsprach. Seit 1981 besteht in Japan ein Außenhandelsüberschuss. Nach dem Zweiten Weltkrieg hatten die USA zwanzig Jahre lang einen Überschuss im Außenhandel. Aufgrund ihrer reichen Ölvorräte und ihrer geringen Bevölkerungszahl weisen auch viele Golfstaaten einen chronischen Außenhandelsüberschuss auf.
Nach dem Ausbruch der Weltwirtschaftskrise ist Chinas Überschuss im Außenhandel ständig gesunken. Im Jahr 2009 ist der Überschuss im Vergleich zu Vorjahr um 34 Prozent (102 Milliarden US-Dollar) gesunken. Im ersten Halbjahr 2010 ist der Überschuss im Vergleich zum gleichen Zeitraum des Vorjahres um 42,5 Prozent gesunken. Der Anteil des Überschusses am BIP ist somit auf 2,2 Prozent abgesenkt worden, und bewegt sich nunmehr in einem Rahmen, der von der internationalen Gemeinschaft als angemessen betracht wird.
Ausländische Firmen als Hauptverursacher des Überschusses
„Wenn man allein die Zahlen betrachtet, erfährt man nichts über die Ursachen des Außenhandelüberschusses und dessen Nutznießer. Man muss den Handelsüberschuss vor dem Hintergrund der Investitionslage in China betrachten", sagt Liu Haiquan. „In der Tat sind die ausländischen Firmen, die in China investieren, die Hauptverursacher und Nutznießer des chinesischen Außenhandelsüberschusses."
Als Beispiel nennt Liu die Produktion der Barbie-Puppen. In den USA beträgt der Preis einer in China hergestellten Barbie-Puppe 10 US-Dollar, während sich die Herstellungskosten in der chinesischen Fabrik nur auf 0,35 US-Dollar belaufen. Nach Abzug aller Handlungskosten kann das amerikanische Unternehmen pro Barbie-Puppe fast acht US-Dollar Gewinn einstreichen.
Er meint, nach Beginn der Öffnungs- und Reformpolitik haben viele ausländische Firmen in China investiert und Produktionsstätten errichtet. Dank der günstigen Arbeitskräfte, verfügbaren Ressourcen und der von der chinesischen Regierung praktizierten Vorzugspolitik haben sich die Geschäfte dieser Unternehmen gut entwickelt. Ihre Konkurrenzfähigkeit auf dem internationalen Markt erhöhte sich fortwährend. Derzeit sind von den TOP-500 Unternehmen der Welt 470 auf der Produktionsseite in China engagiert. China ist nach und nach zum zentralen Sitz internationaler Unternehmen im Asien-Pazifik-Raum geworden. Das Weißbuch, das von der amerikanischen Handelskammer in China über die Lage der US-Unternehmen in der Volksrepublik im Jahr 2009 veröffentlicht wurde, hebt hervor, dass 74 Prozent der US-Unternehmen sogar im Krisenjahr 2008 Gewinne erzielt hätten; 81 Prozent der US-Unternehmen äußerten sich optimistisch hinsichtlich ihrer Geschäftsentwicklung für die nächsten fünf Jahre.
Eine Win-Win-Situation schaffen
„Von Chinas Exportsituation können China und seine Partnerländer gleichermaßen profitieren. Es verhält sich also keinesfalls so, wie von vielen westlichen Medien behauptet, wonach allein China der große Gewinner ist und alle anderen Ländern die Leidtragenden sind", sagt Liu.
Er meint, dass dank der fleißigen Arbeit der chinesischen Bevölkerung viele Waren guter Qualität zu niedrigem Preis hergestellt würden. Solche Waren sind nicht nur dazu geeignet, die Wirtschaft und die Inlandsmärkte der Importländer zu stabilisieren, sie dienten zudem der Erhöhung des Wohlstandes der Bevölkerung in den Importländern. Durch die Importwaren aus China wird sowohl die Nachfrage der Verbraucher mit mittlerem und niedrigem Einkommen befriedigt als auch das Inflationsrisiko gedämpft. Dies erhöht Kaufkraft und Lebensstandard der Konsumenten. Einer Untersuchung von Morgan Stanley zufolge hätten die US-Bürger durch den Kauf in China hergestellter Waren pro Kopf und Jahr mindestens 300 US-Dollar eingespart.
Liu weist darauf hin, dass chinesische Produkte der Weltbevölkerung erhebliche Vorteile eingebracht hätten. Dadurch seien Chinas Exporte in diesem Jahr wieder rasant angestiegen. Dass man Chinas Außenhandelsüberschuss mit großer Aufmerksamkeit verfolge, aber blind sei gegenüber der Erhöhung des Lebensstandards der Bürger in den Importländern, empfindet Liu als unfair.
Förderung des Imports
In Lius Augen ergänzen sich China und die westlichen Staaten sehr gut. Eigentlich könnten beide Seiten durch eine Liberalisierung des Handels die jeweils benötigten Waren austauschen, um die eigene Nachfrage zu befriedigen. Allerdings bestehe in der Tat noch immer Handelsprotektionismus, der sich in erster Linie gegen China richte. Einige Länder hätten sogar die Idee des Freihandels aufgegeben und würden nun eine sehr strenge und diskriminierende – vor allem gegen China gerichtete – Politik der Exportbeschränkungen verfolgen. Dies trage erheblich zu unausgeglichenen Handelsbilanzen bei.
Vor dem Hintergrund der Weltfinanzkrise bemüht sich China darum, sowohl die Struktur seiner Exportwirtschaft zu verbessern und den Umfang der Exporte zu stabilisieren, als auch den Import zu erweitern, um so einen ausgewogeneren Handel zu schaffen. Seit 2009 hat die chinesische Regierung viele Wirtschaftsdelegationen ins Ausland gesandt, deren Aufgabe die Förderung der Importe nach China ist. Auf vielen wichtigen Messen in China, wie zum Beispiel der Guangzhouer Handelsmesse, wurden spezielle Foren über Importförderung veranstaltet. Hinzu kommt, dass China mit vielen Ländern und Gebieten Handelsabkommen geschlossen hat, deren Bedingungen sogar noch günstiger sind als die im Rahmen der Welthandelsorganisation (WTO) vereinbarten Verträge. Im Jahr 2009 war China der größte Exportmarkt für Japan, Australien, Südkorea, die ASEAN-Staaten, Brasilien und Südafrika, und der drittgrößte Exportmarkt für die USA, die EU und Indien. Der Anteil der Exporte nach China gegenüber dem Gesamtexport dieser Länder erhöhte sich im Jahr 2009 im Vergleich zum Vorjahr erheblich.
„In dieser wichtigen Phase der Entwicklung der Weltwirtschaft wird China als Land, das sich seiner Verantwortung bewusst ist, gerne seine Importe ausbauen, um so zu Wiederbelebung und Stabilität der Weltwirtschaft beizutragen", beteuert Liu.
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