17-09-2010
Diskussion um „Chinas Verantwortung in der Welt“
Warum soll China für die Welt verantwortlich sein?

 

Huo Jianguo, Chinas Verantwortung

 

Seit Ausbruch der weltweiten Finanzkrise hat die chinesische Regierung eine Reihe von Maßnahmen ergriffen, um die Auswirkungen der Krise einzudämmen und das Wirtschaftswachstum anzukurbeln. Dies hat zu positiven Ergebnissen geführt. Zeitgleich propagieren einige Industrieländer eine sogenannte „Chinesische Verantwortung". Sie fordern, dass China Verantwortung für die Korrektur globaler Ungleichgewichte und für die Rettung der Weltwirtschaft übernehmen soll.

In einem Interview mit der Volkszeitung (People's Daily) meint Huo Jianguo, Direktor der Akademie für Internationalen Handel und Wirtschaftliche Zusammenarbeit des Handelsministeriums, dass westliche Staaten ein voreingenommenes Bild von China haben.

 

Volkszeitung: Dient das Argument der „Chinesischen Verantwortung" dazu, China als eigentlichen Urheber des weltweiten ökonomischen Ungleichgewichts darzustellen?

Huo Jianguo: China ist auch eines der Opfer der globalen Finanzkrise. Die direkte Ursache der Krise war die Deregulierung von Finanzgeschäften an der Wall Street und Spekulationen mit Finanzderivaten und an den Terminbörsen. Die exzessive Lockerung der Finanzregulierung durch die US-Regierung und die langfristige Manipulation des US-Dollars haben zu Kapitalblasen auf den internationalen Finanzmärkten geführt. Das sind die eigentlichen systemischen Gründe für die Krise.

Zudem haben unfaire Mechanismen der Weltwirtschaft und der Mangel an globaler Koordination die Situation verschlechtert.

Ich denke, dass das weltwirtschaftliche Ungleichgewicht vor allem durch die unausgeglichenen Entwicklungsniveaus von Industrie- und Entwicklungsländern, sowie die unausgeglichene Verteilung globaler Kapitalgewinne deutlich werden. Diese sind vor allem auf wahllose Spekulationen von hauptsächlich amerikanischen Finanzinstituten zurückzuführen, die mit der Realwirtschaft nichts mehr zu tun hatten.

 

Wie schätzen Sie persönlich Chinas Erfolg ein, mit den Herausforderungen der Krise umzugehen und die Erholung der Weltwirtschaft voranzutreiben?

Über die Jahre hat China durch seine Handlungen bewiesen, dass es ein verantwortungsbewusstes Land ist, das aktiv auf Entwicklung und die Förderung des Weltfriedens hinarbeitet.

Während der Asienkrise 1997 hat China den Yuan stabil gehalten und hat – da es für mehr als ein Viertel des weltweiten Wirtschaftswachstums aufkommt – als Pfeiler für die regionale Erholung agiert und so die globale Ausbreitung der Krise verhindert.

Nach Beginn der globalen Finanzkrise zeigte sich Chinas schnelle Reaktion in der aktiven Teilnahme an der internationalen Koordination der Krisenabwehr etwa im Rahmen der G20 sowie der proaktiven Fiskal- und relativ moderaten Geldpolitik, die das Wirtschaftswachstum sichern und die Binnennachfrage ankurbeln sollten. China hat als eine große verantwortlich handelnde Wirtschaftsmacht einen enormen Beitrag zur Erholung der Weltwirtschaft geleistet. Als weltweit zweitgrößter Importeur fielen Chinas Importe 2009 nur um 11 Prozent, während im gleichen Jahr das weltweite Handelsvolumen um 23 Prozent zurückging und die Importe der Vereinigten Staaten um 26 abfielen. Im Jahr 2010 wachsen Chinas Importe mit 40 Prozent monatlich beständig an, während der Außenhandelsüberschuss weiter abnimmt.

Außerdem möchte ich hervorheben, dass der US-Dollar die Hauptrechnungs- und Rücklagenwährung auf dem globalen Markt ist. Trotzdem hat die US-Regierung seit Jahren, vor allem während der letzten Dekade, eine extrem lockere Geldpolitik verfolgt. Dies hatte wiederholt das Anwerfen der Notenpresse zur Folge, um die langfristigen Leistungsbilanzdefizite und Fiskaldefizite auszugleichen, und führte zu erheblichen Preisblasen auf dem globalen Kapitalmarkt, was ein Ungleichgewicht in der weltweiten wirtschaftlichen Entwicklung nach sich zog. Trotzdem machen westliche Staaten bedenkenlos Chinas Wechselkursregime für die weltwirtschaftlichen Ungleichgewichte verantwortlich.

Seit dem Ausbruch der globalen Finanzkrise 2008 hat China den Yuan hauptsächlich an den US-Dollar gekoppelt. Das ist eine spezielle Antikrisenpolitik, die von China unter besonderen Bedingungen verfolgt wird. Die frühzeitige Erholung Chinas hat den globalen Wiederaufschwung begünstigt. Im Gegensatz dazu haben manche Länder versucht, ihre Währungen während der Krise abzuwerten. Nach der Krise hat China die Reform des Yuan-Wechselkursregimes weiterverfolgt und den Fluktuationsrahmen des Yuan erweitert, so dass der Wechselkurs Angebot und Nachfrage besser widerspiegelt. Das ist ein weiteres Beispiel dafür, dass China verantwortlich gegenüber der Welt handelt. Dafür ist es auch vom Rest der Welt gelobt worden.

 

Einige Leute glauben, dass die Rede von der „Chinesischen Verantwortung" zu einem häufig benutzten Werkzeug westlicher Staaten wird, um Chinas Entwicklungspfad an ihre Vorstellungen anzupassen und Chinas Aufschwung nach der Krise zu dämpfen. Sehen Sie das auch so? Wie denken Sie, sollten wir dem begegnen?

Das stimmt. Die so genannte „Chinesische Verantwortung" könnte sich langfristig in den Köpfen festsetzen. Wir müssen verstehen, dass das Aufstellen der Behauptung, es gäbe so etwas wie eine „Chinesische Verantwortung" genauso gefährlich ist, wie der Versuch „China mit Schmeicheleien umzubringen", wovor wir auf der Hut sein müssen.

Externe Faktoren können China nicht dazu zwingen, eine Verantwortung zu übernehmen, die die eigenen Fähigkeiten übersteigt und Chinas Kerninteressen gefährdet. China ist immer noch ein Entwicklungsland, das vielen schwierigen Herausforderungen auf seinem Entwicklungsweg gegenübersteht. Da China sowohl Eigenschaften eines Entwicklungslands als auch einer großen wachsenden Volkswirtschaft aufweist, streitet man sich im Ausland und auch in China selbst darüber, welchen Status das Land in der Welt einnimmt.

Industrieländer konzentrieren sich mehr auf Chinas Status einer großen wachsenden Volkswirtschaft. Auf der einen Seite beneiden sie China darum, dass es die Möglichkeiten zur Entwicklung durch Teilnahme an der Globalisierung wahrnimmt. Andererseits hoffen sie, dass China mehr Verantwortung übernimmt, da die Industrieländer selbst nicht mehr fähig sind, weltweite Ungleichgewichte zu korrigieren.

In erster Linie sollte China Sorge tragen für das chinesische Volk und die Sicherung eines nachhaltigen Wachstums der chinesischen Volkswirtschaft. Das ist zugleich Chinas wichtigster Beitrag zur Welt. Auf dieser Grundlage wird China erwägen, mehr Verantwortung zu übernehmen, um eine faire und vernünftige Weltwirtschaftsordnung, ein auf Interessenausgleich beruhendes Entwicklungsmodell durch Zusammenarbeit und einen größeren Beitrag zur Weltwirtschaft anzustreben.